„Erfolg kann nur die Unternehmung haben, die auch skaliert.“
Startup-Schmiede Impact Factory
Im Gespräch mit Oliver Kuschel, Anthropia gGmbH
(Titelbild: © Anhropia gGmbH)
Kurz und Bündig
Mit der Impact Factory hat die Anthropia gGmbH ein einzigartiges Stipendium für Social Entrepreneurs ins Leben gerufen. Mehr als 200 Startups und circa 450 Gründer:innen mit dem Fokus auf Wirkungsorientierung haben das Programm der Innovationsschmiede inzwischen durchlaufen. Startups mit Impact sind im Trend!
Wer auf Basis sozialer Geschäftsmodelle ein Unternehmen gründen möchte, findet bei der Impact Factory sein Zuhause. Die Initiatoren haben zusammen ein einzigartiges Gründerstipendium ins Leben gerufen, das Sozialunternehmer:innen aus ganz Deutschland einen kollaborativen Raum bietet, an dem skalierbare Innovationen zur Lösung komplexer sozialer und ökologischer Herausforderungen entstehen. Wie das Angebot der Impact Factory an wirkungsorientierte Startups aussieht, fanden wir im Gespräch mit Oliver Kuschel, Gründer und Geschäftsführer der Anthropia gGmbH, heraus.
Herr Kuschel, gemeinsam mit Dirk Sander haben Sie Anthropia im Jahr 2018 gegründet. Wofür steht das Unternehmen und wie kam es zur Gründung?
OK: Zum Zeitpunkt der Gründung von Anthropia gab es am Standort Duisburg schon drei Jahre lang einen Inkubator, das heißt eine Unterstützungseinrichtung für soziale und ökologische Innovatoren, das Social Impact Lab Duisburg. Betrieben wurde es von einer gemeinnützigen GmbH aus Berlin. Die Aktivitäten in Duisburg wurden gefördert von drei Hauptförderpartnern, nämlich Haniel als Unternehmen, der Beisheim Stiftung aus München und der KfW Stiftung aus Frankfurt.
Doch nach drei Jahren wurde diesen Förderpartnern klar, dass sie das Thema Unternehmertum und Wirkungsorientierung gerne noch näher zusammenbringen wollten. Diese Kombination war den Förderpartnern in dem alten Format nicht stark genug ausgeprägt. Denn eine weitreichende Wirkung, also Impact, kann nur die Unternehmung haben, die auch skaliert. Aus diesem Gedanken heraus und auf Wunsch der Förderpartner wurde mein Co-Gründer gebeten, ein neues Programm zu konzipieren.
Ich bin dann eher zufällig mit ihm zusammengetroffen. Nach 25 Jahren als Unternehmensberater im Finanzbereich hatte ich das Gefühl etwas Anderes und Neues machen zu wollen. Eine eigene Wirkung entfalten, die über die üblichen performanceorientierten Beratungsdienstleistungen hinausgeht. Das passte dann gut zusammen, die Expertise meines Co-Gründers im Bereich Startup-Inkubation und meine Expertise aus der Gründung und dem Aufbau verschiedener Unternehmen, vornehmlich in der Beratung.
Gemeinsam haben wir dann ein gänzlich neues Curriculum konzipiert, das sich an den Herausforderungen von Gründer:innen in den verschiedenen Lebensphasen ihres Startups orientiert. Diese Art der Programmkonzeption war im Jahr 2018 noch recht neu. Erfreulicherweise bekamen wir recht zügig die Zusage der Förderpartner für unser Vorhaben, und es folgte die Gründung der gemeinnützigen Gesellschaft, die die Förderpartner zur Bedingung gemacht hatten. Den neuen Inkubator für wirkungsorientierte Startups nannten wir dann konsequenterweise „Impact Factory“. Daraus ist inzwischen der größte Inkubator für sogenannte wirkungsorientierte Startups oder Impact Startups in Deutschland geworden mit über 200 Startups und mehr als 450 Gründer:innen in der Community.
Welche Vision steht dahinter?
OK: Wir verstehen uns als Heimat für alle Zukunftsmacher:innen. Und wir bezeichnen uns als Denk-, Dialog- und Handlungsraum für eine enkelfähige Zukunft.
Der Handlungsraum, das ist sicher die Impact Factory, wo wir sehr viele Aktivitäten rund um die sämtlichen Bedürfnisse unserer Gründer:innen, die wir betreuen, entfalten. Daneben haben wir noch einen Podcast und weitere verschiedenste Dialogformate. Und wir denken uns natürlich auch ständig neue Formate aus, um die Transformation der Wirtschaft zu begleiten.
Unsere Vision ist, dass wir die anstehende Transformation der Wirtschaft weg von der rein profitorientierten Ausprägung hin zu einer Wirtschaft im Einklang mit Ökologie und Gesellschaft mitgestalten und einen Beitrag leisten.
Es ist sicherlich nicht profan, unser Wirtschaftssystem zu ändern und man kann nicht bei einer hohen Geschwindigkeit das Lenkrad einfach so herumreißen, dann kommt es eher zu einem Totalschaden. Es muss natürlich behutsam, aber trotzdem mit einer gewissen Geschwindigkeit geschehen, weil wir wissen, dass wir eigentlich nicht mehr allzu viel Zeit haben, um unseren Fußabdruck so zu reduzieren, damit auch unsere Kinder und Kindeskinder noch eine lebenswerten Platz hier auf unserem Planeten vorfinden.
Wie genau lautet denn das Angebot von Anthropia beziehungsweise der Impact Factory an Gründer:innen?
OK: Wir haben ein neues Programm für Gründer:innen konzipiert, welches aus drei Entwicklungsphasen besteht. Die erste Phase nennt sich Create Up-Phase. Sie richtet sich an Gründer:innen, die bereits eine Idee haben, aber noch keine Prototypen der Produkte oder Dienstleistungen, die nachher in den Markt eingeführt werden sollen. Diese Gründer:innen nehmen wir an die Hand und schauen uns zum Beispiel an, welches Problem damit konkret gelöst werden soll und ob es potenzielle Kund:innen gibt, die bereit sind für die Lösung des Problems auch Geld zu bezahlen. Denn nur dann hat man ein funktionierendes Geschäftsmodell. Das nennt man dann Problem-Solution-Fit. Zu diesen Überlegungen zwingen wir alle in dieser frühen Phase, um zu vermeiden, dass man erst beim Markteintritt merkt, dass das, was man sich ausgedacht hat, eigentlich keine Basis für ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Das passiert nämlich leider recht häufig. In dieser Phase unterstützen wir die Gründer:innen aber auch beim Prototyping, also bei der Entwicklung ihres ersten marktfähigen Produktes.
In der zweiten Phase, der Ramp Up-Phase, hat man bereits einen Prototyp – man nennt das auch ein Minimum Viable Product, also ein rudimentär überlebensfähiges Produkt – das zwar noch keine Serienreife hat, aber mit dem man auf den Markt gehen kann, um ein erstes Kundenfeedback zu bekommen. Hier geht es um geeignete Marketinginstrumente und Vertriebskanäle, um dieses Produkt auf dem Zieleintrittsmarkt einzuführen. In dieser Phase liegen auch meist die Unternehmensgründung und das Einwerben von weiterem Eigenkapital und/oder öffentlichen Fördergeldern.
Die dritte Phase, das ist die Skalierungsphase oder auch Scale Up-Phase. Hier geht es um das Wachstum des Unternehmens, der Organisation und des Umsatzes mit allen Herausforderungen, die diese Entwicklungsstufe mit sich bringt.
Als wir vor vier Jahren damit gestartet sind, war dieser Ansatz gänzlich neu. Wir erklären uns unseren Erfolg unter anderem auch damit, dass das Programm den Bedarf getroffen hat, den die Gründer:innen haben, neben unserer Positionierung auf das Thema Wirkungsorientierung.
Was ist Ihnen bei den Bewerber:innen besonders wichtig und wie läuft das Auswahlverfahren ab?
OK: Wir starten alle sechs Monate eine neue Runde in unseren ersten beiden Betreuungsphasen. Das heißt, alle sechs Monate haben Startups die Möglichkeit, sich zu bewerben und als eines von 12 bis 17 Teams, die wir jeweils pro Phase betreuen, das Gründerstipendium anzutreten. Bei der Auswahl der Bewerbungen schauen wir auf viele verschiedene Dinge: Welchen Eindruck macht die Gründerin oder der Gründer, beziehungsweise das Gründerteam? Bringen Sie aus unserer Sicht die notwendigen Fähigkeiten für das Vorhaben mit? Man sagt, das Team sei für den unternehmerischen Erfolg entscheidender als das Produkt. Deshalb ist es sicherlich wichtig, dass wir uns die Gründer:innen intensiv anschauen.
Aber neben vielen anderen Kriterien ist es natürlich auch das Thema Impact, welches für uns wichtig ist. Welche Wirkung geht von dem Produkt, Geschäftsmodell oder der Dienstleistung aus? Die Wirkung, die man erzielen will, muss im Zentrum des Geschäftsmodells verankert sein. Konkret sagen wir, die Gründungsidee muss eines der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs – Sustainable Development Goals) in ihrem Zentrum haben und darf keines der anderen Ziele verletzen.
Und dann geht es auch noch um die Zielsetzung der Gründer:innen. Denn das macht sicherlich einen großen Unterschied von Impact-Gründer:innen zu klassischen Gründer-:innen aus. Letztere sind häufig exitorientiert, und es geht ihnen darum, mit ihrem Startup vornehmlich viel Geld zu verdienen. Das möchte ich gar nicht verteufeln. Allerdings geht bei dieser Zielsetzung häufig die Mission, die Wirkungsorientierung, verloren.
Gründen ist generell kein einfaches Unterfangen. Sehen sich Impact-Startups zusätzlichen besonderen Herausforderungen ausgesetzt?
OK: Gründen ist sogar sehr schwierig, und die meisten scheitern auch dabei, leider Gottes. Also es kann viel schiefgehen, aber man sollte sich trotzdem nicht entmutigen lassen. Wenn man gründen möchte, dann sollte man das tun. Da sind schon gute Erfahrungen, die man macht.
Die meisten Startups können sich natürlich nicht aus eigenem Cashflow von Anfang an refinanzieren, sondern benötigen in der frühen Unternehmensphase erst einmal Geld, um etwas aufzubauen, was sich dann am Markt verkaufen lässt. Als Startup ist man aber nicht „bankable“. Man bekommt also von Banken kein Geld, weil man keine Sicherheiten hat und Banken das Risiko des Verlustes ihres Kreditengagements scheuen. Das heißt, Banken fallen in der frühen Gründungsphase als Finanzierer regelmäßig aus. Öffentliche Fördermittel sind zwar grundsätzlich verfügbar, aber mehr als ein Finanzierungsanschub in den ersten Gründungsmonaten ist damit in der Regel nicht verbunden.Sprich, dann bleibt eigentlich nur Risikokapital von fremden Dritten. Die rechnen jedoch mit hohen Renditen, weil viele in der frühen Phase scheitern. Und die Startups, bei denen es funktioniert, müssen die anderen 70 Prozent, die scheitern, letztendlich mitfinanzieren.
Diese hohe Renditeabsicht, die diese Risikokapitalgeber verfolgen, passt zu Startups, die exitorientiert sind, also möglichst viel Geld verdienen wollen. Wenn ich aber sage: Natürlich will ich Geld verdienen, aber in erster Linie will ich eine positive Wirkung entfalten, dann passt die angestrebte Zielrendite dieser Startups oftmals nicht zu den hohen Renditezielen der Investoren. Man spricht auch vom Tal des Todes für Startups bei der frühen Finanzierungsphase. Hier versuchen wir natürlich auch, zu helfen und die Gründer:innen mit den richtigen Personen oder Organisationen zu vernetzen, die die erste Phase finanziell begleiten.
Zusätzlich haben wir die Idee, zukünftig vielleicht ein eigenes Finanzierungsvehikel zu gründen, das als erster Kapitalgeber fungieren kann. Natürlich weniger als Finanzierungsvehikel mit einer Profitorientierung, sondern mehr als verlängerte Werkbank unseres eigenen Tuns bei der Impact Factory. Damit könnten wir hoffentlich auch für ein Überleben solcher Startups sorgen, die ansonsten trotz der gutem Wirkungsmodell keinen externen Finannzier finden würden.
Für alle, die ein Impact-Unternehmen gründen wollen: Was ist Ihr Tipp?
OK: Go with the flow! Wirkungsorientiertes Gründen ist voll im Trend. Alle Welt spricht davon. Große Unternehmen müssen sich transformieren, das ist allen klar. Ich glaube, dass es zukünftig nicht mehr akzeptabel sein wird, dass es Geschäftsmodelle geben wird – klein oder groß – ,die zu Lasten von Ökologie oder Gesellschaft reüssieren. Egal, wie hoch der Profit auch sein mag. Auf lange Sicht wird das nicht mehr akzeptiert werden. Und dann kann man auch schon vom ersten Moment bei der Gründung eines Unternehmens alles richtig machen
Lasst euch nicht entmutigen. Ihr seid auf dem richtigen Weg. Der Trend fängt gerade erst an, und ihr seid in der ersten Welle mit dabei!