Daten statt Dämmerschlaf:
Wie Data Spaces KMU aufwecken
Agnetha Flore, AWSi, Julia Köhlke, OFFIS, Johann Schütz,Carl von Ossietzky Universität

(Titelbild: © Adobe Srock | 1000219968 | NooPaew)
Kurz und Bündig
Data Spaces ermöglichen Unternehmen, Daten sicher und souverän zu teilen, ohne die Kontrolle zu verlieren. Besonders für KMU bieten sie neue Geschäftsmodelle und effizientere Prozesse. In der Energiewirtschaft helfen sie, Netzstabilität zu sichern, während in der Automobilbranche mit Catena-X Resilienz und Nachhaltigkeit gefördert werden. Der Mobility Data Space verbessert den Austausch im Verkehrssektor, und Vehicle-to-Grid (V2G) nutzt Elektrofahrzeuge als dezentrale Energiespeicher. Standardisierte Protokolle wie DSP und DCP gewährleisten Interoperabilität, Sicherheit und Vertrauen.
Ein Elektroauto speist überschüssigen Strom ins Netz, doch die Vernetzung zwischen Energie- und Mobilitätsbranche hinkt hinterher. Eine Batterie wird ausgeliefert, doch ihre Herkunft bleibt unklar. Daten könnten diese Herausforderungen lösen – wenn sie sicher und souverän geteilt würden. Data Spaces bieten genau das: eine vernetzte, interoperable Infrastruktur für Unternehmen. Aber wie bleibt Datensouveränität gewahrt? Welche Standards sind nötig? Und wie können besonders KMU von diesem Ansatz profitieren?
In einer zunehmend digital vernetzten Welt stehen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor der Herausforderung, ihre Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich an die steigenden Anforderungen ihrer Kunden anzupassen. Dabei stoßen viele KMU an Grenzen, wenn sie ausschließlich auf ihre eigenen Daten und Ressourcen zurückgreifen müssen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, schließen sich immer häufiger Unternehmen, Hochschulen, Behörden und andere Mitwirkende in dynamischen Netzwerken zusammen, um ihre Daten sicher und effizient zu teilen. Solche Kooperationen fördern Innovationen und schaffen einen klaren Mehrwert, indem sie die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. In diesen datengetriebenen Ökosystemen wird Datenmanagement zur strategischen Ressource, um innovative Angebote zu schaffen [7]. Sogenannte Datenräume beziehungsweise Data Spaces gehen eben dieses Problem an, wobei sich die Notwendigkeit ergibt, von Datenräumen aus den steigenden Anforderungen an Unternehmen, datengetriebene Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig flexibel und innovativ zu bleiben.
Jedoch ist der Zugang zu relevanten Daten insbesondere für KMU oft eingeschränkt, sei es durch technische Barrieren, hohe Integrationskosten oder mangelndes Vertrauen zwischen Kooperationspartnern. Data Spaces bieten hier eine Lösung, indem sie sowohl sichere und interoperable Strukturen für den Datenaustausch schaffen. Dennoch stehen Unternehmen vor Herausforderungen: Die Implementierung technischer Standards, die Sicherstellung von Datensouveränität und die Überwindung rechtlicher und organisatorischer Hürden erfordern Zeit, Ressourcen und ein Umdenken in etablierten Prozessen. Umso wichtiger ist es, dass KMU mit klaren Anwendungsfällen starten und auf bestehende Initiativen und bewährte Lösungen zurückgreifen können, um Risiken zu minimieren und den Mehrwert frühzeitig zu realisieren [3, 7].
Herausforderungen und Lösungen
unterschiedlicher Branchen
Branchenübergreifend wächst das Bewusstsein für den strategischen Wert von Daten. KMU öffnen zunehmend ihre bisher isolierten Datensilos, um von datengetriebenen Ökosystemen zu profitieren. Als Folge entstehen spezialisierte Data Spaces, die Innovationen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Allerdings unterscheiden sich die Herausforderungen und Anforderungen je nach Branche erheblich.
Branchenspezifische Data Spaces
Je nach Branche bringen Data Spaces unterschiedliche Vorteile und Hürden mit sich. Während sich einige Sektoren auf den sicheren Austausch sensibler Daten konzentrieren müssen, stehen in anderen die regulatorischen Anforderungen oder die Integration heterogener Netzwerke im Vordergrund. Beispiele für etablierte Initiativen sind energy data-X für die Energiewirtschaft, Catena-X für die Automobilbranche und der Mobility Data Space für den Verkehrssektor.
Energiesektor
In der Energiewirtschaft ermöglichen Data Spaces den sicheren Austausch kritischer Daten zu Netzlasten oder Verbrauchsmuster, beziehungsweise Erzeugungsdaten aus erneuerbaren Energien. Hierbei spielen Standards wie das Common Information Model (CIM) eine zentrale Rolle, da sie eine interoperable Integration gewährleisten [1]. Initiativen wie GAIA-X und energy data-X arbeiten an einem einheitlichen Datenraum für Smart Grids, während OneNet bereits erste Lösungen zur effizienten Verknüpfung von Netzbetreibern, Verbrauchern und Produzenten entwickelt hat [4].
Besondere Herausforderungen in dieser Branche sind die dezentrale Struktur, die strikte Regulierung sowie die Notwendigkeit, Echtzeitdaten sicher zu teilen. Gerade im Energiesektor spielen Sicherheit und Datenschutz eine entscheidende Rolle, weshalb neue Lösungen höchsten Anforderungen an Datensouveränität und Vertrauensstrukturen gerecht werden müssen [9].
Automotive und Mobilität
Die Automobilbranche ist durch komplexe mehrstufige Lieferketten geprägt, in denen zahlreiche unabhängige Unternehmen auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten. Regulatorische Vorgaben wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die Batterieverordnung stellen neue Anforderungen: Unternehmen müssen Menschenrechte und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette dokumentieren und sicherstellen, etwa durch den Batteriepass, der den gesamten Lebenszyklus einer Batterie erfasst. Diese Regularien bringen Herausforderungen, eröffnen aber auch Innovationschancen, indem sie Nachhaltigkeitsstandards setzen. Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung ist Catena-X, der erste operative Datenraum für die Automobilindustrie. Er ermöglicht Unternehmen, ihre Lieferketten transparenter und nachhaltiger zu gestalten und fördert gleichzeitig digitale Innovationen. Der Mobility Data Space schafft einen offenen Marktplatz für Mobilitätsdaten und vernetzt Akteure wie Verkehrsunternehmen, Automobilhersteller und Mobilitätsdienstleister. Durch die Integration unterschiedlicher Datenquellen entstehen neue Geschäftsmodelle, die nachhaltige Mobilität, intelligente Städte und effizientere Logistiklösungen ermöglichen [8].
Schlüsselprinzipien und Synergien:
Data Spaces als Grundlage für
branchenübergreifende Innovationen
Data Spaces sind mehr als nur Plattformen für den Datenaustausch – sie schaffen eine sichere, standardisierte und interoperable Umgebung, in der Unternehmen Daten souverän teilen und verwalten können. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten sie die Möglichkeit, effizienter zu agieren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und von gemeinsamen Datenpools zu profitieren, ohne ihre Unabhängigkeit aufzugeben. Damit dies gelingt, müssen zentrale Prinzipien eingehalten werden, die eine verlässliche und vertrauenswürdige Nutzung der Daten sicherstellen. Dazu gehören [2]:
- Interoperabilität: Data Spaces gewährleisten technische, semantische und organisatorische Interoperabilität. Die technische Datenübertragung erfolgt über Connectors wie IDS oder EDC, die das Data Space Protocol (DSP) für sicheren Austausch und das Decentralized Claims Protocol (DCP) für Identitäts- und Vertrauensverwaltung nutzen [5]. Semantische Interoperabilität wird durch gemeinsame Informationsmodelle wie das CIM der Energiebranche sichergestellt. Organisatorische Interoperabilität basiert auf etablierten Anwendungsfällen mit klar definierten Prozessen.
- Dezentralität und (Daten)-Souveränität: Datenanbietende behalten volle Kontrolle und setzen rechtlich bindende Nutzungsbedingungen fest [7]. Der föderale Architekturansatz speichert Daten dezentral, wodurch eine zentrale Instanz entfällt. Daten verbleiben in der Infrastruktur des jeweiligen KMU, und jeder Austausch erfolgt direkt zwischen den Parteien ohne zwischengeschaltete Instanzen [3].
- Trust und Sicherheit: Vertrauen wird durch „Trust-Anchors“ sichergestellt. Technisch übernehmen Connectors diese Rolle, während auf organisatorischer Ebene digitale Identitäten durch akkreditierte Clearing Houses geprüft werden. Zertifizierungen und Sicherheitsprotokolle garantieren Interoperabilität sowie den Schutz sensibler Daten [2].
Obwohl Vertrauensanker in Data Spaces variieren, beruhen sie auf gemeinsamen Prinzipien. DSP und DCP dienen als übergreifende Basis für Interoperabilität zwischen Data Spaces und erleichtern branchenübergreifende Anwendungen. Ein Beispiel ist Vehicle-to-Grid (V2G), das Energie- und Mobilitätssektor verbindet: Elektrofahrzeuge (EVs) können nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern auch Energie zurückspeisen, um Netzschwankungen auszugleichen und erneuerbare Energien besser zu integrieren. Für KMU bietet V2G Einsparpotenziale durch intelligente Lade- und Entladestrategien sowie Vorteile für eine nachhaltige Energieversorgung [6]. Durch diese gemeinsamen Prinzipien entsteht eine robuste Grundlage für den sicheren und effizienten Austausch von Daten über verschiedene Domänen hinweg. Insbesondere die Kombination aus dezentraler Datenhaltung und interoperablen Schnittstellen ermöglicht es Unternehmen, flexibel auf neue regulatorische und wirtschaftliche Anforderungen zu reagieren.
Fazit und Ausblick
Data Spaces bieten einen entscheidenden Mehrwert, wenn Unternehmen und Technologien vernetzt werden müssen, um innovative Dienste zu entwickeln. Besonders für KMU sind sie eine Chance, effizienter zu arbeiten, ohne die Kontrolle über ihre Daten zu verlieren. Damit Data Spaces ihr volles Potenzial entfalten, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Offene Standards und klare Rahmenbedingungen sind essenziell, um sie als Motor für eine nachhaltige Wirtschaft zu etablieren.
Für KMU eröffnen Data Spaces enorme Möglichkeiten: Sie helfen nicht nur, regulatorische Vorgaben zu erfüllen, sondern schaffen auch Innovationsräume.