Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt
Verwaltungsprozesse werden komplett online abgewickelt, Cloudspeicher ersetzen Archivkeller und Produktionsprozesse werden nicht mehr durchgeführt, sondern aktiv gestaltet und systematisch überwacht. Schon heute beobachten wir tiefgreifende Veränderungen unserer Arbeitswelt durch die Digitalisierung. [1] Gängige Beschäftigungen für mittlere Qualifikationen verschwinden und werden nach und nach durch Stellenprofile mit bisher unbekannten Jobtiteln ersetzt. Unter dem Schlagwort Big Data erfolgt außerdem eine zunehmende Erfassung und Auswertung sämtlicher den Mitarbeiter betreffenden Daten. Arbeitgeber können so Verhalten und Arbeitsleistung einzelner Mitarbeiter oder auch Mitarbeitergruppen kontinuierlich analysieren und beurteilen.
Aufgrund des demografischen Wandels ist die Arbeitswelt der Zukunft zudem durch einen geringeren Anteil an jungen Leistungsträgern, eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und flexible Arbeitsverhältnisse gekennzeichnet. [2] Hierarchien werden flacher und viele Aufgaben werden nicht mehr auf Basis eines Angestelltenverhältnisses durchgeführt, sondern in über Internetplattformen organisierten Netzwerken aus weltweit operierenden „Crowd Workern“. Damit spielen Zeit und Ort der Leistungserbringung keine wichtige Rolle mehr und der Einzelne steht zunehmend im internationalen Wettbewerb.
Gleichzeitig gewinnen neue Methoden des Wissenstransfers und der innovativen Informationsgewinnung und -verarbeitung weiter an Bedeutung. Das weltweit verfügbare Wissen verdoppelt sich alle fünf Jahre. Entscheidungen werden zunehmend auf Datenbasis getroffen und kürzere Innovationszyklen verlangen nach mehr Schnelligkeit und Flexibilität.
Weitreichende Konsequenzen für Mitarbeiter
Für viele Angestellte werden sich durch die Digitalisierung der Arbeitswelt die bisher bekannten Arbeitsgebiete radikal verändern. Der Effizienzdruck wird weiter steigen und das Erhalten von bekannten Strukturen und persönlichen Freiheitsräumen wird schwieriger. Anstelle des Einzelerfolgs wird zukünftig das kollektive Wissen treten und die gemeinsame Lösung spezifischer Problemstellungen.
Um diese neuen Herausforderungen erfolgreich zu meistern, wird eine vermehrte abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Vielfalt im Denken der Mitarbeiter unabdingbar. Damit das volle Potenzial eines jeden Mitarbeiters für den Unternehmenserfolg genutzt werden kann, müssen diese in der neuen Arbeitswelt offen sein gegenüber der Weitergabe von individuellem Wissen und kollektiven Lernprozessen. [3] Jung und Alt müssen genauso an einem Strang ziehen wie unterschiedliche Hierarchieebenen und dabei mehr Eigenverantwortung im unternehmerischen Problemlösungsprozess sowie für ihre individuelle Work-Life Balance übernehmen. Dabei spielen vor allem die gemeinsame Qualifizierung unterschiedlicher Generationen und Life-long-Learning eine besondere Rolle.
Neue Anforderungen an Führungskräfte
Auch die Rolle der Führungskräfte verändert sich durch die zunehmende Digitalisierung erheblich. Die Entscheidungsfindung wird zukünftig stärker am Problem orientiert sein und an die Stelle der individuellen Machtposition treten. Auch hier wird der Effizienzdruck ansteigen und Führungskräfte müssen Wege finden, um Entscheidungen schneller zu treffen. Dabei muss künftig der gemeinsame Erfolg aller Mitarbeiter in das Zentrum ihres Handelns rücken und nicht die bloße Erreichung ihrer individuellen Ziele. [4] Die Führungskräfte müssen lernen zu führen, ohne sich auf die Wirkzusammenhänge von Hierarchien zu verlassen. Eigenschaften wie Kooperationsfähigkeit, Offenheit und Fehlertoleranz werden somit wichtiger denn je. Im Extremfall wäre es sogar denkbar, dass Führung keine auf Dauer vergebene Position mehr einnimmt, sondern eine Funktion auf Zeit, die von verschiedenen Mitarbeitern sukzessive ausgefüllt wird (Shared Leadership). Denn nur so erhält der Mitarbeiter, welcher mit einer konkreten Herausforderung konfrontiert ist, den nötigen Freiraum für die Lösung seiner Aufgabe. Gute Führung zeichnet sich dann durch Wertschätzung anderer und das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse aus. Auch Führungskräfte müssen bereit sein, ihr Wissen z.B. im Rahmen von Gruppenarbeit, Job Rotation oder systematischem Coaching über Abteilungsgrenzen hinweg zu transferieren.
Nachhaltiges Management als Schlüssel für eine erfolgreiche, digitale Arbeitswelt
Anstelle von Nachhaltigkeit orientiert sich das gegenwärtige Managementhandeln jedoch auch heute oft noch ausschließlich an monetären Zielen und ist geprägt am „Profitability“- Ansatz der 90er Jahre. Durch Anreizsysteme mit hohen Individualboni fördert dieser in der Praxis interne Konkurrenz, Silodenken und für eigene Interessen instrumentalisiertes Herrschaftswissen. Außerdem verhindern verkrustete Hierarchien und unflexible Arbeits- und Entscheidungsstrukturen in den Unternehmen die Steigerung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter und die Kooperationsfähigkeit untereinander.
Um in der digitalisierten Arbeitswelt zu bestehen, ist ein fundamentaler Kulturwandel notwendig, der Vertrauen und Eigenverantwortung fördert. [5] Damit dieser gelingt, sollte nachhaltiges Wachstum ins Zentrum des Handelns rücken. Managementparadigmen wie Coporate Social Responsibility (CSR) sind hierfür ein wichtiger Erfolgsfaktor. [6] Denn aus der CSR-Perspektive betrachtet spielen die Mitarbeiter eine herausragende Rolle für den Unternehmenserfolg. Zum einen sind sie Träger der Verantwortung in den täglichen unternehmerischen Prozessen, zum anderen sind sie Mitgestalter der Unternehmenskultur und -strategie. Ihr Wissen und ihre Fähigkeiten sind die Basis einer nachhaltigen Unternehmensführung. Soziale, ökologische und wirtschaftliche Wirkungen werden in den Managemententscheidungen gleichermaßen berücksichtigt. Davon profitieren sowohl unsere Gesellschaft als auch die Unternehmen.
Durch ein neues integratives Denken werden technologische und menschliche Perspektiven nicht losgelöst voneinander, sondern wechselseitig verschränkt analysiert. Damit wird das klassische Trade-off-Denken aufgelöst und ein neuer Blick auf die Digitalisierung ermöglicht, der neue digitale Lösungen für bestehende gesellschaftliche Herausforderungen systematisch fördert. Die folgende Abbildung zeigt die vier Grundstrategien einer verantwortungsvollen Digitalisierung:
Abbildung 1:
Verantwortungsmatrix der Innovation
1. Veränderungen, die aus gesellschaftlicher Sicht gewünscht und technisch möglich sind, sollten skaliert werden.
2. Sozial erwünschte Veränderungen, die technisch noch nicht umsetzbar sind, sollten nicht komplett von der Agenda gestrichen werden.
3. Innovationen, die weder gesellschaftlich gewünscht, noch technisch umsetzbar sind, sollten beobachtet werden, um nicht durch plötzliche Veränderungen überrascht zu werden.
4. Für die technisch möglichen Entwicklungen, die sich negativ auf die Gesellschaft auswirken, sollten rechtzeitig Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen positiven gesellschaftsfähigen Fortschritt sichern.
Nachhaltiges Management in der Praxis
Obwohl einige Entscheidungsträger CSR noch immer als rein defensives und limitierendes Konzept verstehen, welches die ökonomische Leistungsfähigkeit bremst, setzen immer mehr Unternehmen auf innovative Geschäftsmodelle, die sowohl unternehmerischen als auch gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. [7] Leuchtmittelhersteller verleihen innovative LED-Solarleuchten an afrikanische Haushalte mit dem Ziel, neue Märkte zu entwickeln und gleichzeitig Dörfer ohne Stromversorgung mit Licht zu versorgen. Durch die kostengünstige Bereitstellung von neuen Medikamenten in Entwicklungsländern helfen Pharmaunternehmen den Menschen vor Ort und schaffen gleichzeitig eine Basis für die Entwicklung zukünftiger Gesundheitsmärkte. Aber auch in anderen Branchen steigt der Stellenwert der Nachhaltigkeit:
So arbeiten internationale Unternehmen wie Intel derzeit beispielsweise unter dem Schlagwort „Soziale Innovation“ und geben so ihren Innovationsprozessen eine Richtung, die sowohl der Gesellschaft als auch dem Unternehmen nützt. [8] Die Bayer AG berichtet in ihrem integrierten Geschäftsbericht transparent über die Themenfelder „Profitabilität, Innovation und Nachhaltigkeit“ und zeigt so, dass eine ganzheitliche Unternehmensentwicklung notwendig ist, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. [9] Des Weiteren erfindet BMW mit dem Projekt „i“ und neuen Mobilitätskonzepten wie dem „Carsharing“ die Mobilität neu und gibt so innovative Antworten auf die Fragen der Individualmobilität der Zukunft. [10]
Diese Neuausrichtung der Unternehmensstrategien verändert auch die Arbeitswelt nachhaltig, indem sie neuen Sinn (engl. Purpose) für die Arbeit schafft und Mitarbeiter anregt, sich aktiv einzubringen und mit kreativen Ideen das bestehende Geschäftsmodell nachhaltig weiterzuentwickeln. Die Neuausrichtung der Geschäftsmodelle führt so zu erhöhter Motivation, steigender Employer-Attraktivität und unternehmerischer Glaubwürdigkeit. Insbesondere die vielumworbenen jungen Leistungsträger wollen in einer an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierten Arbeitswelt wirken und sind höchst motiviert, sich und ihr Wissen in CSR-orientierten Geschäftsmodellen einzubringen.
Fazit
Eine an Nachhaltigkeit orientierte Führungs- und Managementkultur werden daher in Zukunft unverzichtbar werden, um in einer immer stärker digitalisierten Welt sowohl unternehmerisch, als auch gesellschaftlich erfolgreich zu sein. Soziale, wirtschaftliche und ökologische Perspektiven müssen miteinander verschränkt werden, um die digitale Transformation unserer Gesellschaft sowohl technisch, wirtschaftlich als auch menschlich-sozial zu meistern. Was daher dringender denn je erscheint, ist ein systematischer Diskurs zwischen der aktuellen CSR-Diskussion und den Innovationsdiskurs rund um die Digitalisierung und Industrie 4.0. Nur so können die Arbeitswelten und die Geschäftsmodelle von morgen zugleich effizient und effektiv sowie im Einklang mit den menschlichen Bedürfnissen gestaltet werden.
LITERATUR
[1] Spieß, Brigitte; Fabisch, Nicole: CSR und neue Arbeitswelten – Perspektivwechsel in Zeiten von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Industrie 4.0. 1. Auflage. Berlin. 2017. Springer Gabler.
[2] Doyé, Thomas: CSR und Human Resource Management – Die Relevanz von CSR für modernes Personalmanagement. 1. Auflage. Berlin. 2016. Springer Gabler.
[3] Schram, Brunhilde; Schmidpeter, René: CSR und Organisationsentwicklung. 1. Auflage. Berlin. 2017. Springer Gabler.
[4] Hänsel, Markus; Kaz, Karl: CSR und gesunde Führung – Werteorientierte Unternehmensführung und organisationale Resilienzsteigerung. 1. Auflage. Berlin. 2016. Springer Gabler.
[5] Hildebrandt, Alexandra; Landhäußer, Werner: CSR und Digitalisierung – Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. 1. Auflage. Berlin. 2017. Springer Gabler.
[6] Schmidpeter, René: CSR als betriebswirtschaftlicher Ansatz. In: Schneider, A.; Schmidpeter, R., Corporate Social Responsibility. 2. Auflage/2015. Berlin. Springer Gabler. Seite 1229-1238.
[7] Absatz: Nachhaltiges Management in der Praxis basiert auf den Ausführungen in: Schmidpeter, René: Wandel der Wirtschaft durch Globalisierung und Digitalisierung. In Bettina Lorentschitsch (Hrsg.): Werte im Digitalen Wandel. 2016. Julius Raab Stiftung. Wien. Seite 29-41.
[8] eigene Abbildung. Rene Schmidpeter. 2016.
[9] Osburg, Thomas (2013) Social Innovation to Drive Corporate Sustainability. In: Osburg, Thomas; Schmidpeter, René: Social Innovation. 1. Auflage. Berlin. Springer. Seite 13-22.
[10] o. V.: Integrierter Geschäftsbericht der Bayer AG. www.geschaeftsbericht2015.bayer.de 17.01.2017
[11] o.V.: Mobilität der Zukunft. www.bmw.de 17.01.2017