Freshly Brewed Data:
Digitalisierung tropft in jede Bohne
Christian Linn, Scheer PAS

(Titelbild: © Adobe Stock | 1409232070 | Teerasit )
Kurz und Bündig
Ein traditionsreicher Kaffeeveredelungsbetrieb hat durch eine schrittweise digitale Transformation seine gesamte IT-Landschaft modernisiert. Neue, integrierte Systeme vernetzen jetzt alle Unternehmensbereiche und ermöglichen Echtzeitzugriffe für die Kundschaft. Der Energieverbrauch wurde durch intelligente Planung deutlich reduziert. Change-Management und Mitarbeitendenbeteiligung waren zentrale Erfolgsfaktoren. Künftig gewinnen KI und Nachhaltigkeit an Bedeutung.
Morgens duftet es nach frisch geröstetem Kaffee, doch im Maschinenraum der Produktion beginnt längst eine andere Reise – die vom analogen Handwerk zur digitalen Echtzeitsteuerung. Wenn alte Prozessleitsysteme an ihre Grenzen stoßen und neue Technologien leise in den Alltag einziehen, entsteht eine Dynamik, die Tradition und Innovation zusammenbringt. Wie verändert sich ein Betrieb, wenn plötzlich digitale Plattformen, intelligente Vernetzung und neue Arbeitsweisen Einzug halten? Und wer gewinnt, wenn neben dem Kaffeearoma auch digitale Ideen die Zukunft bestimmen?
Die digitale Transformation im industriellen Mittelstand ist selten ein linearer Prozess. Oft vollzieht sie sich in Etappen: pragmatisch, lösungsorientiert und mit besonderem Augenmerk auf einen stabil weiterlaufenden Betrieb. Gleichzeitig bietet sie Unternehmen die Chance, bestehende Prozesse nicht nur zu modernisieren, sondern auch strategisch neu auszurichten.
Das Beispiel der CR3-Kaffeeveredelung M. Hermsen GmbH zeigt, wie ein traditionsreiches Unternehmen durch den gezielten Einsatz moderner Technologien seine Wettbewerbsfähigkeit signifikant steigern konnte und welche Rolle Scheer PAS als Transformationsbegleitung dabei spielte.
Der Druck zur Digitalisierung wächst im industriellen Mittelstand nicht zuletzt durch globale Marktveränderungen und die steigenden Erwartungen der Kundschaft. Laut Bitkom und VDMA betrachten immer mehr Unternehmen Investitionen in moderne IT-Systeme sowie die digitale Verknüpfung aller Wertschöpfungsstufen als entscheidende Voraussetzung, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Damit werden digitale Lösungen zunehmend zur Überlebensfrage (Bitkom Digital Office Index 2024).
CR3-Kaffeeveredelung: Was steckt dahinter?
CR3-Kaffeeveredelung M. Hermsen GmbH ist ein führendes deutsches Unternehmen, das sich auf die industrielle Veredelung von Rohkaffee spezialisiert hat. In hochautomatisierten Produktionsanlagen werden verschiedene Verfahren wie Entkoffeinierung, Dampfbehandlung oder Aromenanreicherung angewendet, um Rohkaffee für große Röstereien und Markenherstellende weiterzuverarbeiten.
Typische Aufträge reichen vom Entfernen von Koffein bis hin zur Optimierung von Geschmack und Lagerfähigkeit. Die Prozesse sind komplex, erfordern höchste Präzision und strikte Qualitätskontrollen, da die Ergebnisse oft für internationale Lebensmittelkonzerne bestimmt sind. Laut dem Deutschen Kaffeeverband wurden allein 2023 in Deutschland rund 1,2 Millionen Tonnen Kaffee verarbeitet, wobei Veredelungsunternehmen wie CR3 eine zentrale Rolle in der Lieferkette spielen (Quelle: Deutscher Kaffeeverband, Branchenbericht 2024).
Ausgangspunkt: Eine IT-Infrastruktur am Limit
Die Ausgangslage bei CR3 war geprägt von einer historisch gewachsenen IT-Landschaft, die den Anforderungen an moderne Produktions- und Geschäftsprozesse nicht mehr gewachsen war. Insbesondere das zentrale Prozessleitsystem, eine interne Entwicklung aus den 1980er Jahren, stellte ein erhebliches Risiko dar: Technisch veraltet, personell kaum noch betreu- und weiterentwickelbar war es zunehmend ein Hindernis für notwendige Innovationen. „Es war an der Zeit, die Systemlandschaft grundlegend zu erneuern, um zukunftsfähig zu bleiben“, beschreibt Andreas Iken, Leiter Informationsmanagement bei CR3, die Ausgangslage. Für diese strategisch bedeutsame Transformation setzte das Unternehmen auf Scheer PAS, nicht nur aufgrund der technologischen Kompetenz, sondern auch aufgrund Ikens positiver Erfahrungen aus einem früheren Projekt bei einem Einzelhandelsunternehmen.
Herausforderungen auf dem Weg zur
digitalen Fabrik
Die Einführung moderner IT-Lösungen bringt im Mittelstand zahlreiche Herausforderungen mit sich. Laut einer Studie des Fraunhofer IAO stoßen Unternehmen häufig auf gewachsene IT-Strukturen, Medienbrüche und unterschiedliche Softwaregenerationen, die hohe Investitionen in Integration und Change-Management erfordern. Umso wichtiger ist eine kluge Migrationsstrategie, wie auch das BMWK für Industrie 4.0 im Mittelstand empfiehlt.
Strategie: Schrittweise Transformation und durchgängige Integration
Die digitale Transformation erfordert eine grundlegende Neuordnung von Entscheidungsstrukturen. Dezentrale Intelligenz und Entscheidungsfreiheit reduzieren den Planungsaufwand und ermöglichen schnellere Reaktionen auf Marktveränderungen. Dabei werden Daten dezentral erfasst, genau dort, wo sie Ein zentraler Erfolgsfaktor des Projekts war der gewählte Transformationsansatz. Angesichts der Komplexität des Betriebs entschied sich CR3 bewusst gegen eine radikale Ablösung bestehender Systeme und setzte stattdessen auf eine stufenweise Migration. „Aufgrund der hohen Komplexität war ein vollständiger Systemwechsel auf einen Schlag keine Option“, erklärt Iken. Neue Komponenten wurden parallel eingeführt und über definierte Co-Existenz-Szenarien integriert. So blieb der laufende Betrieb stabil, während das Team gleichzeitig flexibel auf neue Anforderungen reagieren konnte.
Vor der Modernisierung waren bei CR3 viele Prozesse durch Medienbrüche geprägt: Auftragsdaten mussten beispielsweise manuell von einem System in ein anderes übertragen werden, ein großer Aufwand mit hohem Fehlerpotenzial. Die neue Systemlandschaft vernetzt heute alle zentralen Unternehmensbereiche: vom ERP- über das Manufacturing Execution System bis hin zur Produktionssteuerung. Wesentliches Merkmal der neuen Lösung ist die durchgängige Integration aller Systeme und Datenströme über Unternehmensgrenzen hinweg. Ein besonders innovativer Aspekt: Die Kundschaft von CR3, darunter große deutsche Kaffeemarken, sind über standardisierte Schnittstellen digital angebunden. So erhalten sie in Echtzeit Zugriff auf Informationen zum Wareneingang, Lagerbestand oder zur laufenden Produktion und können ihre Prozesse steuern, als ob diese in der eigenen Produktion stattfänden.
Energieeffizienz als wirtschaftlicher Hebel
Neben einer verbesserten Transparenz und Prozesssicherheit hat die durchgehende Digitalisierung CR3 auch konkrete wirtschaftliche Vorteile gebracht: Der Energieverbrauch ließ sich durch eine integrierte Produktionsplanung signifikant senken. Früher führten batchbasierte Prozesse zu hohen, kurzfristigen Dampfverbräuchen. Heute sorgen mathematische Optimierungsmodelle für eine gleichmäßigere Auslastung der Anlagen. Drei bis vier Prozent an Energiekosten spart das Unternehmen ein, laut Andreas Iken. Was in einem ressourcenintensiven Prozess wie der Kaffeeveredelung erheblich ist. Durch automatisierte Simulationen und Echtzeitanalysen lassen sich die Produktionsprozesse kontinuierlich verbessern.
Change-Management mitdenken
Mindestens genauso wichtig wie die technologische Innovation ist die Akzeptanz der Mitarbeitenden. Als traditionsreiches Unternehmen hat CR3 daher dem Change-Management große Bedeutung beigemessen. Das Projektteam kombinierte klassische Projektmethodik mit agilen Elementen. Während die operative Umsetzung flexibel und in kurzen Zyklen erfolgte, blieb der übergeordnete Fahrplan klar strukturiert. Begleitende Trainings, eine persönliche Ansprechperson und eine transparente Kommunikation halfen, die Belegschaft aktiv in den Wandel einzubinden. „Wir haben die Projekt-geschwindigkeit laufend angepasst, mal langsamer, mal schneller, je nachdem, wie die Organisation mitgekommen ist“, so Iken. Denn nur wenn Mitarbeitende verstehen, warum Veränderungen notwendig sind und erleben, wie neue Tools und Prozesse den Alltag erleichtern, entsteht die Akzeptanz, die ein Projekt langfristig erfolgreich macht.
Zukunftsausblick: Perspektiven der Kaffeeveredelung im digitalen Zeitalter
Die nächsten Entwicklungsschritte in der Kaffeeveredelung werden laut PwC und McKinsey von Trends wie künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeitsmonitoring und der Integration digitaler Plattformen geprägt sein.
KI-gestützte Analysen helfen, Energieverbrauch und Produktionsplanung weiter zu optimieren. Gleichzeitig steigt der Druck, ökologische und soziale Standards transparent nachzuweisen – ein Vorteil für Unternehmen, die diese Möglichkeiten frühzeitig nutzen (PwC, 2022).