Goldgrube oder Datendschungel?
Die Suche nach den richtigen Erkenntnissen
Georg Wittenburg, Inspirient im Gespräch mit Milena Milivojevic, IM+io

(Titelbild: © Adobe Stock | 1264641625 | CHA )
Kurz und Bündig
Über 80 Prozent der Unternehmensdaten bleiben ungenutzt – ein enormes Potenzial für datenbasierte Entscheidungen. Automatisierte Analysen ermöglichen es, komplexe Datensätze schnell und präzise auszuwerten, wodurch Unternehmen Zeit und Ressourcen sparen. Besonders in der Markt- und Meinungsforschung sowie im Finanzsektor kommt KI bereits zum Einsatz. Entscheidend bleibt, dass die Technologie zuverlässig arbeitet, während Nutzende weiterhin Steuerungsmöglichkeiten behalten.
Daten sind das neue Gold – ihr Wert liegt jedoch in der richtigen Nutzung. In Unternehmen sammeln sich unzählige Informationen, die tiefere Einblicke ermöglichen können. Allerdings fehlt es oft an Zeit und Ressourcen, um sie effizient auszuwerten. Automatisierte Analysen sollen Abhilfe schaffen, aber wie lassen sich daraus wirklich verlässliche Entscheidungen ableiten? Und welche Verantwortung bleibt dabei beim Menschen?
IM+io: Wie würden Sie Inspirient beschreiben?
GW: Inspirient wurde 2016 von meinem Mitgründer Guillaume Aimetti und mir ins Leben gerufen. Unser Ziel war es, die Analyse betrieblicher Datensätze zu automatisieren. Das haben wir uns damals überlegt, weil wir beide vorher mehrere Jahre in der Beratung tätig waren – unter anderem bei BCG und Deloitte – und gesehen haben, dass ein enormes Automatisierungspotenzial in der Datenanalyse steckt. Wir haben damals oft mit großen Datenmengen gearbeitet und festgestellt, dass ein erheblicher Teil der Analyseprozesse immer wieder auf denselben Routinen basiert. Die Idee war also, eine Lösung zu entwickeln, die diese Auswertungen automatisiert, ohne dass Analyst:innen alles manuell durchgehen müssen. Mittlerweile sind wir mit Inspirient seit neun Jahren am Markt und haben uns in Deutschland, aber auch international, insbesondere in Europa und Nordamerika, etabliert. Unser Fokus liegt unter anderem auf Markt- und Meinungsforschung, aber wir sind auch in klassischen Unternehmensbereichen wie Finanzen, Operations oder Logistik tätig.
IM+io: Wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von anderen KI-basierten Analysewerkzeugen?
GW: Der Markt für KI-gestützte Datenanalyse hat sich rasant entwickelt, besonders durch Fortschritte bei generativen Modellen wie ChatGPT. Was uns unterscheidet, ist die Vertrauenswürdigkeit unserer Analysen. Unsere KI generiert nicht nur Texte, sondern führt mathematisch und statistisch fundierte Auswertungen durch – ohne „halluzinierte“ Antworten. Kund:innen aus der Finanz- und Marktforschung schätzen die Nachvollziehbarkeit unserer Berechnungen. Während andere KI-Lösungen oft als „Black Box“ agieren, behalten unsere Nutzer:innen stets die Kontrolle.
IM+io: In einem früheren Interview haben Sie Ihre KI mit einem selbstfahrenden Auto verglichen. Wie sehen Sie das heute?
GW: Der Vergleich mit einem selbstfahrenden Auto passt weiterhin gut. Unser System kann autonom Daten analysieren, doch der Mensch bleibt involviert. Was wir gelernt haben: Nutzende wollen Eingriffsmöglichkeiten – eine KI ohne Steuerungsmöglichkeit wäre kaum akzeptabel. Deshalb haben wir eine Schnittstelle geschaffen, mit der Parameter flexibel angepasst werden können. So kann der Fokus in jeder Analyse individuell gesetzt werden.
IM+io: Können Sie ein konkretes Beispiel für diese Flexibilität geben?
GW: Ein gutes Beispiel ist die Analyse von Marktdaten. Angenommen, ein Unternehmen möchte herausfinden, welche Faktoren den Umsatz eines neuen Produkts beeinflussen. Unsere KI identifiziert automatisch die wichtigsten Variablen, aber manchmal sind es genau die „unerwarteten“ Korrelationen, die den größten Mehrwert bieten. Wenn sich beispielsweise zeigt, dass saisonale Faktoren eine stärkere Rolle spielen als ursprünglich gedacht, kann der Analyst oder die Analystin das System gezielt darauf hinweisen, diese Faktoren stärker zu gewichten. So entsteht eine Kombination aus Automatisierung und menschlicher Intuition.
IM+io: Sie sind seit 2023 in Nordamerika aktiv. Was waren Ihre bisherigen Highlights dort?
GW: Ein großes Highlight war sicherlich unser Einsatz in der politischen Meinungsforschung. Während der letzten US-Wahlen wurden auf unserer Plattform große Datenmengen analysiert, um Wählerstimmungen und Kampagneneffekte unter einer Zeitersparnis von über 80 Prozent zu bewerten. Ein weiterer Erfolg war unsere Auszeichnung als „Beste Datenplattform“ durch die Market Research Society in London. Es ist natürlich ein starkes Signal, wenn man sich im internationalen Vergleich behaupten kann – insbesondere als europäisches Unternehmen. Zudem haben wir in Nordamerika wertvolle Partnerschaften aufgebaut, die uns neue Einblicke in die dortigen Marktanforderungen geben. Die Offenheit für datengetriebene Entscheidungsprozesse und Automatisierung ist dort enorm, was spannende Perspektiven für unsere weitere Entwicklung bietet.
IM+io: Sie sind Teil des Scheer Netzwerks. Welche Rolle spielt diese Partnerschaft für Ihr Unternehmen und wie wirkt sich die Zusammenarbeit auf Ihre Arbeit aus?
GW: Es ist für uns ein wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems. Wir profitieren von der langjährigen Erfahrung und den etablierten Strukturen im Netzwerk, insbesondere wenn es um die Skalierung und Integration unserer Lösungen geht. Ein konkretes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit im Bereich der standardisierten Datenverarbeitung, beispielsweise die gemeinsam erarbeitete DIN SPEC 32792.
Gemeinsam mit Partnern aus dem Netzwerk konnten wir neue Methoden entwickeln, um Daten effizienter zu strukturieren und auszuwerten. Das erleichtert es unseren Kunden, KI-gestützte Analysen in bestehende Prozesse zu integrieren.
IM+io: Wie verändert sich die Rolle von Data Scientists mit zunehmender Automatisierung?
GW: Data Science wird zunehmend automatisiert, aber das bedeutet nicht, dass die Rolle von Data Scientists obsolet wird – aber sie verändert sich weiter! Statt Daten manuell zu bereinigen oder einfache Berechnungen durchzuführen, können sie sich stärker auf inhaltliche und betriebliche Fragen konzentrieren. Ein gutes Beispiel: Früher mussten Data Scientists oft viel Zeit damit verbringen, Datenmodelle aufzusetzen und Berechnungen manuell auszuführen. Heute kann unsere KI diese Vorarbeit übernehmen. Das ermöglicht es den Analyst:innen, sich darauf zu konzentrieren, welche Schlussfolgerungen aus den Daten gezogen werden sollten und welche Maßnahmen sich daraus ableiten.
IM+io: Datensicherheit ist ein großes Thema. Wie stellen Sie sicher, dass Kund:innendaten geschützt bleiben?
GW: Unsere Kund:innen arbeiten oft mit hochsensiblen Daten – sei es in der Finanzbranche oder der Marktforschung. Deshalb bieten wir verschiedene Optionen an, um Datenschutzanforderungen gerecht zu werden. In vielen Fällen installieren wir unsere KI direkt bei Kund:innen – entweder in deren Rechenzentrum oder in einer privaten Cloud. Dadurch bleiben die Daten jederzeit unter Kontrolle des Unternehmens. Für Kund:innen, die eine SaaS-Lösung bevorzugen, achten wir darauf, dass Serverstandorte den jeweiligen Datenschutzrichtlinien entsprechen.
IM+io: Wie wird sich die KI-gestützte Datenanalyse in den kommenden Jahren entwickeln?
GW: Wir sehen aktuell eine spannende Entwicklung: Datenanalysen werden interaktiver. Während man früher statische Berichte oder Dashboards hatte, wird es in Zukunft möglich sein, mit seinen Daten direkt zu kommunizieren – etwa durch Sprach- oder Texteingaben. Das bedeutet, dass eine Führungskraft in einem Meeting einfach fragen kann: „Welche Stärken unserer Markenstrategie sollten wir im Vergleich zu Wettbewerbsteilnehmenden X nutzen?“ – und die KI liefert sofort eine präzise Antwort, basierend auf den eigenen Daten.
Unsere Vision ist es, diese Möglichkeiten weiter auszubauen und sicherzustellen, dass Nutzer:innen ihre Daten so einfach wie möglich nutzen können – ohne komplizierte technische Kenntnisse.
IM+io: Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken – was hat Sie am meisten überrascht?
GM: Am meisten überrascht hat mich, wie stark sich die Erwartungen unserer Kund:innen verändert haben. Vor ein paar Jahren hätten viele Unternehmen noch gezögert, eine KI mit der Analyse sensibler Daten zu betrauen. Heute ist das Vertrauen in diese Technologien deutlich gestiegen. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass Kund:innen immer die Möglichkeit haben wollen, ihre KI-gesteuerten Analysen zu beeinflussen. Unsere größte Erkenntnis war daher: Automatisierung ist gut – aber sie funktioniert am besten, wenn sie den Menschen nicht ersetzt, sondern unterstützt.
Klar, Investitionen sind eine Hürde, aber genau da können politische Anreize und einfachere Genehmigungsverfahren richtig viel bewegen. Wer heute handelt, profitiert morgen von einer stabilen, kosteneffizienten und nachhaltigen Mobilitätsstrategie. Es lohnt sich also, jetzt die richtigen Weichen zu stellen!
IM+io: Was sind Ihre nächsten Ziele?
GM: Unser Hauptziel ist es, die neuesten KI-Entwicklungen für unsere Kund:innen nutzbar zu machen. Das bedeutet unter anderem, dass wir die Nutzungsfreundlichkeit weiter optimieren, die Automatisierung intelligenter machen und unsere Lösungen noch stärker in bestehende Unternehmensprozesse integrieren. Außerdem wollen wir unsere internationale Präsenz weiter ausbauen – insbesondere in Nordamerika, wo wir bereits sehr erfolgreich gestartet sind.