Doktor Google gegen den Rest der (Ärzte-)Welt
Dirk Werth, Chefredakteur IM+io
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Kolumne MehrWerth
Dr. Dirk Werth ist seit 2016 Chefredakteur der IM+io. In der Kolumne „MehrWerth“ schreibt er in pointierter Form Meinungsbeiträge zum Schwerpunktthema des Heftes und stellt diese zur Diskussion.
Krank werden, genauer coronakrank werden, gehört ja gerade zum guten Ton. Bestimmt fällt es auch Ihnen schwer, jemanden zu finden, den es noch nicht erwischt hat. Glücklicherweise ist die Pandemie mittlerweile eher harmlos. Und über Corona zu diskutieren, daran haben wir uns gewöhnt. Gleichwohl jetzt nicht mehr abstrakt, sondern konkret aus erster Hand, als Betroffener oder Betroffene. „Wie schlimm war es bei Dir?“ Der Austausch über den persönlichen Krankheitsverlauf wird verbunden mit zahlreichen Tipps und Tricks, wie man die Erkrankung besser übersteht.
Neben den persönlichen Empfehlungen steht aber auch das Internet ganz oben auf der Konsultationsliste. Wir informieren uns über Symptome, Inkubationszeiten, Krankheitsverläufe, Heilmittel sowie Medikamente und vieles, vieles mehr. Auch ungeachtet von Covid ist vielfach Google die erste Anlaufstelle für Fragen der Gesundheit. All das, was man vor Jahren noch den Haus- oder Facharzt gefragt hätte, flattert nun von den Fingerspitzen über die Suchleiste auf unsere Bildschirme. Eine tolle neue digitale Gesundheitswelt.
Ich kenne eine Reihe von Ärzten, die bei dem Stichwort Google zur Schnappatmung neigen. Denn die medizinischen Konsultationen scheinen sich verändert zu haben. Es geht weniger um die Anamnese und das Stellen einer Diagnose für den Patienten. Vielmehr muss der Arzt von heute sich dafür rechtfertigen, dass er die durch den Patienten bereits via Google selbst diagnostizierte Krankheit vielleicht in Zweifel zieht. Oder gar – und das ist dann schon fast Amtsanmaßung – der Arzt es wagt, zu einem anderen Ergebnis zu kommen als die Internetdiagnose. Wie kann denn ein kleiner Hausarzt mehr wissen als das übermächtige Internet, versammelt durch den Giganten Google? Ja, Ärzte haben es im Internetzeitalter schwer, der Mythos der Götter in Weiß bröckelt.
Wird ein Google oder eine Ada-App die Zukunft der Medizin sein? Ungeachtet der Antwort hat die Digitalisierung die Medizin bereits heute stark verändert. Patienten werden mündiger, Diagnosen besser, Kommunikation wird wichtiger. Wird es in einer KI-Zukunft noch Ärzte geben oder wird die KI den Beruf des Mediziners ersetzen? Ich bin mir sicher: Es wird noch Mediziner geben! Aber – und das ist vermutlich der Punkt – ihre Arbeitsweise wird anders sein, medizinisch und darüber hinaus.
Interessanterweise kann man die digitale Revolution auch aus anderer Perspektive betrachten. Ich hatte in letzter Zeit einen Austausch mit einem Mediziner, der auf den Ruhestand zusteuert und der sich darum sorgt, wie er sein jahrzehntelang gesammeltes Erfahrungswissen in seiner Spezialdisziplin digital konservieren und damit auch weiterhin verfügbar machen kann. Imponierend und vorbildlich, wie ich finde.
Das sind die Initiativen, die ich mir für die Zukunft wünsche: Wie können wir Digitalisierung, KI, Google, Ada und Co. nutzen, um besser zu werden, um eine bessere Gesundheit (übrigens sage ich hier bewusst nicht Gesundheitswirtschaft) für die Menschen zu erreichen. Ich finde, das haben wir uns verdient. Google findet das übrigens auch…