Repair Culture für Bauwerke:
Diagnostik, die tief unter die Oberfläche reicht
Jens Memmesheimer, Jöckel Innovation Consulting GmbH
(Titelbild: © Bild erstellt mit ChatGPT )
Kurz und Bündig
Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) ist Deutschlands wichtigstes themenoffenes Förderprogramm für kleine und mittlere Unternehmen. Es unterstützt Forschungs- und Entwicklungsprojekte, vor allem in Kooperation mit Forschungseinrichtungen. 88 Prozent der 2023 geförderten Projekte waren Kooperationsvorhaben. Das Innovationsnetzwerk „DenkmalpflegeAM“ zeigt, wie aus Ideen marktfähige Lösungen entstehen: vier bewilligte Projekte, darunter 3D-gedruckte Denkmalziegel und KI-gestützte Gebäudediagnostik – ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft.
Eine Idee entsteht selten auf Knopfdruck. Sie wächst – aus Beobachtungen, Gesprächen, Zufällen. Und manchmal bleibt sie genau dort stecken: in Notizen, Skizzen oder Schubladen. Wenn sie jedoch auf die richtigen Partner, Strukturen und Fördermöglichkeiten trifft, kann daraus etwas Greifbares entstehen. Das zeigt ein Netzwerk, das Handwerk, Forschung und Unternehmertum verbindet. Wie wird aus einer guten Idee ein Projekt, das wirklich Wirkung entfaltet?
Viele Unternehmensschubladen sind voller Ideen, Ideenworkshops fördern Neues zutage und manch „kreative“ Künstliche Intelligenz (KI) hilft beim Finden von Ansätzen, die das eigene Geschäft nach vorne bringen können. Wenn vielversprechende Ideen allerdings nicht konkretisiert und letztlich auch realisiert werden, führen sie zu nichts. Im Ideenstatus können Ideen durch ihre Potenziale inspirieren, aber nur in einem praktisch umgesetzten Projekt führen sie zu Ergebnissen, Veränderung und Erfolgen. Manche ungeklärte Frage stellt eine Barriere dar, aufgrund derer viele Ideen nicht umgesetzt werden: Wie wird das Projekt finanziert? Wie die nötigen Personalkapazitäten bereitgestellt werden? Auf welche Weise können die benötigten Kompetenzen in das Projekt eingebracht werden? Auf alle diese offenen Fragen lassen sich individuelle Antworten finden, die zum jeweiligen Unternehmen passen, wenn der Prozess dorthin gut gestaltet und begleitet wird.
Welche Idee ist es wert?
Der gängige Weg zur Auswahl einer Idee ist die Anwendung von Bewertungsmethoden wie Paarvergleich, Nutzwert- oder SWOT-Analyse. Diese Methoden sind nicht falsch; eine gute Idee in einem frühen Stadium als solche zu verifizieren, ist wichtig. Wichtiger ist allerdings die Frage, welchen Zweck die Idee verfolgt. Für Ideen, die auf eine wirklich innovative Entwicklung abzielen, reichen diese Methoden allein nicht aus. Soll der Bereich der inkrementellen Weiterentwicklung verlassen werden, stehen zunächst andere Ansätze im Vordergrund. Das Ziel hinter der Realisierung innovativer Ideen ist ein Vorsprung vor Wettbewerbern. Bei gelungener Umsetzung soll zum ersten Mal etwas erreicht werden, was von niemandem ohne erheblichen Aufwand ebenfalls umgesetzt werden kann. Es geht um neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen, die in ihrer Wirkung auf dem Markt einen Unterschied machen. Um solche Ideen zu identifizieren, müssen diese zunächst konkretisiert werden, damit sie greifbarer werden.
Der erste Aufschlag
Zum Konkretisieren einer Idee sollten zunächst strukturgebende Fragen geklärt werden (Abbildung 1). Wenn die Idee noch diffus ist, ist es essenziell, eine Sprachfähigkeit bezüglich ihres Kerns zu erlangen. Ausgehend von diesem Kern lassen sich zumeist weitere Elemente ableiten, die entweder Bestandteil dieser Idee sind oder diesen um zusätzliche Aspekte erweitern. Das systematische Strukturieren ermöglicht es, selbst in dem kreativen Konkretisierungsprozess eine Ordnung zu ermöglichen, ohne gleichzeitig Gedanken durch eine zu enge äußere Struktur zu begrenzen. Damit ein potenzieller Kundennutzen erzielt und ein Wettbewerbsvorteil erarbeitet werden kann, muss sich die angestrebte Lösung deutlich vom Stand der Technik unterscheiden. Wenn Lösungen nicht neu sind, lassen sie sich in vielen Fällen günstiger zukaufen als sie selbst zu entwickeln. Diese Überprüfung des Neuheitsgrades wiederum identifiziert diejenigen Stellen, an denen die neue Idee allein noch nicht ausreicht. Mindestens der Kern der Idee, häufig aber auch die Mehrheit der Teilaspekte, sollten sich als ausreichend neu darstellen.
Der Innovationsgrad kann so durch weiteres Konkretisieren der Idee auch in den Teilaspekten weiter gehoben werden, bis die Bewertung zu einem positiven Ergebnis kommt. Ist dies nicht der Fall, ist von einer Umsetzung in der Regel abzuraten. Während dieses Vorgangs kann man in zwei unterschiedliche Fallen tappen. In die erste Falle begibt man sich, wenn der Kreativitätsprozess zwar einen hohen Innovationsgrad der Idee ergibt, dabei aber der Blick auf den Markt verlorengeht. Der Markt verteilt keine „gut gemacht“-Schulterklopfer und kauft nicht, weil sich andere angestrengt und es wirklich gut gemeint haben. Was nicht ausreichend am Markt orientiert ist, funktioniert später vielleicht technisch, kann aus unternehmerischer Sicht aber nie ein Erfolg sein.
Die zweite Falle schnappt dann zu, wenn die Konkretisierung frühzeitig abgebrochen wird, weil die eigene Idee und deren Teilaspekte nicht neu und innovativ genug sind. Genau hier ist der relevante Arbeitspunkt, die noch nicht ausreichenden Ansätze auf das richtige Level zu heben und einen Unterschied zu machen.
Anhand der als ausreichend neu und relevant identifizierten Teilaspekte der Idee lassen sich nun für die Umsetzung benötigte Kompetenzen ableiten. Wirksame Lösungen für komplexe Probleme erfordern immer häufiger einen systemischen Entwicklungsansatz. Das bedeutet, dass nicht nur einzelne technische Komponenten optimiert werden, sondern das gesamte System – von den beteiligten Akteuren über Prozesse bis hin zur Anwendung – ganzheitlich betrachtet wird. Wo Fachwissen und ergänzende Expertise aufeinandertreffen, entstehen ganzheitlichere Lösungen.

Kooperation als Erfolgsfaktor – warum gemeinsame Projekte häufiger gefördert werden
In der aktuellen Wirkungsanalyse des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) wird gegenübergestellt, welche Projektarten (Kooperationsprojekt und Einzelprojekt) im betrachteten Kalenderjahr wie häufig gefördert wurden [1]. Das ZIM ist ein bundesweites Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt, Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchzuführen – auch gemeinsam mit Forschungseinrichtungen. Das ZIM ist das wichtigste themenoffene Mittelstandsförderprogramm und ein guter Gradmesser für die Innovationstätigkeiten des deutschen Mittelstandes. Im Bundeshaushalt 2025 stehen dafür gemeinsam mit dem wesentlich kleineren Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen ca. 558 Millionen Euro zur Verfügung [2]. Von den 2.290 ZIM-Projekten, die laut Wirksamkeitsanalyse im Jahr 2023 gestartet sind, wurden 88 Prozent als Kooperationsprojekt durchgeführt. In 84 Prozent wurde mit mindestens einer Forschungseinrichtung kooperiert, in 4 Prozent der Fälle wurde ausschließlich mit anderen Unternehmen kooperiert. Diese Kooperationen lassen sich rechtlich so gestalten, dass keine Sorge vor der unbefugten Weitergabe eigener Ideen und unbeabsichtigten Einblicken in Unternehmensgeheimnisse zu befürchten ist. In einem vertrauensvollen Miteinander, verschiedenen Blickwinkeln und unterschiedlicher Fachkompetenz sind ganzheitlichere Lösungen besser realisierbar als allein.
Kompetenz von außen
Externe Kompetenzen können sich an einer gemeinsamen Wertschöpfungskette orientieren (Unternehmen und Unternehmen). Auch können sie verschiedene Denkweisen vereinen (Unternehmen und Forschungseinrichtung) oder eine Kombination aus beidem bilden. Zusätzlich ist das Einbinden bislang im eigenen Bereich unüblicher Technologien eine Möglichkeit (beispielsweise der Einsatz von additiver Fertigung im Bauwesen). Über die technischen Aspekte hinaus kann es hilfreich sein, weitere rahmenbildende Kompetenzen einzubinden. Das ist vor allem da relevant, wo es um den prozessualen Blick und das Begleiten desjenigen Prozesses geht, in dem die Idee zum konkreten Entwicklungsprojekt geformt wird. Mit „prozessualem Blick“ ist gemeint, dass nicht nur das technische Ergebnis im Fokus steht, sondern auch die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten, Entscheidungen treffen und Wissen austauschen. Dass „Unternehmen und Forschungseinrichtungen“ miteinander kooperieren, ist eine formal-juristische Beschreibung. In der praktischen Umsetzung kooperieren natürliche Personen miteinander. Eine große Unterschiedlichkeit in den Perspektiven und Erfahrungsbereichen ist dabei inhaltlich wertvoll und gleichzeitig auf zwischenmenschlicher Ebene herausfordernd.
Die meisten Entwicklungsprojekte scheitern nicht aus technischen Gründen, sondern aus Zwischenmenschlichen. Eine professionelle Prozessbegleitung hilft, die Zusammenarbeit gezielt zu gestalten, die Stärken der Partner zu nutzen und mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Eine weitere Stärke liegt in dem begleitenden Blick von außen, der Dinge hinterfragt, die ansonsten nicht hinterfragt werden.
Praxisbeispiel „DenkmalpflegeAM“
ZIM-Innovationsnetzwerke sind eine Möglichkeit, um sich über einen Zeitraum von drei Jahren und mit unterschiedlichen Unternehmen und Forschungseinrichtungen entlang einer Wertschöpfungskette mit einem bestimmten Querschnittthema zu beschäftigen. Sie dienen als strukturierter Rahmen, um Wissen zu bündeln, Entwicklungsrisiken zu teilen und gemeinsame Projekte zu generieren – ähnlich wie branchenübergreifende Innovationscluster. Das Netzwerk bietet einen geschützten Rahmen, um sich mit anderen Unternehmen vertrauensvoll auszutauschen, relevante Branchen- und Unternehmensthemen zu diskutieren, neue Partnerschaften und Geschäftskontakte aufzubauen. Ebenso sollen aus Ideen Entwicklungsprojekte generiert und diese im geförderten Rahmen umgesetzt werden. Durch den geförderten Rahmen werden die Unterstützungsleistungen der Managementeinrichtung (Koordinator und Dienstleister für das Netzwerk) in weiten Teilen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie getragen. Damit konstruktiv gearbeitet werden kann, ist eine Größe von etwa 10 Netzwerkpartnern ideal.
Das ZIM-Innovationsnetzwerk „DenkmalpflegeAM“ lief vom 01.09.2022 bis 31.08.2025. Aus zahlreichen Ideen wurden vier Entwicklungsprojekte zur Förderung eingereicht und bewilligt, eines davon ist bereits abgeschlossen. Die technologische Vision des Netzwerkes war es, unter Einsatz neuer Technologien kurzfristige, standardisierte und maximal digitalisierte Restaurierungen von historischen Bestandsgebäuden zu ermöglichen. Dazu haben sich Unternehmen aus dem Bereich der Denkmalpflege sowie das Institut für Statik und Konstruktion der Technischen Universität Darmstadt zusammengeschlossen, das auch über Expertise im Bereich der additiven Fertigung verfügt. Das Freilichtmuseum Hessenpark ergänzt die Partnerstruktur. Am Beginn der Zusammenarbeit standen lose Ideen, die generellen Branchenthemen, spezifischen Kundenanfragen und bisherigen Grenzen im Alltagshandeln entsprachen. Infolge gemeinsamer Konkretisierung und Partnerzusammenstellung sind Entwicklungsprojekte entstanden, die den Markt verändern und den Unternehmen Vorteile verschaffen. Einige der entwickelten Verfahren werden inzwischen von beteiligten Partnern in Pilotprojekten eingesetzt, um Restaurierungsprozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken – ein Hinweis darauf, dass die Netzwerkarbeit messbare Effekte erzeugt. Im Rahmen des Projektes „3D-Denkmalziegel“ wurde ein additives Fertigungs- und Restaurierungsverfahren für originalgetreue Sonderziegelsteine (farbtreu inklusive Brennverfahren und Befestigungstechnik) entwickelt.
Im Projekt „Quicklytics“ wird ein KI-Tool entwickelt, mit dem es möglich ist, Gebäude innerhalb eines einzigen Tages hinsichtlich ihres Sanierungs- und Instandsetzungsbedarfes zu analysieren anstelle des aktuell mehrwöchigen Vorgangs. In einem Konsortium aus vier Partnern wird in „DenkmalBIM“ ein digitales Restaurierungsverfahren entlang der gesamten Wertschöpfung für die Denkmalpflege entwickelt, bei dem der Fokus auf der gemeinsamen Arbeit an einem einheitlichen gewerkeübergreifenden digitalen Modell liegt. In einem weiteren Projekt wird ein Verfahren entwickelt, um hochwertige Ziegel in reproduzierbarer Qualität aus Reststoffen herzustellen. Durch das angestrebte Verfahren ergeben sich deutliche Einsparungen hinsichtlich Material- und Energiekosten.
Fazit
Erfolgreiche Entwicklungsprojekte entstehen dort, wo Ideen ernsthaft strukturiert, Kompetenzen gezielt vernetzt und Prozesse professionell begleitet werden. Doch ebenso wichtig ist eine Unternehmenskultur, die Offenheit für Kooperation und den Mut zum Unbekannten fördert. Nur wenn Unternehmen bereit sind, Wissen zu teilen, können Synergien entstehen, die über den eigenen Betrieb hinaus wirken.







