Von Kandinsky bis KI:
Was Bewegungsmuster über das urbane Leben erzählen
Oskar Haller, Isarsoft

(Titelbild: © AdobStock | 1255416280 | ivlianna )
Kurz und Bündig
Die videobasierte Echtzeitanalyse öffentlicher Räume ermöglicht eine präzise Erfassung von Bewegungsströmen und Nutzungsverhalten – von Museen über Flughäfen bis zu Häfen. Sie liefert wertvolle Daten für die Gestaltung, Sicherheit und Nachhaltigkeit urbaner Räume, unterstützt kuratorische und strategische Entscheidungen und hilft dabei, Prozesse effizienter zu steuern – stets unter Beachtung von Datenschutz und gesellschaftlicher Verantwortung.
Ein leises Raunen im Museum, Schritte hallen durch hohe Räume, Menschen verweilen, verlieren sich, finden neue Wege. Was im Ausstellungsraum sichtbar wird, setzt sich draußen fort – auf Straßen, in Terminals, auf Plätzen. Wie lassen sich die Erkenntnisse aus den Bewegungen im öffentlichen Raum nutzen, um Städte, Kultur und Mobilität nachhaltig und menschengerecht zu gestalten?
Wenn Städte sprechen könnten, was würden sie uns erzählen? Von Menschenströmen in Museumshallen, von eiligen Schritten im Terminal, vom Innehalten vor einem Schaufenster. Unsere Bewegungen füllen Räume mit Leben – sie formen Muster, schaffen Begegnungen, lassen Orte wirken. Doch all das geschieht oft unbeobachtet. Was gestern noch als Atmosphäre beschrieben wurde, kann heute sichtbar gemacht werden – evidenzbasiert, dynamisch und mit Blick auf das Gemeinwohl. Nicht um zu kontrollieren, sondern um zu verstehen. Nicht um zu zählen, sondern um zu gestalten. Denn die Stadt ist mehr als ihre Architektur. Sie ist ein lebendiger Organismus – und ihre Taktgeber sind wir. Die Stadt lebt im Wechselspiel von Planung, Nutzung und Erfahrung.
Doch wie lässt sich erfassen, wie Menschen sich durch diese Räume bewegen – wann, wo, wie lange und mit welchen Auswirkungen? Lange waren nur punktuelle Zählungen oder aufwendige Erhebungen verfügbar. Heute bietet die videobasierte Echtzeitanalyse neue Möglichkeiten: kontinuierlich, anonymisiert und evidenzbasiert. Die Münchner Isarsoft GmbH entwickelt Software, die vorhandene Kamerasysteme in präzise Bewegungssensoren verwandelt. Ihre Technologie kommt in Kulturinstitutionen, Flughäfen, Einkaufszentren und städtischen Infrastrukturen zum Einsatz – mit einem klaren Ziel: öffentliche Räume sicherer, nutzungsorientierter und nachhaltiger zu gestalten.
Use Case Wien Museum –
Publikumsverhalten sichtbar machen
Zur Wiedereröffnung setzte das Wien Museum auf die Technologie von Isarsoft, um Publikumsströme raumgenau und in Echtzeit zu erfassen. Ziel war es, die Verteilung der Besucherinnen und Besucher besser zu steuern und die Auslastung einzelner Bereiche transparenter zu machen. Neben organisatorischen Vorteilen eröffnete die Analyse neue Einblicke in das Besuchsverhalten innerhalb der Ausstellung. Die Daten zeigten deutlich, welche Bereiche regelmäßig überlaufen oder gemieden wurden. Dadurch konnten Publikumsflüsse besser gelenkt und die Auslastung einzelner Räume balanciert werden. Mit diesen Erkenntnissen lassen sich Ausstellungen nicht nur effizienter betreiben, sondern auch gezielter gestalten – ein Thema, das zunehmend auch kuratorisch an Bedeutung gewinnt.
Datenbasierte Kuratierung – Erkenntnisse für die Ausstellungsgestaltung
Daten über das Besuchsverhalten eröffnen nicht nur operative Einsichten – sie haben das Potenzial, die kuratorische Praxis grundlegend zu verändern. Statt allein auf Intuition oder punktuelle Publikumsumfragen zu setzen, können Museen mit Hilfe intelligenter Echtzeitanalyse erkennen, welche Themen Resonanz erzeugen, welche Narrative verweilen lassen – und welche übersehen werden.
Besuchendeanalysen zeigen: Exponate mit emotionaler oder lokaler Relevanz führen häufig zu längerer Verweildauer und fokussierten Publikumsbewegungen. Kuratorische Teams können diese Erkenntnisse nutzen, um Ausstellungsverläufe differenzierter zu planen und Inhalte gezielter zu gewichten.
Darüber hinaus helfen datenbasierte Analysen dabei, unsichtbare Schwellen sichtbar zu machen: Wer verweilt? Wer kommt nicht? Wer fühlt sich angesprochen? So entstehen neue Ansätze für inklusive, diversitätsorientierte und partizipative Vermittlungsformate – fundiert auf Daten, aber menschlich gedacht.
Nicht zuletzt schaffen diese Erkenntnisse eine solide Basis für strategische kulturelle Bildung: Vermittlungsangebote lassen sich evidenzbasiert optimieren – dort verdichten, wo Aufmerksamkeit hoch ist, und dort transformieren, wo sie verpufft.
Anwendungsbeispiele aus Mobilität, Handel und Logistik
Was in Kulturinstitutionen beginnt, lässt sich auf viele andere Kontexte übertragen: Überall dort, wo Menschen sich durch Räume bewegen, wo Planung auf Dynamik trifft, kann Echtzeitanalyse einen Unterschied machen. Isarsoft zeigt dies in verschiedenen Anwendungsfeldern – von Mobilität über Handel bis hin zur Infrastruktur.
Am Flughafen Vilnius sorgt ein smartes Queue-Management für stabile Abläufe an der Sicherheitskontrolle. Die Software kombiniert Videodaten mit Flugplänen und Terminaldaten, erkennt Warteschlangen in Echtzeit und hilft dabei, Ressourcen bedarfsgerecht einzusetzen.
Im Einkaufszentrum Center West in Graz liefert Isarsoft präzise Erkenntnisse über Nutzungsfrequenz, Laufwege und Stoßzeiten – eine wertvolle Grundlage für das Flächenmanagement, etwa bei der Planung von Werbezonen, Pop-up-Flächen oder dynamischen Mietmodellen. Besonders wirtschaftlich: Die Analyse nutzt bestehende Kameras, es ist keine neue Hardware nötig.
Im Hafen von Algeciras, einem der größten Umschlagplätze Europas, analysiert die Lösung Fahrzeugbewegungen und Terminalzugänge. Verspätungen, Staus und ineffiziente Abfertigungen werden erkannt – Verkehrsströme können gezielt gesteuert, Emissionen reduziert und die Sicherheit erhöht werden.
Digitalisierung trifft Stadtentwicklung
Die videobasierte Echtzeitanalyse öffentlicher Räume ermöglicht Städten, Verkehrsbetrieben und Kultureinrichtungen, fundierte Entscheidungen auf Basis objektiver Daten zu treffen. Personal, Energieeinsatz und Flächennutzung lassen sich gezielt steuern, Veränderungen im Raum unmittelbar erkennen und Prozesse effizient anpassen.
Verantwortungsvoll handeln: Datenethik im Kulturbereich
Jede Bewegung hinterlässt Spuren – in Form von Daten über Aufenthaltsdauer, Wege und Interaktionen. Diese Informationen eröffnen neue Möglichkeiten, erfordern jedoch zugleich ein verantwortungsvolles Handeln.
Vor allem im Kulturbereich, wo persönliche Freiheit, Bildung und Vertrauen zentrale Werte sind, stellt sich die Frage: Wie gestalten wir diese Technologien fair, transparent und gemeinwohlorientiert?
Museen und Institutionen stehen vor der Herausforderung, nicht nur gesetzeskonform zu handeln, sondern gesellschaftliche Akzeptanz aktiv mitzugestalten. Besuchende sollen nachvollziehen können, wie und warum Daten erhoben werden. Dies gelingt durch transparente Kommunikation, niedrigschwellige Informationsangebote und begleitende Vermittlungsformate. Dabei müssen zentrale Fragen geklärt sein: Wer trägt Verantwortung? Welche Daten werden wie lange gespeichert? Welche Zwecke sind legitim? Die Antworten darauf bilden das Fundament für ethisch tragfähige Digitalisierung im öffentlichen Raum.
Ausblick: Echtzeitanalyse als Werkzeug zukunftsfähiger Stadtgestaltung
Ob Museum, Terminal, Einkaufsstraße oder Hafen – öffentliche Räume sind nicht länger bloße Kulisse, sondern dynamische Schnittstellen zwischen Mensch, Infrastruktur und Information. Die videobasierte Echtzeitanalyse eröffnet neue Wege, diese Räume evidenzbasiert zu verstehen, flexibel zu steuern und gezielt zu entwickeln – für mehr Effizienz, mehr Zugang und mehr Wirkung.
Doch Technologie allein schafft noch keine Zukunft. Erst wenn sie transparente Prozesse, gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Verantwortung ermöglicht, wird sie zum echten Fortschrittswerkzeug. Echtzeitanalyse darf kein Selbstzweck der Optimierung sein – sie muss sich am Menschen orientieren.
Die Stadt der Zukunft ist datenbewusst, aber nicht datengetrieben. Sie hört zu, statt zu überwachen. Sie misst, um zu gestalten. Und sie wächst dort, wo Informationen nicht nur gesammelt, sondern sinnvoll genutzt werden – für Kultur, für Lebensqualität, für eine Stadt im Takt der Menschen.