Im Kleinen beginnen, im Großen verändern:
Wie das Saarland zur Keimzelle neuer Ideen wird.
Michelle Celine Jörgens, AWSi, im Gespräch mit Milena Milivojevic, IM+io
( © August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse gGmbH )
Kurz und Bündig
Unternehmergeist Saar ist ein vom BMWK gefördertes Intensivprogramm, das über fünf Wochen unternehmerische Kompetenzen vermittelt. Teilnehmende entwickeln in Teams praxisnahe Lösungen für reale Use Cases aus Bereichen wie Green Tech, Health Tech, EdTech und Digital Sports. Das Programm kombiniert Online-Lernmaterialien, Experten-Sessions und Coaching. Ziel ist es, Innovation und Unternehmertum im Saarland zu fördern und die Region als Standort für digitale Transformation zu stärken.
Stimmen füllen den Raum, Ideen werden skizziert, verworfen und neu gedacht. Fünf Wochen lang tauchen Teams in ein Programm ein, das kreatives Denken fordert und Zukunft greifbar macht. Reale Use Cases, Marktgespräche und Zusammenarbeit in komplementären Teams schaffen den Nährboden für Ideen, die weiterdenken. Kann aus dieser Energie ein neuer Innovationsgeist im Saarland entstehen?
IM+io: Beginnen wir mit einer kurzen Vorstellung: Wer steht hinter dem Programm Unternehmergeist Saar und was sind die Aufgaben darin?
MJ: Mein Name ist Michelle Jörgens. Gemeinsam mit meinem Kollegen Florian Sauer verantworte ich die Leitung des Projekts Unternehmergeist Saar. Anfang des Jahres haben wir das Projekt von Estella Kirsch und Tomas Cerniauskas übernommen, die seit Beginn der Förderung 2022 federführend für die Umsetzung verantwortlich waren. Das Programm wird vom BMWK gefördert und ist ein fünfwöchiges, talentzentriertes Intensivprogramm. Ziel ist es, unternehmerische Kompetenzen und Persönlichkeiten zu entwickeln, also Talente dabei zu unterstützen, ihre Ideen und Potenziale zu erkennen und umzusetzen. Dabei geht es nicht nur um Wissen, sondern auch um Fähigkeiten und Haltung, die für unternehmerisches Denken entscheidend sind.
IM+io: Wie ist die Idee zu Unternehmergeist Saar entstanden?
MJ: Unsere Welt verändert sich rasant. Neue Herausforderungen entstehen ständig, beruflich wie privat. Das bedeutet, dass Zukunftskompetenzen, insbesondere unternehmerische Fähigkeiten, immer wichtiger werden. Mit Unternehmergeist Saar wollen wir Menschen für die Potenziale neuer Technologien sensibilisieren und sie befähigen, Chancen zu erkennen und eigene Lösungsansätze zu entwickeln.
IM+io: Wie lernen die Teilnehmenden und was macht euren Ansatz einzigartig?
MJ: Unser Ansatz ist ganzheitlich: Wir fördern Wissen, Können und die unternehmerische Haltung gleichermaßen. Durch diesen Kombinierten Ansatz heben wir uns auch von anderen Programmen ab. Das Ganze wird dann in Experten-Sessions vertieft, in denen der Praxisbezug im Mittelpunkt steht. Ergänzend begleiten Coaches die Teams während der gesamten fünf Wochen und stehen als erste Ansprechpersonen bereit. So entsteht ein umfassendes Lernumfeld, das Theorie und Praxis direkt miteinander verknüpft. Parallel entwickeln die Teams innovative Lösungsansätze für praxisrelevante Use Cases, wodurch sie das Gelernte unmittelbar anwenden.
IM+io: Wer kann an dem Programm teilnehmen?
MJ: Grundsätzlich jede und jeder. Wir richten uns nicht nur an Gründungsinteressierte, sondern an alle, die mit digitaler Transformation in Berührung kommen und das sind im Grunde wir alle, egal ob Schüler:innen, Studierende oder Berufstätige; für uns zählt die Motivation, sich in einem unternehmerischen Umfeld weiterentwickeln zu wollen. Alter und Vorerfahrung spielen keine Rolle. Wichtig sind Motivation und Einsatzbereitschaft, denn das Programm ist intensiv und verlangt Teamgeist und Engagement.
IM+io: Wie läuft das Programm konkret ab?
MJ: Über fünf Wochen arbeiten die Teams an Lösungsansätzen für reale Use Cases. Sie arbeiten also an echten Herausforderungen und stiften dadurch einen Mehrwert. Begleitet wird das durch On-demand-Lernmaterialien, Expert-Sessions und Coaching-Sessions zu Themen wie Teamarbeit, Marktanalyse, Ideenfindung, Geschäftsmodell und Pitch. Der Höhepunkt ist der Demo Day, an dem alle Teams ihre Ergebnisse vor einer Fachjury und geladenen Gästen präsentieren. Der beste Pitch wird prämiert. Mit diesem Abschluss schaffen wir Raum für Austausch und Vernetzung.
IM+io: Wie läuft dieser Demo Day genau ab?
MJ: Der Demo Day findet nachmittags statt und geht bis in den Abend. Nach einer kurzen Begrüßung und Impulsen von namenhaften Speakern starten die Teams mit ihren Pitches. Sie präsentieren ihren Lösungsansatz und sich selbst als Team vor der Fachjury. Danach bewertet die Jury die Präsentationen und kürt das Siegerteam. Zum Abschluss gibt es eine Siegerehrung. Es ist immer ein besonderes Highlight zu sehen, wie die Teilnehmenden sich selbst und ihre Fähigkeiten in nur 5 Wochen weiterentwickeln.
IM+io: Was passiert danach mit den Projekten?
MJ: Einige Teilnehmende bleiben auch nach dem Programm aktiv. Wir stellen dafür unseren Talentpool zur Verfügung, über den sich Teilnehmende vernetzen können. Viele Mitglieder eines Teams bleiben auch über private Wege miteinander in Kontakt und verfolgen ihre Idee weiter, teils auch mit Gründungsabsicht. Wir planen außerdem zusammen mit unseren Partnern, regelmäßige Vernetzungsveranstaltungen anzubieten, um den Austausch zu fördern.
IM+io: Wie lange können Teilnehmende den Talentpool nutzen?
MJ: Grundsätzlich über mehrere Jahre. Solange Interaktionen stattfinden, bleibt der Zugang aktiv. Wenn er längere Zeit nicht genutzt wird, deaktivieren wir ihn, aber das passiert erst nach einer längeren Zeitspanne.
IM+io: Wo liegt euer Fokus und wie messt ihr den Erfolg des Programms?
MJ: Da wir ein frühphasiges Programm sind, steht nicht die Gründung im Mittelpunkt, sondern die Sensibilisierung für Innovation und Unternehmertum. Wir messen die persönliche Kompetenzentwicklung über eine Selbsteinschätzung. Dafür haben wir einen Fragebogen entwickelt, der sich am EntreComp-Kompetenzrahmen der EU-Kommission orientiert. Wir vergleichen die Werte vor und nach dem Programm. Dabei zeigt sich, dass die größten Fortschritte in den Bereichen Chancenidentifikation, Ideenentwicklung und Ideenrealisierung erzielt werden, also genau die Kompetenzen, die wir fördern möchten. Das bestätigt die Wirksamkeit unseres Programms.
IM+io: Wie häufig findet das Programm statt und wie kann man sich bewerben?
MJ: Zweimal im Jahr – einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Auf unserer Website gibt es eine Unterseite mit allen Informationen zum Programm und ein Bewerbungsformular. Während des Bewerbungszeitraums können sich Interessierte dort anmelden. Nach der Bewerbung erhalten sie alle weiteren Informationen sowie den Zugang zu einem Persönlichkeitstest, den wir im Auswahlprozess nutzen, um die Teamrollen der Teilnehmenden festzustellen und darauf basierend komplementäre Teams zusammenzustellen.
IM+io: Können sich Teilnehmende erneut bewerben, wenn sie nicht gewonnen haben?
MJ: Ja, das ist möglich. Wir ändern regelmäßig unsere Use Cases, um bei jedem Batch aktuell relevante Themen abzudecken, sodass Teilnehmende immer neue Use Cases haben, an denen sie arbeiten können. Wir orientieren uns an Zukunftsthemen und stellen so die Relevanz der Use Cases sicher.
IM+io: Euer Schwerpunkt liegt auf Sensibilisierung, nicht auf Gründung. Trotzdem haben sicher viele Teilnehmende den Wunsch, ein Startup zu gründen. Wie geht ihr damit um?
MJ: Das stimmt, beides hängt eng zusammen. Wir legen mit unserem Programm den Grundstein, indem wir zentrale Zukunftskompetenzen vermitteln. Damit können die Teilnehmenden selbstbewusst erste Gründungsschritte gehen, wenn sie das möchten. Beim Demo Day sind außerdem Fachjurys und Gäste aus der Gründungsszene dabei. So entstehen wertvolle Kontakte, die nach dem Programm weiterverfolgt werden können.
IM+io: Welche Tipps könnt ihr geben, wie die Teilnehmenden ihre Lösungsideen für die Use Cases hinsichtlich ihres Potenzials überprüfen können?
MJ: Es gibt Methoden wie die „How-Now-Wow-Matrix“. Sie bewertet Ideen anhand zweier Kriterien: Innovationsgrad und Umsetzbarkeit. Man stellt sich das als vier Felder vor und ordnet die Idee entsprechend ein. So kann man schnell erkennen, ob sie realistisch und zukunftsfähig ist. Online findet man dazu viele Erklärungen und Beispiele.
IM+io: Wie hat sich das Programm seit dem Start entwickelt?
MJ: Das Programm wird fortlaufend weiterentwickelt. Wir nutzen die Ergebnisse aus unseren Kompetenztests, um gezielt Bereiche zu verbessern, in denen sich Kompetenzen noch nicht so stark entwickelt haben. Außerdem holen wir regelmäßig Feedback von Teilnehmenden ein – während des Programms und über eine Evaluation am Ende. Dieses Feedback fließt direkt in die Weiterentwicklung ein. Natürlich sind auch aktuelle Markt- und Technologietrends leitend für die Weiterentwicklung unseres Programms, um sicherzustellen, dass wir relevante Zukunftskompetenzen vermitteln.
IM+io: Was ist eure langfristige Vision für das Programm?
MJ: Wir wollen die erste Anlaufstelle für unternehmerisch Interessierte im Saarland sein. Durch die Vermittlung zentraler Zukunftskompetenzen wollen wir das Fundament für neue Initiativen und Wirtschaftszweige legen. Unser Ziel ist es, Unternehmergeist und Gründungsdenken in der Region zu stärken und so aktiv zum Wandel des Saarlandes beizutragen, hin zu einem Standort für Innovation und digitale Transformation.







