KI in der Automatisierung: Effizienz ja, Strategie nein?
Ergebnisse der Studie "Intelligent Process Automation 2024"
Christian Heinrichs, UiPath
(Titelbild: © AdobeStock | 1033820079 | weerasak)
Kurz und Bündig
Die aktuelle Studie „Intelligent Process Automation & Process Orchestration 2024“ von COMPUTERWOCHE Research Services in Zusammenarbeit mit UiPath zeigt, dass die Integration von KI in die Prozessautomatisierung an Bedeutung gewinnt, es vielen Unternehmen jedoch an einer klaren Strategie fehlt. Obwohl einige bereits von Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen profitieren, nutzen sie das Potenzial von KI-Technologien nicht vollständig. Datenqualität, Fachkräftemangel, technische Integration und die Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitenden bleiben dabei wichtige Herausforderungen.
Knapp drei Viertel der Unternehmen in Deutschland nutzen schon heute Künstliche Intelligenz (KI) zur Automatisierung von Prozessen, jedoch hat nur die Hälfte dieser Gruppe KI strategisch integriert. Um diese Diskrepanz zu beleuchten, wurden mittels qualifizierter Interviews 360 Verantwortliche und Entscheidungstragende aus der DACH-Region nach der strategischen Nutzung von KI in der Prozessautomatisierung befragt. Es wird deutlich, dass Unternehmen mit höherem digitalem Reifegrad Künstliche Intelligenz effektiver nutzen, was die Kluft zwischen Marktführern und weniger digital fortgeschrittenen Unternehmen vergrößert.
Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Automatisierung bedeutet, dass Unternehmen von einfacher, robotergestützter Automatisierung zur intelligenten Prozessautomatisierung (Intelligent Process Automation, IPA) übergehen. IPA kann Prozesse schneller und umfassender automatisieren, sodass Unternehmen effizienter arbeiten können. Die Software-Roboter übernehmen dabei repetitive Aufgaben wie das Übertragen von Informationen aus Emails in ERP-Systeme oder die Analyse von Dokumenten nach spezifischen Informationen. Mitarbeitende können sich so anspruchsvolleren und kreativeren Aufgaben widmen.
73 Prozent der befragten Unternehmen haben diese Transformation bereits begonnen. Andererseits ist IPA bei weniger als der Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) Teil der Strategie im Bereich Prozessautomatisierung. In der Studie „Intelligent Process Automation & Process Orchestration 2024“ von COMPUTERWOCHE Research Services in Zusammenarbeit mit UiPath wurden 360 CIOs, IT-Verantwortliche und Führungskräfte aus Unternehmen der DACH-Region zur strategischen Nutzung von KI in der Prozessautomatisierung befragt. Ziel der Studie war es, zu beleuchten, wie Unternehmen neue Technologien zur Prozessautomatisierung und -orchestrierung einsetzen und wie sie diese in naher Zukunft in ihre Unternehmensstrategien einbinden wollen.
Untersucht wurde außerdem, anhand welcher Erfolgsfaktoren Unternehmen die strategische Nutzung von KI in der IPA bewerten und welche Herausforderungen diese bei der Implementierung sehen. Auch die Bedeutung von End-to-End-Automatisierung und Prozessorchestrierung zur Optimierung der gesamten Geschäftsprozesse wurde in der Studie untersucht. Die folgenden sieben Ergebnisse der Studie stechen dabei hervor:
1. Die Prozessautomatisierung spielt in fast allen Unternehmen eine zentrale Rolle
Die Prozessautomatisierung hat für Unternehmen in Deutschland unabhängig von ihrer Größe eine immense Bedeutung. Die Mehrheit der befragten Unternehmen (79 Prozent) bewerten die Automatisierung als wichtig bis sehr wichtig, wobei insbesondere das Management und IT-Führungskräfte diesen Trend unterstützen. In den Fachabteilungen ist die Zustimmung dagegen geringer; hier halten 60 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Prozessautomatisierung für relevant. Mit dem bereits etablierten Automatisierungsgrad im Unternehmen sind laut der Umfrage 64 Prozent der Befragten zufrieden. Erneut zeigt sich in den Fachbereichen mit einer Zufriedenheit von 49 Prozent eine etwas größere Skepsis. Um möglichen Bedenken entgegenzuwirken, sollten Abteilungen frühzeitig in die Planung und Umsetzung von Automatisierungsprojekten einbezogen werden, damit sich die Mitarbeitenden motiviert, informiert und einbezogen fühlen.
2. IT-Abteilung, Management und Finanzbereich sind Vorreiter bei IPA
Wenig überraschend setzen insbesondere IT-Abteilungen auf IPA (44 Prozent). Auch im Management (42 Prozent) und Finanzwesen (41 Prozent) wird vermehrt Intelligent Process Automation zur Optimierung von Abläufen genutzt. Bemerkenswert ist, dass vor allem kleinere Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten im Management (47 Prozent) und Finanzwesen (50 Prozent) besonders stark auf IPA setzen. Dies resultiert möglicherweise aus der etwas geringeren Prozess-Komplexität in kleinen bis mittelständischen Unternehmen. Im Personalwesen verwendet ein Drittel aller befragten Unternehmen IPA, etwa für Onboarding-Prozesse und Dokumentenmanagement. Im Servicebereich wird IPA dagegen mit 16 Prozent nur selten genutzt. Dennoch bietet IPA auch hier Potenzial, etwa durch die Optimierung des Einsatzes von Servicetechnikern.
3. Der Erfolg einer gelungenen Prozessautomatisierung zeigt sich in der Profitabilität
Eine erfolgreiche Prozessautomatisierung wird von Unternehmen vor allem anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen bewertet. Als besonders wichtige Faktoren definieren die befragten Unternehmen den Return on Investment (ROI) (55 Prozent) und die Profitabilität (54 Prozent). Andere Faktoren, wie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden (25 Prozent) oder der Kund:innen (19 Prozent), spielen eine kleinere Rolle. Damit ist klar: IPA sollte sich möglichst schnell rechnen und einen positiven Effekt auf das Geschäftsergebnis haben. Angesichts des Fachkräftemangels und einem stetig stärker werdenden Wettbewerb sollten Unternehmen jedoch nicht das Potenzial aus den Augen verlieren, dass IPA Mitarbeitende entlastet werden und dies zu einer höheren Zufriedenheit am Arbeitsplatz führen kann sowie zusätzlich bessere Kundenerfahrung bietet.
4. Mehr als die Hälfte der Unternehmen haben Prozesse bereits End-to-End automatisiert
Rund jedes zweite der befragten Unternehmen (56 Prozent) hat seine Prozesse durchgängig automatisiert, bevorzugt mithilfe von Plattformen. Kleine Unternehmen verzeichnen dabei mit 66 Prozent den höchsten End-to-End-Automatisierungsgrad, während dieser Wert im Mittelstand (46 Prozent) und bei großen Unternehmen (50 Prozent) niedriger ausfällt. Die Ziele der Unternehmen bei der End-to-End-Automatisierung sind eine höhere Effizienz (60 Prozent), Kostensenkungen (56 Prozent) und eine verbesserte Integration von Prozessen (49 Prozent). Jedoch haben nur drei von zehn Unternehmen (29 Prozent) Agilität und jedes Fünfte (22 Prozent) Innovation als zentrale Ziele ihrer Automatisierungsstrategien benannt. Es zeigt sich jedoch, dass anhand freier Kapazitäten durch Automatisierung effizienter an Innovationen gearbeitet werden kann. Fast alle Befragten sind sich einig, dass durch die Nutzung von Plattformen für die End-to-End-Automatisierung die angestrebten Ziele, wie eine Reduzierung der Prozesskomplexität und eine Steigerung der Effizienz, erreicht werden können.
5. Die Haupthindernisse bei IPA-Projekten: Technik, Fachwissen und fehlende Fachkräfte
Kleinere und mittelständische Unternehmen bezeichnen fehlendes Know-how mit respektive 51 Prozent und 56 Prozent als größte Hürde bei der Einführung und Nutzung intelligenter Prozessautomatisierung. Großunternehmen hingegen sehen technologische Barrieren als das größte Problem (45 Prozent). Für kleinere Unternehmen ist die Integration in bestehende Systeme (34 Prozent) eine der größten Herausforderungen. Diese Hürde lässt sich mit Unterstützung von externen Fachexperten und IT-Dienstleistern überwinden. Überraschend ist, dass der Widerstand gegen intelligente Prozessautomatisierung als Hindernis innerhalb der Organisation unterschiedlich bewertet wird. Rund 46 Prozent des Managements sehen darin ein Problem, während dem in der IT-Leitung nur 26 Prozent und in den Fachabteilungen nur 15 Prozent zustimmen. Die Kosten werden umgekehrt wahrgenommen: 44 Prozent der Fachabteilungen, jedoch nur 30 Prozent des Managements, sehen diese als Hemmnis. Für den erfolgreichen Ablauf solcher Projekte ist ein besserer Informationsfluss über Abteilungsgrenzen hinweg der entscheidend Erfolgsfaktor.
6. Effiziente Prozessautomatisierung nicht ohne Consultants und Systemhäuser
Sowohl interne Fachleute (53 Prozent) als auch eigene IT-Dienstleister (49 Prozent) sind häufig an der Automatisierung von Prozessen beteiligt. Dies gilt ebenso für externe fachkundige Personen und Systemhäuser, unabhängig von der Größe des Unternehmens. Eine besondere Rolle spielen externe Beratungsunternehmen, die bei nahezu der Hälfte der mittelständischen und großen Unternehmen sowie bei 37 Prozent der kleinen Unternehmen hinzugezogen werden, um Prozesse zu erfassen und zu automatisieren.
Der Einsatz externer Berater:innen hat mehrere Gründe: Oft fehlen im Unternehmen spezialisierte Mitarbeiter:innen oder es fehlt an technischem Know-how. Außerdem ist es notwendig, die Prozesslandschaft unabhängig und objektiv zu analysieren. Vor diesem Hintergrund halten zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten eine allgemeine Beratung zum Potenzial der Prozessautomatisierung für essenziell, selbst in Großunternehmen mit umfangreichen IT-Abteilungen. Zudem stellt es für 45 Prozent der Befragten einen Nutzen dar, automatisierte Prozesse und die Nutzung von KI ganzheitlich zu integrieren, um basierend darauf die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren.
7. Der Einsatz von KI in der Automatisierung ist auf dem Vormarsch
Unternehmen setzen bei der intelligenten Prozessautomatisierung besonders auf KI-Funktionen wie Machine Learning (50 Prozent), Natural Language Processing (NLP) (45 Prozent) und generative KI (GenAI) (43 Prozent). Große Unternehmen nutzen verstärkt GenAI (54 Prozent), während kleinere Firmen (30 Prozent) und der Mittelstand (49 Prozent) diese Technologie seltener einsetzen. Bemerkenswert ist, dass das Management einen höheren Einsatz von KI-Methoden erwartet als IT- und Fachbereichsleitungen. Innerhalb der Geschäftsleitung gehen 55 Prozent davon aus, dass NLP genutzt wird. 61 Prozent denken, dass der Einsatz von Machine Learning schon auf dem Vormarsch ist. Fragt man dagegen IT-Expert:innen, so sehen diese einen deutlich geringeren Einsatz: 40 Prozent bei NLP und 44 Prozent bei Machine Learning. Diese Diskrepanz kann zu unrealistischen Erwartungen des Managements bezüglich Automatisierungsprojekten führen. Auch hier ist deshalb der Informationsaustausch zwischen den Abteilungen zentral.
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Prozessautomatisierung immer mehr an Relevanz gewinnt. Viele Unternehmen erkennen bereits die Vorteile wie Effizienzsteigerung, Kostensenkung und verbesserte Qualität. Es haben jedoch noch nicht alle eine klare Strategie für die vollständige Umsetzung entwickelt. Allerdings hat sich die Nutzung von KI in der Prozessautomatisierung im Vergleich zu den Ergebnissen des Vorjahres signifikant erhöht. Während im Jahr 2023 nahezu 60 Prozent der Unternehmen auf KI-Methoden zurückgriffen, liegt dieser Anteil nun bei 73 Prozent. Im Hinblick auf die Zukunft ist der Anstieg generativer KI-Anwendungen, die auf Sprachmodellen wie GPT, Palm und Llama basieren, besonders spannend. Diese Technologien ermöglichen es den Unternehmen, immer komplexere Prozesse zu automatisieren, wodurch sich die Flexibilität und Effizienz in den Abläufen steigert.
Führungskräfte und IT-Fachleute gehören weiterhin zu den größten Befürwortenden von IPA, während Mitarbeiter:innen in Fachbereichen die Nutzung skeptischer bewerten. Es ist daher sinnvoll, die Belegschaft stärker in Automatisierungsprojekte einzubinden, um Bedenken abzubauen und die Vorteile klar zu kommunizieren. Der Einsatz solcher Technologien entlastet nicht nur das Management, sondern fördert auch eine effizientere Arbeitsweise. Indem Routineaufgaben automatisiert werden, gewinnen die Führungskräfte mehr Zeit für strategische Überlegungen und Entscheidungen.
Darüber hinaus findet eine Demokratisierung der Nutzung von KI-gestützten Tools statt. Mitarbeiter:innen auf verschiedenen Ebenen des Unternehmens können gleichermaßen von Automatisierungstechnologien profitieren. Sie nutzen diese, um beispielsweise umfangreiche Dokumente zusammenzufassen, den Status von Projekten zu dokumentieren oder Daten effizient in ERP-Systeme einzupflegen. Diese Vereinfachung und Zeitersparnis bietet eine Entlastung im Arbeitsalltag, und bietet auch die Möglichkeit für kreative Aufgaben. Mitarbeitende können neue Ideen entwickeln, was zu einer insgesamt innovativeren und wettbewerbsfähigen Unternehmenskultur beitragen kann.
Trotz dieser Fortschritte wird deutlich, dass Unternehmen, die die Vorteile von IPA-Lösungen vollständig ausschöpfen möchten, die grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung nicht aus den Augen verlieren sollten. Ein solides Fundament ist entscheidend, um die Vorteile der Automatisierung nachhaltig nutzen zu können. Analog zu einem Hobbyläufer, der ohne eine ausreichende Grundkondition Schwierigkeiten hat, längere Strecken zu bewältigen, benötigen auch Organisationen eine gute Basis, um die Potenziale neuer Technologien voll ausschöpfen zu können. Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass, obwohl der Weg zur intelligenten Prozessautomatisierung noch lang ist, die Fortschritte und das Engagement der Unternehmen mehr als vielversprechend sind.