Biotech Excellence mit KI
Ein Kommentar von August-Wilhelm Scheer, Herausgeber IM+io

(Titelbild: © Adobe Stock | 1034832146 | Isuru )
In der deutschen Wirtschaft stehen die Zeichen auf anhaltende Rezession. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass wir uns vor allem mit den Herausforderungen der sicher notwendigen Transformation bestehender Industrien beschäftigen. Dabei vernachlässigen wir andere wichtige, zukunftsorientierte Felder. Wir fokussieren uns viel zu wenig auf jene Branchen, die, weil jung, softwaregestützt und ohne etablierte Strukturen, eine hohe Innovationskraft haben. Ein Paradebeispiel dafür ist das Segment der Biotechnologie. Hier haben wir unstreitig eine hervorragende Forschungslandschaft. Neben Partnern in der medizinischen und industriellen Biotechnologie verfügt Deutschland zudem (noch) über erfolgreiche Pharma- und Chemieunternehmen. Die Chancen, die sich nun aus der Verknüpfung von Künstlicher Intelligenz und Datennutzung mit biotechnologischen Entwicklungen ergeben, eröffnen vielfältige Möglichkeiten für neue Entwicklungssprünge. Von der Simulation klinischer Studien über die Auswertung großer Datenmengen bis hin zur Entwicklung personalisierter Medikamente bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hohes Potenzial für biowissenschaftliche Innovation. Die Frage ist, ob Forschung, Unternehmen und auch die Politik alle wichtigen Schritte tun, um die Gunst der Stunde zu nutzen. Ob es gelingt, Biotechnologie-Hubs mit internationaler Strahlkraft auf- und auszubauen.
Noch treibt auch Insider die Sorge um, dass dieses Potenzial nicht genug erkannt und entsprechend gefördert wird. Ein Grund dafür ist die Gründerszene. In einem so zukunftsweisenden Bereich wie dem der Biotechnologie sind Start-up Unternehmen wichtige Innovationstreiber. Hemmschuh ist hier zunehmend die Frühphasenfinanzierung zu Beginn der Unternehmensgründung. 2023 wurde Kapital in Höhe von 203 Millionen Euro von Biotech-Start-ups in der Frühphase eingesammelt, was den geringsten Wert der vergangenen sechs Jahre darstellt. Insgesamt gab es 18 Investitionsrunden in der Frühphase, das durchschnittliche Transaktionsvolumen schrumpfte auf 11 Millionen Euro und lag damit deutlich unter dem 6-Jahres-Durchschnitt von 21 Millionen Euro. Diese Entwicklung allein ist beunruhigend.
Auch sollte ein deutlich stärkerer Fokus auf den Technologietransfer von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in die unternehmerische Umsetzung gelegt werden. Dazu gehören Kooperationen mit der Industrie, Patentanmeldungen und grundlegende Anreize für die kommerzielle Verwertung von Forschungsergebnissen. Hier sind die Forschungseinrichtungen und Hochschulen auch selbst gefragt. Es könnten deutliche Anreize gesetzt werden, wenn Berufungen nicht grundsätzlich auf der Basis von publizierten Ergebnissen, sondern auch von deren praxisbezogener Verwertung abhingen.
Wie es gehen kann, zeigt sich exemplarisch beim BioPharma Cluster South Germany: Das Cluster ist ein weltweit erfolgreicher Biotech-Standort und versteht sich als Herzstück der biopharmazeutischen Entwicklung und Produktion. Man hat sich zum Ziel gesetzt, eine innovationsgetriebene Umgebung für die Forschung, Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika und Therapien zu entwickeln. Dabei profitiert man von der räumlichen Verdichtung von grundlagenorientierten sowie angewandten Forschungseinrichtungen und global erfolgreichen Unternehmen, die alle Teile der biopharmazeutischen Wertschöpfungskette abbilden. Zum Cluster gehören unterdessen mehr als 100 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der Biotechnologie, der Pharmazie und der Medizintechnik. Dank der Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gelingt es, innovative Forschung erfolgreich in die Anwendung zu bringen.
Die Biotechnologie-Branche ist hochinnovativ, in vielen Bereichen gründergetrieben und kapitalintensiv. Deutschland bietet die Grundvoraussetzungen dafür, in diesem Feld eine Spitzenposition einzunehmen. Voraussetzung ist allerdings, dass aus Spitzenforschung auch Spitzenprodukte entstehen, die über strategisch durchdachte Planungs- und Vertriebsansätze internationale Märkte erobern. Die erfolgreiche Kommerzialisierung bietet nicht nur die Chance auf ein neues Standbein für die Exportnation Deutschland, sie ermöglicht zugleich auch künftige kapitalintensive Forschung und Gründung. Wir brauchen Technologietransfereinheiten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die dafür sorgen, dass die Forschung nicht im Elfenbeinturm eingeschlossen wird. Und dies gilt nicht nur für die Biotech Branche. Dies gilt überall dort, wo wir mit innovativen Forschungsergebnissen neue Märkte erschließen können. hmen.