MetaLearning in Metaverse
Aufbruch in neue Lernwelten
Torsten Fell, Institute for Immersive Learning
(Titelbild: AdobeStock | 497449698 | nana)
Kurz & Bündig
Metaverse braucht MetaLearning und MetaWork. Wie können Ansätze von Metaverse-Plattformen und -Systemen in Lern- und Arbeitswelten Einzug halten? Was sind die Erfolgsfaktoren und die Einsatzszenarien? Wo sind Chancen, Herausforderungen, und wie sehen neue Modelle aus? Die Reise ins Metaverse hat bereits begonnen!
Wenn MetaLearning und MetaWork zusammenkommen, entstehen neue Geschäftsmodelle sowie Lern- und Arbeitswelten, die immersiv und kollaborativ sind. Gleichzeitig eröffnen sich durch die Nutzung des Metaverse ungeahnte Chancen. Welche Erfolgsfaktoren sind hierbei maßgeblich? Welche Einsatzszenarien und neuen Modelle entstehen dabei? Und wie können die unterschiedlichen Branchen von den neuartigen Ansätzen profitieren?
Seit September 2021 ist Metaverse als Begriff weltweit in aller Munde. Meta (ehemals Facebook), Microsoft oder NVIDIA haben damals wenige Wochen nacheinander ihre Visionen des zukünftigen Metaverse präsentiert und die Aktivitäten ihrer Organisationen erläutert. Meta investiert aktuell sehr viel in dieses Themengebiet. Im Umfeld VR-Headset ist Meta der Marktführer – aktuell mit dem Produkt Meta Quest 2. In diesem Zusammenhang sollen , alleine in Europa, 10.000 Jobs für das Thema VR/AR geschaffen werden. Metas Präsentation enthielt Meta neben den Themen Gaming und Entertainment auch eine Vision von Learning und Working. Microsoft hat wenig später angekündigt, MS Teams in eine 3D-Welt namens MS Mesh zu überführen. Hier soll die MS HoloLens 2.0 als AR-Headset eine zentrale Rolle spielen. Außerdem stellte NVIDIA sein Omniverse vor, mit dem unter anderem Logistikprozesse simuliert und optimiert werden sowie dezentrales virtuelles Zusammenarbeiten ermöglicht wird. Und auch Hyundai griff zuletzt im Rahmen der CES 2022 das Thema Metaverse auf und präsentierte seine Vision einer Learning Experience.
Diese Entwicklungen zeigen, dass das Thema Metaverse keinesfalls nur für Gamer oder NFT-Händler interessant ist, sondern auch darüber hinaus in anderen Anwen-dungsbereichen an Bedeutung gewinnt. Das Metaverse bietet durch seine Vielseitigkeit schier unendliche Möglichkeiten, einerseits im Bezug auf die Freizeitgestaltung, andererseits auch für die Arbeitswelt und sogar die Bildung. Mithilfe des Metaverse können Lern- und Arbeitsprozesse optimiert und erweitert werden. Doch wie genau kann das Metaverse für Learning und Working zielgerichtet eingesetzt werden?
MetaLearning
Bei genauerer Betrachtung des Themas Learning, lassen sich sowohl in der Schule als auch in der Berufsschule und natürlich in den Hochschulen Einsatzmöglichkeiten für Metaverse-Anwendungen finden. Digitale Zwillinge an den Hochschulen würden es den Einrichtungen erlauben, ein echt hybrides Schulungskonzept anzubieten. Dies geschah kürzlich an 10 Hochschulen (Metaversities) in den USA. Diese haben sich zusammen-geschlossen und eine virtuelle Welt mit einem digitalen Zwilling der jeweiligen Hochschule umgesetzt. Die Student*innen können dabei entscheiden, ob sie den virtuellen Campus betreten und dort an Lernaktivitäten teilnehmen oder ob sie in der physischen Lernwelt bleiben möchten. Die virtuelle Lernwelt hat einige Vorteile, wie beispielsweise das einfache Wechseln der verschiedenen Welten oder sogar der Hochschulen. Die Student*innen tauchen dabei in die menschliche Anatomie ein, nehmen an historischen Exkursionen teil oder erkunden den Kosmos auf einem digitalen Raumschiff.
In Asien gibt es bereits sehr viele Aktivitäten rund um das Thema Metaverse for Education. Kürzlich hat die „Chinese Academy of Governance“ eine virtuelle Ausbildungsstätte generiert, die es Schülern ermöglicht, an Konferenzen teilzunehmen, den Geschichtsunterricht zu besuchen, historische Relikte zu beobachten und vieles mehr. Durch diese Metaverse-Anwendung spart die Akademie Zeit, senkt Reisekosten und macht Lerninhalte zusätzlich kollaborativ erlebbar.
Erste kleine Anfänge sind auch in der deutschen Berufsausbildung zu sehen. Hier werden einzelne Themenfelder mit den Technologien VR/AR zunehmend umgesetzt. Ein übergreifendes Metaverse für einzelne Schwerpunktthemen wie zum Beispiel elektrotechnische Ausbildungen, Nachhaltigkeit oder Maschinenbau fehlt bislang jedoch gänzlich.
Was macht MetaLearning aus?
Erfolgsfaktor: Kollaboration
Gemeinsam in einer Gruppe lernen oder im Lerntandem miteinander Erlebnisse und Learning Experience sammeln, Probleme und Herausforderungen zusammen lösen oder einfach kreativ sein. Das sind die Vorteile der neuen virtuellen und immersiven Lernwelten.
Erfolgsfaktor: Räumlichkeit
Weiterhin spielt die Räumlichkeit, egal ob virtuell oder real, eine wichtige Rolle. Neue Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) machen virtuelle Räume zugänglich und erlebbar, im wahrsten Sinne des Wortes. Man spricht über immersive Medien und im Lernkontext vom „Immersive Learning“. Die Räumlichkeit wird so zu einer hybriden Lern- und Arbeitswelt, die digitale Informationen begehbar und greifbar macht, sowie die neuen Welten erfahrbar werden lässt. Die Kombination aus Kollaboration und Räumlichkeit, gepaart mit den neuen Technologien, eröffnet bis dato ungeahnte Chancen.
Für Unternehmen sind unterschiedliche Einsatzszenarien denkbar. So zum Beispiel in Lern- und Trainingsprozessen, im Employer Branding, beim Onboarding neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder auch in Kreativprozessen, Workshops sowie Coachings. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt zu sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob technische oder Soft Skills bereits vorhanden sind. Beispiele aus dem europäischen Ausland zeigen, dass Umsetzungen im Bereich der Kommunikation oder Gesprächs-führung heute schon in virtuellen Realitäten abbildbar sind. Rhetorik oder Bewerbungs-gespräche können auch mit Hilfe der immersiven Medien bereits simuliert, und der Lernprozess so unterstützt werden.
Technische Skills sind Kompetenzen, die bei der Arbeit an Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen und Gebäuden zum Einsatz kommen. Sie können ebenfalls im Metaverse erlernt werden. Hier spielen das Erleben von Risikosituationen, der Einsatz von Hilfsmitteln/Werkzeugen, das Verstehen von Zusammenhängen/Prozessen oder der Aufbau und das Auseinandernehmen von Objekten wie Maschinen oder Anlagen eine entscheidende Rolle.
Die kollaborativen Treffen in immersiven Welten gehen dabei weit über die in den bekannten Videokonferenzsystemen oder 3D-Welten am Monitor oder Mobile Devices hinaus. Nähe zu den anderen Teilnehmenden und Experten spüren, Empathie entwickeln, Räumlichkeit wahrnehmen und die Einbindung echter motorischer Bewegung sind hier nur die wichtigsten Faktoren. Dies steigert laut Studien neben dem Engagement der Teilnehmenden auch die Erinnerungsquote und gleichzeitig die Kompetenz, virtuell Erlerntes in der Praxis anzuwenden.
Erfolgsfaktor: Interaktion
Die soziale Komponente und die Interaktion der Teilnehmenden untereinander durch Avatare sind ein weiterer Vorteil des Metaverse. Virtuelle Objekte anfassen und manipulieren zu können und mit der hybriden Welt zu interagieren, das schafft neue methodische und didaktische Chancen. Kreativ mit anderen Teilnehmenden neue Inhalte zu erschaffen, bestehende Objekte zu verändern, zu erweitern – das hat einen deutlich stärkeren Lerneffekt, als zum Beispiel die doch eher passiven Web Based Trainings (WBTs) oder Webinare zu bearbeiten.
Gerade im Produktionsbereich kann der Einsatz von Werkzeugen, das Arbeiten an Maschinen, Fahrzeugen und Gebäuden simuliert und erlebbar gemacht werden. In der Medizin werden Lernprozesse haptisch und dreidimensional, der Einsatz von Hilfs-mitteln nahezu realistisch. In der Realität werden über AR kontextsensitive Lerninhalte an Maschinen, Fahrzeugen und Gebäuden erweitert und echte Sensordaten oder zusätzliche Informationen in Wartungs- und Supportprozesse eingeblendet. Digitale Zwillinge oder virtuelle Maschinen können gemeinsam mit Experten erlebt und erläutert werden. Durch Schritt-für-Schritt-Anleitungen sowie zusätzliche Hilfestellungen können beispielsweise Servicemitarbeiter an Produkten geschult und die Prozesssicherheit gewährleistet werden. Dies steigert die Qualität und hilft, Wartungs- und Support-Prozesse effizienter zu gestalten.
Erfolgsfaktor: Avatar
Um dies alles zu tun, bedarf es einer virtuellen Repräsentanz – eines individuellen personalisierten Avatars. Dieser ist die Grundvoraussetzung für das Teilnehmen auf den Metaverse-Plattformen und -systemen. Der Avatar kann virtuelle Assets besitzen, die er zum Beispiel erworben oder selbst erstellt hat. Zudem können diese Assets den Avatar in seinem Aussehen und seiner Funktion erweitern. Dies könnte, auf das Thema Lernen bezogen, den Besitz von Lernmaterial oder eines Zertifikats bedeuten.
Erfolgsfaktoren: Content-Creation und Ownership
Lerninhalte können von jedem erstellt und an anderen Teilnehmern über sogenannte NFTs und Smart Contracts zur Verfügung gestellt werden. Die Chance liegt hier im Ownership der Lerninhalte und im User-Generated-Content-Ansatz, der natürlich auch als Co-Creation-Prozess durchgeführt werden kann. Hier könnten weitere Metaverse-Ansätze zum Einsatz kommen: Sogenannte dezentralisierte autonome Organisationen (DAO), bei denen sich Interessensgemeinschaften bilden, die gemeinsam Lerninhalte generieren und ein dazu passendes Geschäftsmodell entwickeln.
Erfolgsfaktor: Interoperabilität und Persistenz
Der Kern des MetaLearning ist jedoch in erster Linie die Interoperabilität. Um die vorherig beschriebenen Vorteile des MetaLearning nicht nur auf einer Metaverse-Plattform sicherzustellen, bedarf es technischer Regeln und Normen, die es ermöglichen, die Assets (Lerninhalte) oder den Avatar plattformübergreifend zu verwenden. Gleichzeitig können Mitarbeitende, Experten, Trainer, Kunden und Interessenten virtuell kollaborativ in interaktiven und immersiven Lernwelten zusammengebracht werden. Diese Welten besitzen Persistenz und sind damit zu jedem Zeitpunkt verwendbar und anpassbar.
Herausforderungen bei MetaLearning
Ungeachtet des Erfolgspotenzials bleiben derzeit noch viele Fragen offen, die beispielsweise den Umgang mit Datenschutz/Datensicherheit, mit neuen ethischen Herausforderungen und gemeinsamen Werten sowie die Verhaltensweisen in den hybriden Metaverse-Welten betreffen.
Auch müssen wir in einem Lernkontext die neuen methodischen und didaktischen Formen, Modelle und Interaktionen kennen und bewusst einsetzen. Die konzeptionelle Gestaltung von Lernwelten bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken. Diese neuen Modelle und Rahmen sollen Mehrwerte gegenüber bisherigen Lern- und Arbeits-lösungen abbilden können. Hierzu gehören zum Beispiel auch Perspektiv- und Rollenwechsel in virtuellen Umgebungen.
MetaWork
Auch vor den Arbeitsprozessen macht das Metaverse nicht Halt. Jüngst wurde eine statista-Befragung (02/2022, 31.102 Befragte) zum Thema Metawork durchgeführt [1]. Hierbei gaben 51% der Generation Z zugehörigen Personen an, dass sie in den nächsten zwei Jahren in Metaverse-Umgebungen einen Teil ihrer Arbeit erledigen werden.
Was bedeutet dies für MetaWork? Der Arbeitsort und die Rahmenbedingungen haben sich deutlich verändert. Mobiles Arbeiten oder das Home-Office gehören heute bei vielen Mitarbeitenden genauso zum Berufsalltag, wie in einem Büro zu sitzen. Ganze Organisationsformen richten sich komplett auf die virtuelle Zusammenarbeit und den digitalen Austausch aus. Hierbei werden Metaverse-Systeme und Mechanismen eine wichtige Rolle spielen. Abgeleitet von den Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und Rahmenbedingungen des MetaLearnings, können Einsatzszenarien für MetaWork abgeleitet und umgesetzt werden. Das Durchführen von Meetings und Kreativworkshops kann räumlich dezentral verteilten Mitarbeitenden neue Perspektiven durch neue Möglichkeiten bieten. Ob im Engineering, im Design Thinking Workshop, in agilen Projektsitzungen oder im Vertriebsmeeting – Produkte und Inhalte können in immersiven und kooperativen Arbeitswelten erlebbar gemacht werden.
Eine weitere Dimension des MetaWork ist die Interaktion mit Kunden. Hier können Events, Hausmessen oder Showrooms die Produkte und Dienstleistungen in virtuellen Erlebniswelten anbieten. Beratungs- und Verkaufssituationen können ebenfalls im Metaverse stattfinden, und dem Kunden kann so schneller und einfacher ein ganzheitliches Verständnis des Produktes oder der Serviceleistung vermittelt werden. Von der Inbetriebnahme bis hin zu Wartungsprozessen können in einem MetaWork-System Mitarbeitende sowie Kunden eingebunden werden. In der Automobilindustrie werden Logistikprozesse so bereits effizient gestaltet und geplant.
Das Metaverse bietet zahlreiche und vor allen Dingen vielfältige sowie sinnvolle Lösungen für die Arbeits- und Lernwelten von heute und morgen.