So klein und doch schon Plattformunternehmen – Okinlab bildet mit seinen insgesamt zehn Mitarbeitern die Schnittstelle zwischen Endkunden und einer großen Anzahl von Zulieferern: Die einen liefern das Holz für die Okinlab Möbel, die anderen produzieren sie als kundenindividuelle Einzelstücke im Auftrag und nach dem patentierten Designprinzip von Okinlab. Die Geschäftsidee ist einfach und kompliziert zugleich. „Menschen wünschen sich individuelle Produkte, zum Beispiel für sie und ihre ganz besonderen Bedürfnisse angefertigte Möbel“, erklärt Geschäftsführer Alessandro Quaranta. „Normalerweise sind individuell designte Möbelstücke aber sehr teuer, wir können jedoch unsere Designerstücke zum Preis gehobener Massenproduktion anbieten.“ „Wir haben mit ‚form.bar‘ ein internetbasiertes Designtool geschaffen, an dem jeder Kunde aus einer Grundpalette an Regalen, Sideboards, Tischen und Ähnlichem sein individuell geformtes und in der Größe angepasstes Stück entwickeln kann“, fügt Co-Geschäftsführer Nikolas Feth hinzu. „Das Spannende dabei ist, dass während des Designvorgangs bereits digital die technischen Daten für die Produktion mitgeschrieben werden und so ein exakter Kostenkalkulator mitlaufen kann. Mehrere Prozesse laufen durch einen ausgeklügelten Algorithmus auf diese Weise parallel ab. Aufwändige Abstimmungswege entfallen.“ Die nachgelagerten kleinen und mittelständischen Schreinereien aus dem Okinlab-Netzwerk erhalten dann das Möbelstück als digitalen Datensatz. Die durchgängig zusammensteckbaren, unverleimten und unverschraubten einzelnen Furnierschichtholzteile sind dann optimal auf der Materialfläche so angeordnet, dass kaum Verschnitt entsteht, wenn die CNC-Fräse der Tischlerei softwaregesteuert jene Teile aussägt. Im Prinzip greift hier dann das Prinzip des analogen Zuschnittmusters eines Schneiders. „Wir versuchen, ein möglichst breites Netzwerk an Schreinereinen aufzubauen. Grundvoraussetzung ist, dass man über CNC-Fräsen verfügt und zugleich sein Handwerk, nämlich das Nachschleifen und polieren der Kanten und Rundungen, beherrscht“, so Quaranta. „Zugleich können wir so mittelständischen Unternehmen, die, um konkurrenzfähig zu sein, zunehmend teure CNC-Fräsen anschaffen müssen, bei der Auslastung ihrer Maschinen helfen und dabei ohne lange Lieferketten sehr nah beim Auftrag gebenden Kunden sein.“
„Wir entwickeln alles experimentell – es gibt keine Blaupause!“
Okinlab wagt sich aber auch an große Projekte, wie die Ausstattung von Geschäften oder ganze Dachkonstruktionen für den Innenraum. Solche Aufträge ergeben sich dann ganz klassisch aus dem stationären Vertrieb heraus, doch der Entstehungsprozess des Designproduktes ist grundsätzlich derselbe. Allerdings wird das Grunddesign dann individuell von Architekt Nikolas Feth und seinem Team entworfen – und so hat auch die ganze Geschichte des Start-up angefangen.
Nikolas Feth hatte einen Lehrauftrag an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und das Angebot einer Juniorprofessur, Betriebswirt Alessandro Quaranta führte ein Modelabel mit Herrenoberbekleidungs-geschäften und arbeitete bei der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer der Saar Uni mit der Perspektive, dort eine Leitungsposition einnehmen zu können. Ihn fragte man, ob er − für kleines Geld – die Konzeption des neuen Fanshops der Universität des Saarlandes übernehmen und auch praktisch umsetzen könne. Zusammen mit seinem Freund und Schulkameraden Nikolas Feth nahm er die Herausforderung an und die erste digitale, nach dem form.bar-Prinzip designte Ladenausstattung entstand. Dabei fingen die beiden Feuer und beschlossen, das Abenteuer Selbständigkeit anzugehen. „Uns hat es einfach gereizt, die entstandenen Ideen weiterzuentwickeln, frei und ohne, dass uns jemand die Richtung vorgibt oder sich in das Konzept einmischt“, betont Feth. Der Start der beiden jungen Familienväter gelang mit einem sogenannten Gründerstipendium aus dem vom BMWi geförderten Programm EXIST und der Unterstützung der vom Saarland getragenen Wagniskapitalgesellschaft SWG, die auch (Minderheits-) Anteile am Unternehmen erwarb. Die beiden Geschäftsführer sind sich einig, dass eine solche Finanzierungsinfrastruktur die zwingende Voraussetzung dafür ist, ein Start-up nicht nur zu gründen, sondern auch die Geschäftsidee zum Erfolg zu führen. Kürzlich beteiligte sich auch die Scheer Holding mit einem kleinen Prozentsatz. Hier ging es neben der grundsätzlichen Absicht, vielversprechende Start-ups zu fördern auch darum, das Know-how der Unternehmensgruppe im Bereich Industrie 4.0 mit Blick auf die Fertigungsindustrie zu erweitern.
„Erfolg wäre eher eine Chance!“
Okinlab gewann mittlerweile mehrere Awards und auf der Website sind Referenzen namhafter Kunden aufgeführt. Auch wenn das Ganze nach einer echten Erfolgsstory aussieht, waren und sind noch viele Hürden zu nehmen. Eine Herausforderung liegt darin, die richtigen Mitarbeiter zu finden – jene, die fachlich hochqualifiziert und zudem bereit sind, das Abenteuer Start-up zu wagen. „Ganz wichtig ist, dass die Kollegen menschlich in das kleine Team passen und auch die manchmal chaotischen Phasen unter enormem Zeit- und Leistungsdruck mittragen. Unsere enge Anbindung an die Universitätsszene ist aber sehr hilfreich, um die passenden Bewerber ansprechen zu können. Unterm Strich dürfen wir uns keine Nachlässigkeiten erlauben, sonst scheitert das Gesamtprojekt“, so Quaranta. „Aber wir schauen grundsätzlich mit Optimismus nach vorne und lassen uns nicht von unserer Vision abbringen. Wir hinterfragen und erweitern ständig unser Konzept und müssen zugleich sicherstellen, dass die Finanzierung gesichert ist.“ Derzeit sind es acht Mitarbeiter, die die Vision der beiden Gründer engagiert mittragen, darunter IT-Spezialisten, Architekten und auch Betriebswirte. Auf die Frage, wie man der Gefahr begegnen will, bei längerfristig gesichertem Erfolg ein ganz normales Unternehmen zu werden, gibt es eine klare Antwort. „Der Zuwachs an Mitarbeitern ermöglicht eine effiziente Strukturierung des operativen Geschäfts und bietet gleichzeitig die Chance, systematisch Zeit zu schaffen, die wir und das Team wieder nutzen können, um unsere Ideen weiterzuentwickeln, unserem Geist freien Raum und aus vielem, was jetzt noch Vision ist, Realität werden zu lassen“. Alessandro Quaranta, der schon jetzt die Internationalisierung des Unternehmens im Blick hat, ist sich ganz sicher, nicht der Gefahr des Innovator’s Dilemma zu erliegen und nicht die nächste Innovation zu verschlafen, weil die aktuelle erfolgreich ist. Nachahmer fürchtet man nicht, weil man flinker ist und damit dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus sein will.
OKINLAB, das Laboratorium für Architektur und Design, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Architektur, Design, Informatik und Forschung. OKINLAB bietet eine hohe Expertise im Bereich digitaler Planungs-, Visualisierungs- und Fertigungsmethoden. Die Interdisziplinarität und der Einsatz modernster digitaler Entwurfs- und Fertigungsmethoden ebneten den Weg für die innovative 3D-Möbel-Designsoftware form.bar. Interessierte können nun erstmalig ihre Möbel nach ihren eigenen Vorstellungen entwerfen und an die individuelle Ergonomie anpassen. Die mathematische Form-Optimierung und die Berücksichtigung der Fertigungsspezifikationen schon während des Designs ermöglichen die automatisierte Herstellung mittels CNC-Fräsen. form.bar erfasst den gesamten Prozess der Möbelherstellung, vom Design bis zur Produktion, in einer einzigen Webanwendung.