Mit Digitalem Zwilling zur virtuellen Inspektion industrieller Anlagen am Beispiel des Entsorgungsverbandes Saar (EVS)
Fördervermerk
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Saarbrücken wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in der Förderinitiative Mittelstand-Digital unter dem Förderkennzeichen 01MF17003B gefördert.
Die durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) geförderte Initiative Mittelstand-Digital verfolgt das Ziel Digitalisierung sowie Künstliche Intelligenz aus der Forschung in den Mittelstand zu transferieren. Zu diesem Zweck wurden deutschlandweit 26 Kompetenzzentren etabliert, welche regional und national KMU auf dem Weg zum zukunftsfähigen Betrieb begleiten. Dazu bieten die Zentren kostenlose, anbieterneutrale und praxisnahe Unterstützung durch verschiedene Formate, um den Unternehmen in der Umsetzung wertschöpfender digitaler Potenziale zur Seite zu stehen. Zu den interaktiven Formaten zählen Impulsvorträge, Workshops, Webinare, Demonstratorenvorführungen, Praxistage aber auch Exkursionen zu digitalen Vorreitern bis hin zu Pilotprojekten. Das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Saarbrücken ist eines dieser 26 Zentren und begleitet bereits seit 2017 mittelständische Betriebe in der Digitalen Transformation. Hierzu zählt auch der Entsorgungsverband Saar (EVS). Das Kompetenzzentrum Saarbrücken begleitet den Entsorgungsverband Saar (EVS) zusammen mit dem August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse bei der Umsetzung einer innovativen Lösung für die Inspektion von Anlagen mittels Digitalem Zwilling und Virtual Reality Technologie. Dieses Leuchtturmprojekt zeigt die Chancen für den Mittelstand und wird im Folgenden vorgestellt
Die Ausgangssituation des EVS
Die Infrastruktur zur Abwasserentsorgung und -aufbereitung besteht aus einem komplexen System aus kilometerlangen Kanalrohren und einer Vielzahl von Kläranlagen, die mit verschiedenen Verfahren und Technologien das Abwasser reinigen und in den Wasserkreislauf zurückführen. Dazu gehören komplexe Anlagen, die für einen ordnungsgemäßen Betrieb regelmäßig inspiziert und gewartet werden müssen. Aufgrund dieser Komplexität und den zahlreichen Standorten, ist diese Tätigkeit mit einem hohen Aufwand verbunden. Entweder muss spezialisiertes Personal an jedem Standort anwesend sein oder ein Team aus Fachkräften die insgesamt 140 Kläranlagen nach und nach abarbeiten. Dabei entstehen nicht nur hohe Reiseaufwände sondern oft müssen die Maschinen für Inspektions-, und Wartungsvorgänge heruntergefahren werden, was mit hohen Ausfallzeiten verbunden ist.
Der Digitale Zwilling als Lösungsansatz
Eine Möglichkeit, die Inspektion und Wartung effizienter zu gestalten, ist es, ein digitales Abbild der jeweiligen Anlage, einen sogenannten Digitalen Zwilling anzufertigen. Dieser ermöglicht es, den Betriebszustand eingesetzter Maschinen von jedem beliebigen Ort aus zu überwachen und bei Unregelmäßigkeiten direkt einzugreifen. Die Sensoren der Maschine senden ihre Informationen an den Digitalen Zwilling, in welchem sie mit anderen Informationen zusammengeführt werden und so für die Visualisierung für Wartungstechniker aufbereitet werden. Das Ziel des Projekts ist es, den Inspektions- und Wartungsaufwand mit Hilfe dieser Daten zu verringern, indem Wartungstechniker live in der Applikation prognostische Informationen zur Instandhaltung erhalten und direkt potenzielle Schäden oder Ersatzteilbedarfe detektieren können. In Kooperation mit dem Entsorgungsverband Saar (EVS) wird hierzu aktuell ein Pilotprojekt umgesetzt und eine Maschine für das Recycling von Klärschlamm mit einem individualisierten Digitalen Zwilling ausgestattet. Dieser ist auch zukünftig einfach in bestehende weitere Systeme integrierbar. Die Recyclinganlage sendet dazu aktuell alle zehn Sekunden Informationen von 71 Sensoren in die Cloud. Pro Tag entstehen dadurch 630.720 Dateneinträge für diese eine Maschine. Angereichert werden die Daten durch Videoinformationen von stereoskopen Kamerasystemen. Anders als viele bestehenden Ansätze, findet die Visualisierung für den Wartungstechniker nicht an einem Monitor statt, sondern wird in einem Virtual Reality Dashboard dargestellt und ein 360° Livestream von einer Kamera auf der Anlage wiedergeben. Das 360° Videobild ermöglicht im Gegensatz zu einem reinen 3D-Modell die visuelle Inspektion von Bauteilen und Oberflächen und wird angereichert durch die Betriebsdaten, die übersichtlich und interaktiv in das Livebild integriert werden. Klare Herausforderung ist die massive Datenlast, welche durch die große Anzahl Sensordaten und zusätzlicher Großdatenmengen durch die 360° Videodaten entsteht. Gelöst wird dies durch den Einsatz einer Big-Data fähigen Cloud-Architektur, welche mittels modularer Services die erhobenen Sensordatendaten komfortabel in die bestehende IT-Architektur integriert und dort mit anderen, bereits bestehenden Daten verknüpft oder anreichert. Das Ergebnis ist ein einfach zu bedienendes Virtual Reality Dashboard als Abbild der realen Maschine (siehe Abbildung 1), welches von Mitarbeitern in der Zentrale mittels VR-Headsets besichtigt werden kann. Die Vorteile durch die Reduktion der Reisezeiten für die Mitarbeiter wurden bereits qualitativ evaluiert und stießen bereits auf positive Resonanz seitens des Fachpersonals. Im nächsten Schritt wird der wirtschaftliche Dauerbetrieb getestet und eine Ausweitung des Ansatzes geprüft. Sie interessieren sich für den weiteren Verlauf des Leuchtturmprojekts? Dann verfolgen sie das Projekt auf www.komzetsaar.de.
Fazit
Das Konzept des Digitalen Zwillings wurde bisher vorrangig von Großunternehmen behandelt und in deren Produkte integriert. Das Projekt des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Saarbrücken mit dem EVS zeigt, dass auch KMU mit individuellen Umsetzungsstrategien und hochspezifischen Prozessen digitale Innovationen in ihrer Organisation erfolgreich vorantreiben können. Die Lösung zur Etablierung eines Digitalen Zwillings des EVS entfaltet dabei das Potenzial der eigenen Daten und reduziert nachhaltig den Aufwand für die Inspektion.
