„Wir wollen die Roboterprogrammierung demokratisieren!“
Im Gespräch mit Georg Püschel, Wandelbots
Kurz und bündig
Das Dresdner Start-up Wandelbots hat sich zum Ziel gesetzt, neue Formen der Mensch-Maschine-Kollaboration zu entwickeln. Auch und gerade im Bereich Industrie 4.0 sollen IIoT-Anwendungen helfen, die Fertigung intelligenter zu steuern. Dafür hat das junge Unternehmen eine Methode entwickelt, Roboter mit Hilfe intelligenter Kleidung zu trainieren und zu steuern.
Das Dresdener Start-up Wandelbots geht neue Wege, um die Mensch-Roboter-Kollaboration effizienter zu gestalten und wird dabei zum menschlichen Trainer für die digitalen Kollegen. Über den ganz neu gedachten Einsatz von Smartwear und die Ziele des Unternehmens haben wir mit dem CTO des Unternehmens, Georg Püschel, gesprochen. Er leitet gemeinsam mit CEO Christian Piechnick das junge Unternehmen.
IM+io: Herr Püschel, worin liegt der Mehrwert Ihres Ansatzes, Roboter nicht zu programmieren, sondern von Menschen ‚teachen‘, also trainieren, zu lassen und welche Technologie liegt dahinter?
GP: Wir teachen Roboter über Körpersensorik, über eine Jacke, in der Sensoren verbaut sind, die Daten an unsere Software übermitteln. Die Daten werden direkt auf den Roboter übertragen, sodass der Roboter den Menschen im Prinzip nachahmen kann. Dadurch kommt man sehr schnell zu einem ersten Automatisierungsprozess: die Daten werden aufgezeichnet, nachbearbeitet und sind dann sehr schnell ausführbar. Man kann so innerhalb von einer halben Stunde einen ersten Prototypen herstellen. Das spart deutlich Kosten, denn die Anwendungsentwicklung für Roboter ist im Verhältnis zur Hardware deutlich teurer, man hat 50 Prozent Hardwarekosten und 50 Prozent Anwendungskosten. Bei herkömmlichen Verfahren wird es vor allem dann richtig teurer, wenn man den Roboter um- oder nachprogrammieren muss. Zudem sind die Experten für eine solche Programmierung sehr rar.
IM+io: Wie genau muss man sich den konkreten Trainingseinsatz vorstellen?
GP: Man zieht sich die smarte Jacke an und verfügt über eine App, mit der man auf unser System, die „Wandelbox“, zugreifen kann und das den Roboter live steuert. Man startet die Anwendung mit der zu vermittelnden Bewegung und der Roboter macht diese Bewegung live mit. Das wird aufgezeichnet, abgespeichert und kann im Nachhinein noch feinjustiert werden. Das ist notwendig, um die Präzision zu erreichen, die von einem Roboter erwartet wird, der in seiner Beweglichkeit ja anders aufgestellt ist als der Mensch. Das Feinjustieren erfolgt unmittelbar über das Frontend der Wandelbots Software.
IM+io: Wie sind Sie zunächst auf die Idee zu dieser Technologie gekommen?
GP: Wir waren mehrere Doktoranden am Software Lehrstuhl der TU Dresden. Uns ist es dort schwer gefallen, die Forschungsergebnisse, die wir produziert haben, einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dann sind wir auf die Möglichkeit gestoßen, die Funktionsweisen unserer Softwarearchitekturen mit Robotern vorzuführen und so anschaulich zu machen. So sind wir überhaupt darauf gekommen, Roboter einzusetzen.
IM+io: Ist so auch die Gründungsidee entstanden?
GP: Letztlich schon, denn 2016 waren wir Teilnehmer beim KUKA Innovation Award, einem Wettbewerb, bei dem das Unternehmen KUKA Roboter für Projekte von Forschungsgruppen zur Verfügung stellt, die besten auszeichnet und dann mit auf einen Messestand nimmt. Diese Chance haben wir bekommen und unsere Präsentation hat dann gleich eine große Nachfrage generiert. Die Fragen der Standbesucher danach, wo man die Software kaufen kann und was sie kostet, waren so etwas wie ein Startschuss für die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen. Zunächst haben wir versucht, das Unternehmen über organisches Wachstum aufzuziehen, das hat aber nicht richtig funktioniert, weil das einfach zu lange dauert. Deswegen haben wir Venture Kapital über einen großen Investor aus Berlin aufgenommen und 2017 das Unternehmen formell ausgegründet. Jetzt sind wir schon in einer weiteren Finanzierungsrunde, so dass wir sehr stark und schnell wachsen können. Wir waren 2018 schon bei 20 Mitarbeitern und 2019 sollen es 50 werden.
IM+io: Wie soll am Ende Ihr Geschäftsmodell aussehen?
GP: Wir selbst sind im Prinzip ein reines Softwareunternehmen. Das Ziel ist, Kunden in die Lage zu versetzen, ihre Roboter selbst zu trainieren. Wir bieten Kunden die Software an, die können diese bei sich installieren. Gegebenenfalls können Kunden auch die Sensoren für die Smartwear über uns beziehen, wobei wir keine eigenen Sensoren herstellen. Das sind Produkte von Drittanbietern, aber wir vertreiben sie, weil Kunden gerne alles aus einer Hand beziehen. Das Ziel ist, dass unsere Kunden den Weg des Robotertrainings selber, ohne unsere Unterstützung, gehen können. Das bezieht sich sowohl auf Roboter in der Produktion, also meist einarmige Roboter, aber auch auf zweiarmige Roboter, wie sie bei der Mensch Roboter-Kommunikation (MRK) zum Einsatz kommen.
IM+io: Gibt es denn im Umfeld von MRK einen besonderen Mehrwert der Wandelbots Technologie?
GP: Wir fahren in unserem Unternehmen zweigleisig. Zum einen geht es um das Teaching der reinen Produktionsroboter, das zweite Gleis heißt MRK Funktionalität. Das erproben wir zurzeit vor allem bei Volkswagen. Die Automobilhersteller sind besonders daran interessiert, dass man MRK Anwendungen baut. Dort kann man die Smart Wear sehr gut dafür einsetzen, um den Roboter auf den menschlichen Mitarbeiter, der mit dem Roboter kooperiert, reagieren zu lassen. So kann man zum Beispiel einen Prozess aufrufen, der signalisiert, dass der Mitarbeiter sich nähert. Der menschliche Kollege kann auch eine bestimmte Körperhaltung annehmen und so den Roboter damit triggern etwas Bestimmtes zu tun. Man kann so auch Überwachungen einsteuern, so dass der Mensch sicher im Umfeld des Roboters arbeiten kann.
IM+io: Wie sprechen Sie mit Ihrem Portfolio heute potenzielle Kunden an?
GP: Derzeit haben wir das Glück, dass der Zulauf zu uns aus der Marktperspektive so stark ist, dass wir keine aktive Werbung machen müssen. Wir haben relativ große Kooperationspartner für Pilotierungen an der Hand, einige von ihnen sind auch schon zu Kunden geworden. Dazu gehören Volkswagen, Infineon oder auch Midea, ein chinesischer Haushaltsgerätehersteller. Seit Anfang 2019 verkaufen wir an unsere Kunden auch Softwarelizenzen, damit können diese unsere Technologie schon selber einsetzen. Bis Ende 2018 befanden wir uns noch in der reinen Pilotphase, aber bereits mit garantierten Abnahmeverträgen. Das hat uns Mut gemacht, weiter voranzugehen! Die Kunden, die wir uns eigentlich vorstellen, sind aber nicht die Riesenkunden, die wir bis jetzt haben. Derzeit arbeiten wir natürlich noch mit den großen Anwendern zusammen, weil wir dort unsere Software pilotieren können, weil sich dort in der Produktion diese Anwendungen sehr oft wiederholen. Aber eigentlich wollen wir in den KMU Markt eindringen. Das heißt, wir wollen diejenigen ansprechen, die jetzt davor zurückschrecken sich Roboter anzuschaffen, weil die Expertise, die gebraucht wird, um Anwendungen dann wirklich für die eigene Produktionsstrecke zu entwickeln, viele abschreckt. Für einen kleinen Mittelständler, der die Produktion kleiner Serien automatisieren möchte, lohnt sich eine eigene komplexe Softwareentwicklung und -programmierung für einen Roboter nicht. Deswegen sind KMU für uns der strategische Markt, den wir bedienen wollen. Daher bearbeiten wir auch unterschiedliche Roboteranwendungsklassen. Roboter können viele verschiedene Arbeiten machen, denn sie sind im Kern Generalisten. Was wir im Moment bedienen ist vor allem ‚assembly‘ und ‚pick und place‘. ‚Assembly‘ bedeutet, dass man Dinge zusammenbaut, ‚pick and place‘ heißt, man bewegt ein Objekt von einem Standort zum anderen. Später wollen wir diese Klassen von Anwendungen noch ausbauen. So könnte man in Richtung punktschweißen gehen, oder sortieren, oder ähnliches. Jede neue Anwendung erfordert dann natürlich weitere Spezialfunktionen, die wir jetzt noch nicht haben, aber sie stehen auf unserer Roadmap. Letztlich erklärt sich so auch die Wahl unseres Firmennamens Wandelbots. Wir haben lange darüber nachgedacht, welche Namen wir uns geben, nicht zuletzt auch, weil wir ein internationales Unternehmen sind. Dabei glauben wir, dass die zusammengesetzten Wörter aus englisch und deutsch insgesamt gut ankommen. ‚Wandel‘ steht dafür, dass unsere Software sehr flexibel und anpassbar ist. Man kann ganz schnell neue Dinge mit einem Roboter machen, weil die Programmierung mit uns schnell und einfach ist. Wir reden also von wandelbaren Robotern oder wandelbarer Robotertechnik.
IM+io: Wo sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?
GP: Grundsätzlich ist unser Leitspruch, dass wir die Roboterprogrammierung demokratisieren wollen. Wir haben eine Art gesellschaftlichen Anspruch, den wir erfüllen wollen. Rein aufs Business bezogen wollen wir, dass unser Ansatz gut skaliert, dass wir auf eine große Anzahl von Mitarbeitern wachsen. Aber wir wollen auch ein Start-up sein, dass sich absetzt von der Masse, dadurch dass es die Venture Kapital getriebene Idee auch erfüllt, dadurch dass wir nach dem 10x Prinzip exponentielles Wachstum erreichen. Technologisch wollen wir die Plattform werden, die in den nächsten fünf Jahren industriell zum Standard wird. Das ist unser Anspruch und wir sind auf einem guten Weg. Das Ziel ist ein blühendes Unternehmen. Jetzt geht es aber erst einmal darum, schwarze Zahlen zu schreiben und am Markt exponentiell zu wachsen.
IM+io: Wie sieht es bei diesen ehrgeizigen Plänen denn mit dem Wettbewerb aus, der Ihnen gegebenenfalls das Leben schwer machen könnte?
GP: Akademisch gesehen gibt es verschiedene Ansätze, die so etwas, was wir machen, möglich werden lassen. Aber die sind nie ausgegründet worden, nie zu Unternehmen geworden. Dann gibt es technologische Alternativen zu uns, etwa optische Ansätze mit Stereo-Kameras, die dann die Daten auf den Roboter übertragen, davon wollen wir uns aber absetzen. Diese Technologie ist teuer unflexibel und immobil. Im Ergebnis gibt es kein Unternehmen, das genau das tut, was wir machen, also Teachen über Smartware. Keiner hat daraus ein Softwareprodukt gemacht, mit dem man das Training von Robotern ‚out of the box‘ machen kann. Wie haben auch ein paar KI-Elemente drin, aber KI kann nicht alles. In vielen Industrienationen wird über einen Fachkräftemangel geklagt, wenn es um Roboterprogrammierung geht. Da können wir mit unserer Software Abhilfe schaffen, rund um den Globus!