„Der Bitcoin wird so etwas wie das Gold der Kryptowährungen sein!“
Im Gespräch mit Alfred Maydorn, Börsenmedien AG
Kontrovers diskutiert
Alfred Maydorn ist Börsenexperte und Redakteur beim Anlegermagazin Der Aktionär. Er befasst sich nicht nur mit den beliebtesten Aktien deutscher Anleger, er veröffentlicht auch regelmäßig fundierte und gleichzeitig persönliche Einschätzungen zu Kryptowährungen, in Sonderheit zum Bitcoin.
IM+io: Herr Maydorn, der BITKOM hat aktuelle Umfrageergebnisse veröffentlicht, wonach rund zwei Drittel der Befragten angaben, dass sie schon einmal etwas von Bitcoin gehört haben. 19 Prozent können sich vorstellen, Bitcoin zu nutzen. Heißt das, dass es tatsächlich auf Sicht zu dramatischen Veränderungen in der Finanzwirtschaft kommen wird?
AM: Das heißt erst einmal, dass Kryptowährungen im Allgemeinen und der Bitcoin im Besonderen großes Interesse geweckt haben und bekannt geworden sind. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie als digitale Zahlungsmittel verwendet werden. Es ist eher so, dass viele Leute überlegen, in Kryptowährungen zu investieren. Wie viele Anleger das schon getan haben, darüber gibt es keine belastbaren Zahlen, es dürften jedoch derzeit noch sehr wenige sein.
IM+io: Deuten sich damit gleichwohl disruptive Veränderungen in der Finanzbranche an?
AM: Auf lange Sicht wird sich sicher sehr viel in der Finanzwelt verändern. So wird meiner Ansicht nach die Dominanz der Notenbanken deutlich zurückgehen. Die Frage ist, inwieweit die Kryptowährungen auch tatsächlich für den normalen Handel, für das normale Warengeschäft zum Einsatz kommen. Da ist es noch zu früh, etwas Gesichertes zu sagen. Aber es gibt viele Experten, und da schließe ich mich ein, die davon ausgehen, dass das in ein paar Jahren so sein wird. Welche der Kryptowährungen das dann ist, lässt sich heute noch nicht sagen. Es ist durchaus nicht gesagt, dass das der Bitcoin sein wird.
IM+io: Dann ist der Bitcoin eher ein Anlageobjekt als ein Zahlungsmittel?
AM: Der Bitcoin wird definitiv kaum als Zahlungsmittel genutzt. Die meisten Transaktionen finden statt, um herkömmliche Währungen in Bitcoin einzutauschen. Der Bitcoin ist definitiv in erster Linie ein Anlageobjekt. Das lässt sich schon dadurch erklären, dass sich mit dem Bitcoin nur sehr wenige Transaktionen pro Sekunde ausführen lassen, sich diese also nicht schnell genug durchführen lassen. Das liegt an der digitalen Struktur der Währung und daran wird man auch wenig ändern können. Für den Zahlungsverkehr wird es eine andere Währung geben, welche das sein wird, kann man jetzt noch nicht absehen. Aber der Bitcoin ist durch seinen Bekanntheitsgrad und durch seine für dieses Thema bereits lange Geschichte tatsächlich so dominant und bekannt, dass er als Asset bleiben wird. Vom Marktwert her stellt er 75 Prozent des Wertes aller Kryptowährungen. Das wird vermutlich etwas abnehmen, aber vom Börsenwert wird er weiter die Nummer eins sein. Ich denke, der Bitcoin wird so etwas wie das Gold der Kryptowährungen sein. Gold ist ja auch kein direktes Zahlungsmittel.
IM+io: Das BaFin überwacht in Deutschland mit Argusaugen die Finanzinstitute. Dürfen denn seriöse Fonds in eine so volatile und unregulierte Währung wie den Bitcoin investieren?
AM: Was allgemeine Finanzanlageprodukte angeht, nein. Dort kann man nicht einfach Anteile in Kryptowährungen investieren. Es gibt allerdings unterdessen über 200 Fonds, die sich auf Kryptowährungen spezialisiert haben und explizit nur diese im Portfolio haben. Das Investitionsvolumen liegt unterdessen bei über drei Mrd. Dollar, das ist im Vergleich zu anderen Fonds noch wenig, aber es wird tendenziell mehr. Grundsätzlich ist es so, dass der Bitcoin von Vermögensverwaltern als Anlageklasse verwendet wird, von Privatleuten und von spezialisierten Fonds. Der Trend zieht sich also durch alle Investmentgruppen.
IM+io: Wie aber erklärt es sich, dass in diese vollständig unregulierten und risikobehafteten Kryptowährungen investiert wird?
AM: Da kommen ganz unterschiedliche Beweggründe zum Tragen. Einer ist ganz sicherlich, dass man Geld mit Kurssteigerungen verdienen möchte. Das ist bei vielen Assets so. Ein anderer ist der Kauf von Sicherheit. Das klingt zunächst etwas verwunderlich, weil die Währung, wie erwähnt, unreguliert ist. Aber wenn Sie in einem Land leben, wo die Währung jedes Jahr 20-30 Prozent an Wert verliert, wie in Russland, der Ukraine oder in Venezuela, dann ist man froh, eine Währung zu haben, die zwar im Wert schwankt, aber doch letztlich immer gestiegen ist. Eine Währung, die zwar unabhängig von einer Notenbank ist, aber die man überall mit hinnehmen kann, da sie digital ist. Und man braucht keine Bank, die in vielen Ländern einen weiteren Unsicherheitsfaktor darstellt. Viele Menschen aus osteuropäischen und lateinamerikanischen Ländern haben ein Teil ihres Vermögens in den Bitcoin umgetauscht.
IM+io: Heißt dass, dass Kryptowährungen auch auf lange Sicht eine Zukunft haben?
AM: Derzeit handelt es sich sicher um einen Hype, aber gleichzeitig ist es ein Phänomen, das Bestand haben wird, so wie die Blockchain- Technologie ohnehin. Kryptowährungen wird es in 10 Jahren nicht nur noch geben, sie werden auch viel dominanter sein als heute.
IM+io: Dann stellt sich doch die Frage, ob Kryptowährungen am Ende Banken überflüssig machen. Werden Bitcoin & Co. zu ganz neuen, disruptiven Geschäftsmodellen in der Branche führen?
AM: Disruptiv ist diese Entwicklung auf jeden Fall, denn disruptiv heißt zerstörend. Ob das tatsächlich die Banken zerstören wird, lässt sich schwer sagen. Es wird vermutlich eher so sein, dass die Banken die Digitalisierung adaptieren müssen und werden. Das wird eine spannende Frage. Die Branche wird auf jeden Fall in einigen Jahren nicht mehr so sein, wie sie heute ist. Die Kryptowährungen werden – in welcher Form auch immer – einen erheblichen Teil des Geschäftes ersetzt haben.
IM+io: Das spricht dann auch für einen Wettkampf der Kryptowährungen untereinander. Wird es am Ende die e i n e Währung geben?
AM: Es gibt unterdessen 1500 Kryptowährungen und wöchentlich kommen neue dazu. Davon werden nach meiner Einschätzung die meisten wieder verschwinden. Es werden am Ende einige wenige übrigbleiben, die für unterschiedliche Anwendungsfälle genutzt werden. Es gibt z.B. die IOTA Kryptowährung, die unterdessen für den Zahlungsverkehr eingesetzt wird. Solche Spezialwährungen wird es auch für andere Einsatzszenarien geben. Vielleicht gibt es demnächst den Amazon Coin als Kryptowährung für eCommerce …
IM+io: Was hätte ein Player wie Amazon als Marktmacht davon, eine eigene Währung aufzulegen und am Markt durchzusetzen?
AM: Im Moment ist es so, dass die Initiatoren von Kryptowährungen damit sehr viel Geld verdienen, und genau das ist der Zweck. Für Amazon wäre es zudem insofern günstig, als man nicht nur seine Produkte im Kreislauf in der eigenen Hand hätte, sondern auch den Geldkreislauf. Es gibt auch andere Bereiche, wo spezifische Währungen entstehen. Es gibt zum Beispiel in Kürze eine neue Coin für einen Fußballverein in Spanien. Die soll dann die Stadionkarte ersetzen, und man kann damit auch Merchandise-Produkte kaufen. In einem solchen geschlossenen System macht eine eigene Kryptowährung durchaus Sinn. Das ist wie eine Kundenkarte.
IM+io: Was entgegnen Sie konservativen Bänkern, die das Gefühl vermitteln, man könne den Hype um Kryptowährungen einfach aussitzen?
AM: Nokia hat auch gedacht, man könne das iPhone aussitzen…das hat nicht gut funktioniert. Es ist verständlich, dass ein etablierter Player, der etwas Neues auf sich zukommen sieht, das ihm keinen Nutzen bringt, auf der Bremse steht. Es ist durchaus nachvollziehbar, zunächst erst einmal abzuwarten und zu hoffen, dass das Phänomen wieder verschwindet. Das wird im Fall der Kryptowährungen aber definitiv nicht so sein. Irgendwann wird es darauf hinauslaufen, dass Finanzinstitute entscheiden müssen, wie sie auf die Entwicklung reagieren. Ein gutes Beispiel für eine solch verzögerte und damit nicht ungefährliche verspätete Reaktion bietet die klassische Autobranche. Die hat auch lange gebraucht, um zu erkennen, dass man im Bereich der Elektromobilität etwas machen muss. Jetzt haben alle Player entsprechende Programme angekündigt oder sind bereits in der Umsetzung. Spät, aber immerhin …
IM+io: Im Gegensatz zu den Etablierten gibt es derzeit viele Start-up Unternehmen, die auf den Zug Blockchain aufspringen, viele davon aus dem Finanzsektor. Laufen wir dabei auf eine gefährliche Blase zu, so wie damals bei der Dotcom - Blase?
AM: Definitiv ja. Das ist praktisch unvermeidbar. Ich habe mit vielen Leuten aus dem Bereich gesprochen, einige sagen sogar, dass das Thema Blockchain /Kryptowährungen ähnlich bedeutsam ist wie das Thema Internet in den 90ern. Die Entwicklung ist ähnlich rasant, bzw. noch schneller, da wir ja das Internet schon haben. Da wird es definitiv auf eine Blase hinauslaufen. In den Firmennamen steht dann nicht mehr .com, sondern Blockchain. Es sind bereits über 30 Unternehmen in Deutschland, die ihren Namen und Geschäftszweck entsprechend geändert haben, und das wird unbedingt in einen Hype hineinlaufen. Die Blase wird dann platzen und am Ende wird es einige wenige geben, die das Ganze überleben. Diese werden die großen Player, das ist der normale Lauf einer Entwicklung. Das werden die Googles, Facebooks und Amazons von morgen.