Wenn "Doktor Google" krank macht
Zur Bedeutung von Cyberchondrie in der ambulanten Versorgung
Michael Jansky, Julian Wangler, Universitätsmedizin Mainz
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Kurz und Bündig
Die Hausarztmedizin ist in spezifischer Weise von internetassoziierten Gesundheitsängsten betroffen. Empfehlenswert für Hausärztinnen und Hausärzte ist es daher, in der täglichen Sprechstunde mit ihren Patientinnen und Patienten die Potenziale und Risiken der Recherche aufzuklären. Mit diesem Umgang wird ermöglicht, dass Verunsicherungen vorgebeugt werden und zugleich Wertschätzung gezeigt wird, was zu einer positiveren Arzt-Patienten-Beziehung führt. Zudem sollte in Betracht gezogen werden, die Anamnese mittels (Online-)Informationssuche zu erweitern.
Die Zahl der Patienten, die mit online vorrecherchierten Informationen zu Krankheitssymptomen, Diagnosen und Therapien in die Sprechstunde kommen, steigt kontinuierlich an. Bei einem Teil dieser Patienten kann die übertriebene Suche im Internet zu längerfristigen Gesundheitsängsten führen. Gerade Hausärzte erleben die Cyberchondrie als wachsende Herausforderung im Praxisalltag – und haben sich Behandlungsstrategien zurechtgelegt.
Ein verbreitetes Phänomen
Die Möglichkeit, im Internet verschiedenste Informationen zu Gesundheits- und Krankheitsthemen zu beziehen, gehört heute für viele Menschen zur Normalität [1, 2]. In den zurückliegenden Jahren – und verstärkt durch die Corona-Pandemie – wird jedoch verbreitet von Patienten berichtet, die aufgrund von Onlinerecherchen Gesundheitsängste entwickeln [3, 4]. Indem etwa bei Beschwerden eigenmächtig und zunehmend ausufernd nach Symptomen, Diagnosen und Therapien ‚gegoogelt‘ wird, besteht die Gefahr, fehlerhafte Informationen von unseriösen Seiten zu beziehen oder aus dem Gelesenen falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Innere Unruhe, Nervositäts- und Panikzustände oder Angststörungen sind nicht selten die Folgen der intensivierten Recherche.
Solche Phänomene werden unter dem Begriff „Cyberchondrie“ zusammengefasst [5, 6]. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff, unter den alle möglichen Erscheinungsformen von internetassoziierten Gesundheitsängsten subsumiert werden. Entsprechend lässt sich nicht sagen, ab welcher Rechercheintensität, über welchen Zeitraum und bei welchen Onlineinformationen eine Cyberchondrie hervorgerufen oder verstärkt werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Vorerfahrungen (zum Beispiel chronische Erkrankungen oder Krankheitserfahrungen im familiären Umfeld) und psychisch-emotionale Persönlichkeitsprädispositionen eine wichtige Rolle spielen [7].