KI überall: Der Mensch in der KI-Revolution
Dirk Werth, Chefredakteur IM+io

Die Tech Welt ist elektrisiert von der Vision einer KI als Übermensch. Klar ist schon jetzt, dass KI-Systeme nicht nur einfache Aufgaben erledigen, sondern auch komplexe Entscheidungen treffen, ganze Prozesse eigenständig steuern und nunmehr auch selbständig kreativ sein können. Dabei lernen sie kontinuierlich dazu und optimieren sich selbst – ein Schritt, der unsere Vorstellung von Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine revolutioniert. Doch während Optimisten die KI als Weg in eine effizientere, innovativere Zukunft sehen, warnen Skeptiker vor den Gefahren, dass der Mensch zunehmend an den Rand gedrängt wird. Was bleibt überhaupt noch „human-centered“?
Schon heute übernimmt KI eine Vielzahl von Aufgaben, die früher der Mensch noch manuell ausgeführt hat. Repetitive Arbeiten, wie das Sortieren von Daten, das Beantworten von Routineanfragen oder das Verwalten von Kalendern, sind eine Selbstverständlichkeit und können durch intelligente Systeme effizienter abgewickelt werden.
Doch die KI-Welle endet nicht bei einfachen Aufgaben. KI-Systeme sind in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die auf komplexen Datenanalysen basieren. In der Buchhaltung identifiziert KI verdächtige Transaktionen, noch bevor sie von Menschen bemerkt werden. In der Produktion überwachen smarte Maschinen den Zustand von Anlagen und planen Wartungsarbeiten, bevor es zu Ausfällen kommt. Im Kundenservice kann KI personalisierte Antworten generieren, die auf den bisherigen Interaktionen basieren – und das schneller und oft besser als ein Mensch. Selbst das Management – eigentlich eine ureigene menschliche Aufgabe – ist vor KI nicht sicher. Algorithmen analysieren Markttrends, optimieren Investitionsentscheidungen und verbessern die Personalplanung.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was bleibt dem Menschen? Eine mögliche Antwort ist seine neue Rolle als „Orchestrator“ der Technologie – er überwacht, steuert und greift ein. Bereiche wie Empathie, ethisches Urteilsvermögen und kreative Originalität bleiben menschlich. Eine KI kann Musik schreiben, aber erreicht sie die emotionalen Tiefen eines menschlichen Komponisten? Sie kann Daten analysieren, doch fehlt ihr das moralische Verständnis. Auch in sozialen Interaktionen stößt KI an Grenzen: Effizient kommunizieren ja, aber Empathie und Beziehungen pflegen? Das bleibt zutiefst menschlich, wie auch der steigende Bedarf an solchen Berufen zeigt.
Doch was passiert, wenn wir uns zu sehr auf die Fähigkeiten der KI verlassen? Marc-Uwe Kling beschreibt in QualityLand humorvoll, aber treffend die Grenzen und Gefahren einer allmächtigen KI. In der Geschichte wird der Protagonist Peter mit einer absurden Situation konfrontiert: Ein automatisierter Shop liefert ihm ein Produkt, das er gar nicht haben will. Als er versucht, es zurückzugeben, stößt er auf die unnachgiebige Logik der Maschine. „Der Algorithmus weiß besser, was du willst, als du selbst“, lautet die Begründung. Diese Übertreibung verdeutlicht eine entscheidende Schwäche der KI: Maschinen mögen effizient sein, aber sie sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie basieren – und manchmal liegen sie schlichtweg falsch.
Die Entdeckung, dass selbst hochentwickelte KIs wie KataGo im Spiel Go von simpleren Algorithmen geschlagen werden können, zeigt, dass KI trotz ihrer Rechenleistung anfällig für Angriffe und Fehler bleibt. Diese Schwächen sind schwer dauerhaft zu beheben und relativieren die Vorstellung von übermenschlichen KI-Fähigkeiten. Der Mensch bleibt unersetzlich als Wächter, um diese Schwächen zu erkennen und zu korrigieren – sowohl im Spiel als auch in realen Anwendungen wie ChatGPT.
Kann es also sinnvoll sein, den Menschen als Kostenfaktor und überflüssige Variable in einer Welt der KI zu degradieren? Vielmehr muss sich der Mensch seiner Stärken gegenüber den Maschinen bewusst sein – sei es als kreativer Anstoßgeber, ethischer Wächter oder empathischer Kommunikator. KI ist mächtig, aber Menschlichkeit, die über Daten hinausgeht, ist unersetzlich.