Schicht für Schicht zur Nachhaltigkeit:
Ersatzteile aus der Datenwolke
Ronny Bernstein, BMF GmbH

(Titelbild: © Adobe Stock | 698826661 | TechArtTrends )
Kurz und Bündig
Additive Fertigung (3D-Druck) macht Ersatzteile sofort und weltweit verfügbar, senkt Lager- und Logistikkosten und minimiert Ausfallzeiten. Digitale Plattformen ermöglichen es, Ersatzteile lokal zu drucken – mit zentral kontrollierter Qualität und gesichertem Know-how. Energieeffiziente, individuell angepasste Bauteile und neue Preismodelle wie Pay-per-Print bieten zusätzliche Vorteile. Schutz geistigen Eigentums bleibt dabei jederzeit gewährleistet.
Leise surren Druckköpfe, während aus digitalem Code Bauteile für komplexe Maschinen entstehen. Die Produktion verändert sich – Prozesse werden flexibler, Lieferketten kürzer, Energie gespart. Wie kann 3D-Druck neue Maßstäbe in der Ersatzteilversorgung setzen und Unternehmen fit für eine dynamische Zukunft machen?
Industrieunternehmen stehen unter zunehmendem Innovations- und Effizienzdruck. Verkürzte Produktlebenszyklen, individualisierte Kundschaftanforderungen und fragile globale Lieferketten erfordern neue Strategien in der Wertschöpfung. Additive Fertigung (3D-Druck) bietet hier weit mehr als Prototyping: Sie ermöglicht innovative Geschäftsmodelle, verschiebt Wertschöpfung digital und verbindet Produktion und IT auf neuartige Weise. Die Möglichkeiten der additiven Fertigung reichen dabei von kleinen Sonderanfertigungen bis hin zu komplexen Funktionsbauteilen, die konventionell nur schwer oder kostenintensiv herstellbar sind.
Strategische Bedeutung und Nachhaltigkeit
Die digitale Ersatzteilversorgung ist weit mehr als eine technologische Innovation – sie ist ein strategisches Werkzeug. Durch die Verlagerung der Ersatzteilfertigung in die digitale Sphäre wird die Abhängigkeit von physischen Lieferketten deutlich reduziert. Dies macht das Geschäftsmodell resilienter gegenüber globalen Störungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt haben.
Darüber hinaus stärkt diese Lösung die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld: Weltweite Kundschaft kann auf dieselbe Qualität und Geschwindigkeit zugreifen wie lokale Abnehmende – ohne lange Transportwege, Verzollung oder hohe Lagerkosten. Das bietet einen klaren Mehrwert insbesondere in dynamischen Märkten.
Die Nachhaltigkeitsaspekte sind ebenso erheblich: Die digitale Ersatzteilversorgung vermeidet Transporte per Luft- oder Seefracht und reduziert damit signifikant den CO₂-Fußabdruck. Gleichzeitig ermöglicht der 3D-Druck ressourcenschonende Fertigung: Material wird nur dort eingesetzt, wo es strukturell notwendig ist, Abfälle werden minimiert und durch die Nutzung regionaler Produktionsmöglichkeiten werden Energie und Ressourcen effizient eingesetzt.
Ausgangslage und Herausforderungen bei BMF
Die BMF GmbH aus dem sächsischen Grüna bei Chemnitz entwickelt und produziert hochautomatisierte Strahlanlagen wie „Twister“ und „Tornado“ – beide mit einem hohen Anteil additiv gefertigter Komponenten (siehe Abbildung 1). Diese Maschinen enthalten über 50 3D-gedruckte Funktionsteile pro Einheit, darunter komplexe Luftführungen, Düsenelemente und Strömungskanäle. Da diese Bauteile im Laufe der Zeit ausgetauscht werden müssen, entstehen neue Anforderungen an die Verfügbarkeit und die Logistik. Die bisherigen Herausforderungen sind vielfältig: Hohe Lager- und Versandkosten, lange Transportzeiten – gerade in entfernte Märkte wie Indien – und erheblicher Personalaufwand für Kommissionierung und Versand. Dazu kommt die Gefahr teurer Maschinenausfälle bei der Kundschaft aufgrund fehlender Ersatzteile.
Auch die steigende Nachfrage nach maßgeschneiderten Sonderlösungen erhöht den Druck auf schnelle, flexible Lieferketten. Mit klassischen zentralen Versand- und Lagerkonzepten lassen sich diese Herausforderungen nicht mehr effizient bewältigen.
Zertifizierungen und Qualitätsstandards in der additiven Fertigung
Additive Fertigung hat sich von einer experimentellen Nischentechnologie zu einem anerkannten industriellen Verfahren entwickelt. Damit gedruckte Bauteile sicher und normgerecht eingesetzt werden können, müssen sie strenge Qualitäts- und Dokumentationsanforderungen erfüllen. Internationale Normen wie die ISO/ASTM 52900 oder branchenspezifische Standards, beispielsweise für die Luftfahrt oder Medizintechnik, regeln Materialien, Prüfverfahren und Prozessvalidierung. Unternehmen investieren zunehmend in Zertifizierungen und qualitätsgesicherte Fertigungsabläufe, um Bauteile rückverfolgbar, zuverlässig und international einsetzbar zu machen. Das unterscheidet professionelle Anwendungen grundlegend vom reinen Prototyping im Hobbybereich und schafft Vertrauen bei Kundschaft, Geschäftspartnern und Behörden.
Digitale Ersatzteilversorgung mit Digital Source
In enger Kooperation mit Markforged [1] wurde daher ein digitales Ersatzteilökosystem aufgebaut. Über die Plattform Digital Source können autorisierte Kundinnen und Kunden Ersatzteile direkt vor Ort mit Markforged-FFF-Druckern (Fused Filament Fabrication) fertigen. Die Druckdaten bleiben dabei geschützt: Sie werden nicht ausgehändigt, sondern über die Plattform ferngesteuert verarbeitet – die Kundschaft erhält keinen Zugriff auf bearbeitbare Dateien.
Dieser Ansatz bringt entscheidende Vorteile: Material, Druckparameter und Geometrien sind zentral festgelegt, sodass Unternehmen eine vollwertige Garantie auf diese dezentral gefertigten Bauteile gewähren kann. Missbrauch oder Manipulationen durch Anwendende sind ausgeschlossen. Voraussetzung für die Nutzung ist jedoch, dass die Kundschaft über zertifizierte Markforged-Drucker und die entsprechende Infrastruktur verfügt.
Ergebnisse und Mehrwert
Die Lösung sorgt für eine dramatische Verbesserung der Ersatzteilverfügbarkeit: Statt bis zu 14 Tagen dauert es nur noch rund 24 Stunden, bis ein Ersatzteil vor Ort ist. Dies reduziert Lagerhaltung, senkt Logistikaufwand und minimiert die Stillstandszeiten bei der Kundschaft erheblich.
Darüber hinaus lassen sich neue Preismodelle realisieren: Pay-per-Print-Lizenzen ermöglichen eine faire, transparente und planbare Abrechnung. Kundinnen und Kunden zahlen nur, was sie tatsächlich benötigen – eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Mit dem digitalen Konzept wird der gesamte After-Sales-Bereich transformiert: Neben Ersatzteilen könnte perspektivisch auch die Fertigung von kundschaftspezifischen Modifikationen, Werkzeugaufnahmen oder zusätzlichen Funktionskomponenten digital abgebildet werden. Auch für den internationalen Rollout ist das Modell attraktiv: Die Plattform ermöglicht regionalisierte Fertigungshubs, wodurch Lieferketten resilienter und nachhaltiger werden.

Additive Fertigung als Enabler energieeffizienter Maschinen
Diese digitale Transformation verändert einiges: Lagerbestände werden reduziert, Mitarbeitende in Logistik und Versand werden für höherwertige Aufgaben frei, und die IT übernimmt eine Schlüsselrolle in der Steuerung und Qualitätssicherung der Prozesse. Die Maschinen Twister und Tornado von BMF erreichen eine hohe Energieeffizienz: Bis zu 90 Prozent Energieeinsparung im Vergleich zu klassischen Anlagen sind möglich – unter anderem dank 3D-gedruckter, strömungsoptimierter Leichtbaukomponenten. Diese Komponenten wären mit klassischen Fertigungsverfahren nur mit erheblichem Aufwand realisierbar. Durch den hohen Individualisierungsgrad entsteht ein weiterer strategischer Vorteil: Sonderlösungen und kundenindividuelle Varianten können ohne zusätzliche Werkzeuge umgesetzt werden.
Möglich wird das unter anderem durch die konsequente Integration additiv gefertigter Komponenten. Die hochkomplexen Geometrien vieler Funktionsbauteile, wie zum Beispiel Luftführungen, Düsenelemente oder Innenkanäle, wären mit klassischen Fertigungsmethoden nicht oder nur sehr aufwendig realisierbar. Durch den Einsatz von 3D-Druck können diese Elemente präzise und leichtgewichtig produziert werden – optimiert auf Luftströmung, Gewicht und thermische Eigenschaften. Zugleich erlaubt uns die additive Fertigung eine größere Variantenvielfalt und Individualisierung bei geringerem Fertigungsaufwand.
In der Anlage werden bisher nicht angewendete Prinzipien der Strahlmittelhandhabung und der Werkstückbewegung während des Strahlprozesses umgesetzt. Durch diese Innovation werden aufwändige Handarbeiten und mitarbeitendenabhängige Qualitätsschwankungen vermieden. Mit dem ressourcenschonenden Verfahren können bis zu zehnmal so viele Werkstücke wie mit derzeitigen Verfahren bearbeitet werden, zusätzlich sind bis zu 90 Prozent Energieeinsparung möglich [2].

Datenschutz, IP-Schutz und Vertrauen
Ein zentrales Element des digitalen Modells ist der Schutz geistigen Eigentums: Sensitive CAD-Daten bleiben geschützt, die Kundschaft erhält ausschließlich Zugriff auf qualitätsgesicherte und manipulationssichere Druckprozesse. Technisch wird dies in der Praxis etwa durch verschlüsselte Datenübertragung, kontrollierte Plattformzugänge und das sogenannte „Encrypted Build“ realisiert: Die Druckdateien verbleiben auf einer gesicherten Cloud-Plattform und werden erst direkt am zertifizierten Drucker entschlüsselt und verarbeitet. Zugriffsrechte lassen sich rollenbasiert vergeben, sodass etwa nur autorisierte Personen bestimmte Druckaufträge initiieren können. Über digitale Wasserzeichen und lückenlose Protokollierung werden alle Fertigungsschritte nachvollziehbar dokumentiert, was Manipulationen ausschließt und im Streitfall die Nachverfolgbarkeit sicherstellt. Damit wird Know-how geschützt und das Vertrauen zwischen Herstellenden und Kundschaft gestärkt.
Fazit
Additive Fertigung wird nicht nur als Fertigungsverfahren verstanden, sondern als Treiber eines hybriden Geschäftsmodells: physische Produkte, bereitgestellt über digitale Prozesse. Das Ergebnis sind höchste Flexibilität, maximale Verfügbarkeit und planbare Qualität – weltweit. Die Kombination von additiver Fertigung, intelligenter Plattformtechnologie und klaren Standards für Qualität und IP-Schutz zeigt, wie Mittelstand und Industrie 4.0 erfolgreich zusammenfinden können.