Die Virtualisierung der Wertschöpfung
- disruptive Innovation oder gelebter Alltag?
Dirk Werth, Chefredakteur IM+io
(Titelbild: Adobe Stock | 472697248 | freshidea)
Kolumne MehrWerth
Dr. Dirk Werth ist seit 2016 Chefredakteur der IM+io. In der Kolumne „MehrWerth“ schreibt er in pointierter Form Meinungsbeiträge zum Schwerpunktthema des Heftes und stellt diese zur Diskussion.
Ich bin wirklich stolz: Ich habe gerade ein Grundstück gekauft, ein wirkliches Sahnestück: Wassergrundstück, Südlage, 256 qm, beliebig bebaubar. Also wenn das keine Wertanlage ist, dann weiß ich es auch nicht. Nun ja, aber ein „Real Estate“, wie es im Englischen heißt, ist es dann doch nicht, dieses Stück Metaverseland. Eher schon „Irreal Estate“. Insofern, hey, was besitze ich denn da eigentlich substanziell?
Mit Geschäften und Fragen dieser Art werden wir uns in Zukunft immer häufiger beschäftigen müssen. Sei es das Stück Land im Metaverse, das neue Raumschiff im Weltraumspiel oder die neue Autopilot-Funktion im Tesla: Wertschöpfung findet zunehmend im digitalen Raum statt. Und dort in dieser Welt gelten nun einmal eigene Regeln. So erscheint es zunächst widersinnig, dass ich in meinem Elektroauto die 100 Zusatz-PS für die nächsten vier Stunden per App freischalten lassen kann. Denn offensichtlich besitzt das Fahrzeug ja diese Leistung in seinen Motoren. Und genauso zweifelhaft mag es scheinen, virtuelles Land zu erwerben, das es offensichtlich überhaupt nicht gibt.
Auf den zweiten Blick, durch die Brille des Ökonomen betrachtet, macht es aber vielleicht dann doch Sinn. Denn nicht nur, dass ich damit in der E-Auto-Produktion eine Gleichteilestrategie verfolgen kann, sondern vielmehr kann der OEM mit der geringeren Basisleistung und dem damit geringeren Preis eine breitere Kundenbasis ansprechen und gleichzeitig mittelfristig und zeitversetzt Zusatzeinkünfte erzeugen – Stichwort „recurrent revenues“.
Und auch das Metaverseland ist im ökonomischen Sinne ja kein Substanzwert, für den ich zahle. Vielmehr ist es die Opportunität, damit Geld zu verdienen. Einerseits natürlich als Spekulationsobjekt, in der Hoffnung auf steigende Preise. Aber davon abgesehen kann ich virtuelles Land nutzen, um damit Einkommen zu erzielen: So ist virtuelles Land beispielsweise eine Voraussetzung für virtuelle Events, die ihrerseits natürlich kosten-pflichtig sein können. Oder ich vermiete das Land einfach weiter.
Am Ende sind die dahinterliegenden Geschäftskonzepte eben doch nicht revolutionär neuartig. Wer das nicht glaubt, der sollte sich einmal Markenrechte, Lizenzgeschäfte oder Finanzderivate ins Gedächtnis rufen, die ähnliche Geschäftsmechanismen implementieren.
Ob jetzt hochinnovativ, revolutionär disruptiv oder alter Wein in neuen Schläuchen, eines ist sicher: virtualisierte Wertschöpfung ist bereits Realität, und der Trend zeigt steil nach oben. Ob Web 3.0, K.I. oder Datenökonomien, alles mündet in zunehmend digitale Wertschöpfung.
Stellen wir uns nicht nur darauf ein, sondern lassen Sie uns und unsere Unternehmen ein aktiver Teil davon werden!