Besonders im deutschsprachigen Raum hat das Vorschlagswesen, das Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, beliebig Ideen zur Kostensenkung, Effizienzsteigerung oder Produktverbesserung einzureichen, eine lange Tradition. Wie gelingt es aber, diesen Ideengenerierungsprozess zu steuern, um Mitarbeiter, Kunden oder Lieferanten gezielt in die Umsetzung der Innovationsstrategie eines Unternehmens zu integrieren? Wie können diese zur Lösung konkreter Probleme im Unternehmen mit einbezogen werden? Ideenkampagnen sind ein effektives Instrument, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
1. Innovationen – Auch in der Finanzwelt ein Thema
Beim Gedanken an Innovationen ist die Bankenwelt zugegebenermaßen nicht unbedingt der erste Industriezweig der einen in den Sinn kommt. Zu Recht, denn lange Zeit waren es hauptsächlich Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe welche durch den ständig wachsenden Wettbewerb aus Fernost mit dem Begriff „Innovationsdruck“ verbunden wurden. Nicht zuletzt durch die Bankenkrise der letzten Jahre und den Markteintritt vieler internetbasierter Finanzdienstleister hat der Konkurrenzkampf für die Geldinstitute merklich zugenommen. Somit sind auch diese zunehmend gefragt, durch effizientere Strukturen und innovativere Produkte Kosten zu senken und den Umsatz zu sichern bzw. zu steigern.
Dies gilt nicht nur für Geldinstitute hierzulande, sondern global. So auch für die Al Rajhi Bank, eine der weltweit größten und am schnellsten wachsenden islamischen Banken aus Saudi Arabien. Für die Al Rajhi Bank ist Effizienzsteigerung durch Kostensenkung und beschleunigtes Umsatzwachstum ein strategisches Unternehmensziel. Einen zentralen Aspekt für die Zielerreichung stellen innovative Dienstleistungen, Mitarbeiter und Technologien dar. Das Thema Innovation war relativ neu für die Bank, erst im Jahr 2008 hatte man ein Innovationsmanagement eingeführt. Die zu Beginn erzielten lediglich schrittweisen Verbesserungen waren hilfreich, aber nun suchte man ganz neue Konzepte, mit denen sich die Al Rajhi Bank deutlich vom Wettbewerb abheben konnte.
Um ein langfristig erfolgreiches Innovationsmanagement in Unternehmen zu etablieren ist es essentiell, die Innovationsstrategie mit den Unternehmenszielen abzustimmen. Dadurch gewinnen Innovationsinitiativen an Rückhalt bei der Geschäftsführung, beim mittleren Management und den Mitarbeitern, da so deutlich wird, dass das Innovationsprogramm konkret zur Erreichung der Unternehmensziele beiträgt.
2. Ein neuer Anlauf für das Innovationsmanagement der Al Rajhi Bank
Das neue Konzept für das Innovationsmanagement der Al Rajhi Bank sah vor, künftig die gesamte Belegschaft an dieser strategischen Herausforderung zu beteiligen und diese in den Innovationsprozess mit einzubeziehen. Die Mitarbeiter wurden beauftragt, Ideen zu suchen, die eine erhebliche positive Auswirkung auf die wirtschaftlichen Ziele der Al Rajhi Bank haben würden. Dass das 8.000 Mitarbeiter zählende, über mehrere Kontinente verteilte Unternehmen eine IT-basierte Lösung für die Ideensammlung benötigen würde, war schnell klar. Innerhalb eines Jahres wurde eine Ideendatenbank intern entwickelt und umgesetzt. Die Anzahl der eingereichten Ideen war innerhalb des ersten Monats mehr als zufriedenstellend. Jedoch wurde auch gleich klar, dass eine umfassendere Lösung gefunden werden musste, welche es erlaubt, den Ideenfluss besser zu steuern und eingereichte Ideen über den gesamten Innovationszyklus zu verwalten und gemeinsam weiterzuentwickeln. Nach einiger Recherche entschied man sich daher für die Lösung der Bonner Firma HYPE Innovation, einem erfahrenen, auf Ideen- und Innovationsmanagement-Lösungen spezialisierten Softwareanbieter, und führte diese im Februar 2010 unternehmensweit ein.
Durch die bereits gesammelten Erfahrungen hatte die Bank nun klare Anforderungen an die Innovationsplattform. Ein wichtiger Punkte war es, den bereits definierten Prozessablauf mit der Software abzubilden. Da der Innovationsprozess, wie andere Unternehmensabläufe auch, selten von Beginn an optimal ist, sondern „im laufenden Betrieb“ verfeinert werden muss, sollten entsprechende IT-Systeme ebenso nachträglich an diesen ohne großen Aufwand angepasst werden können. Ein vom System vorgegebener Workflow, der den Unternehmensstrukturen nicht angemessen ist, bremst den Arbeitsablauf mitunter mehr, als dass er ihn unterstützt.
Um sicherzustellen, dass Sprachbarrieren die Teilnahme und Kollaboration nicht behindern würden, sollte das System in Arabisch und Englisch gespiegelt werden. Der von HYPE zusätzlich integrierte automatische Übersetzungsservice hilft den Nutzern außerdem, sich nicht nur auf der Plattform zurechtzufinden, sondern auch Inhalte in der jeweils anderen Sprache zu verstehen und Ideen zu kommentieren.
3. Ideenkampagnen – Instrument zur Steuerung der Ideengenerierung
Eine der zentralen Herausforderungen, die sich für die Al Rajhi Bank herauskristallisierte, war eine bessere Kontrolle über den Ideengenerierungsprozess. Da das Unternehmen das Innovationsmanagement eng mit den Zielen und der Strategie des Unternehmens einhergehen sollte, suchte man einen Weg, um die Kreativität der Mitarbeiter auf konkrete Herausforderungen zu lenken und gezielt Ideen dazu zu erhalten. Darüber hinaus stellte die große Anzahl der eingereichten Ideen die Verantwortlichen vor eine Herausforderung. Die Frage war: Wie kann man den Ideenfluss besser kontrollieren um weniger, aber dafür qualitativ höherwertige Ideen zu generieren?
Die Al Rajhi Bank fand die Lösung für dieser Herausforderung in Form von so genannten „Ideenkampagnen“. In Ideenkampagnen werden Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder andere externe Gruppen zu einer zeitlich und thematisch eingegrenzten Ideengenerierung eingeladen. Durch eine möglichst klare Fragegestellung wird die Kreativität auf eine konkrete Aufgabe gelenkt, die in der Regel einfacher zu beantworten ist als eine allgemeine Frage nach neuen Ideen. Durch eine Anzahl von Gestaltungsparametern stellen Ideenkampagnen ein sehr gutes Instrument für die Steuerung des Ideengenerierungsprozesses dar. Die drei wichtigsten Parameter sind die Wahl und Beschreibung des Themas der Ideenkampagne, die Selektion der eingeladenen Teilnehmer und der Zeitrahmen der Kampagne.
3.1 Thema und Beschreibung
Durch die Vorgabe eines Themas beziehungsweise einer konkreten Aufgabe kann der Ideengenerierungsprozess in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Grundsätzlich sind Kampagnen zu verschiedenen Arten von Themen möglich. So werden sie neben der Sammlung kreativer Ideen für die Produkte von morgen unter anderem auch für die Suche nach Lösungen für konkrete Probleme, Einsparpotenziale, Verbesserungen in Service und Produkten- sowie für Prozessinnovationen eingesetzt. Die richtige Strategie hängt hier stark vom Ziel der Kampagne ab, z.B. ob es sich eher um ein Brainstorming handelt oder ob konkrete Lösungskonzepte gesucht werden. Zu detaillierte Vorgaben schränken mitunter den Lösungsraum zu sehr ein und schließen damit Lösungsvarianten von vornherein aus. Ein zu großer „Raum für Kreativität“ kann hingegen zu Ideen führen, welche nicht zur Innovationsstrategie der Organisation passen oder nur schwer umsetzbar sind. Generell sollte das Thema aber den Teilnehmern Denkanstöße geben und das Ziel der Ausschreibung deutlich machen.
3.2 Teilnehmer
Kampagnen können prinzipiell einem uneingeschränkten Nutzerkreis offen stehen oder aber sich auch nur an bestimmte Nutzer richten, welche anhand bestimmter Merkmale ausgewählt werden, beispielsweise einer bestimmten Geschäftseinheit, Funktion oder eines Standorts. Entsprechend der Zahl potentieller Teilnehmer muss die technische und organisationsbezogene Infrastruktur der Kampagne darauf ausgelegt sein, eine große Anzahl eingereichter Ideen managen zu können. Insbesondere, wenn es Ziel der Kampagne ist, Lösungen mit einem hohen Innovationsgrad zu finden, sollte man auf eine möglichst heterogene Zusammensetzung der Teilnehmergruppe achten, zum Beispiel durch Auswahl von Experten mit verschiedenen Fähigkeiten und aus unterschiedlichen Fachrichtungen.
3.3 Zeitrahmen
Kampagnen finden normalerweise in einem eingeschränkten zeitlichen Rahmen statt. Dadurch lässt sich die Ideengenerierung besser strukturieren und in ein Projekt fassen. Üblich sind Zeiträume von mehreren Wochen oder Monaten. Das Ende der Einreichungsphase wird den Teilnehmern gegenüber kommuniziert, um so einen gewissen zeitlichen Druck aufzubauen. Die zeitliche Beschränkung hat zusätzlich den Vorteil, dass sich die Nutzeraktivitäten stärker zeitlich konzentrieren, was potentiell die Kollaboration unter den Nutzern intensiviert.
Ein wichtiger Einflussfaktor auf den Erfolg einer Kampagne ist die Einbeziehung eines Sponsors. Dieser ist in der Regel ein hochrangiger Vertreter aus dem Unternehmen, der als Repräsentant für die Kampagne steht. Dies hat einen motivierenden Einfluss auf die Teilnehmer, da sie zum einen durch ihre Partizipation Anerkennung gewinnen können, was ein wichtiger Anreizfaktor ist und zum anderen, da so die Kampagne mehr Aufmerksamkeit erzielt.
Beispiele helfen oft, eine theoretische Beschreibung zu veranschaulichen und klar zu machen, was gemeint ist. Daher ist es sinnvoll, eine Kampagne von vornherein mit einigen Beispielideen zu befüllen, welche den Teilnehmern eine bessere Vorstellung davon geben, welche Art von Ideen gesucht wird und welche Informationen die Ideenbeschreibung enthalten sollte. Dadurch wird die Kampagne auch direkt zum Leben erweckt und eventuell zögernden Ideengebern die Scheu genommen, der Erste zu sein, der eine Idee einreicht.
Im Idealfall beteiligt sich der Sponsor oder andere „bekannte Gesichter“ an der Ideeneinreichung und Kommentierung von Ideen und zeigt damit den Mitarbeitern, dass es legitim ist, einen Teil seiner Arbeitszeit für die Teilnahme am Innovationsprogramm zu verwenden. Außerdem hat es sich bewährt, motivierte, freiwillige Mitarbeiter für das Programm zu gewinnen, die Beispielideen „sähen“ und sich proaktiv auf der Plattform beteiligen.
4. Einführung von Ideenkampagnen bei der Al Rajhi Bank
Die Al Rajhi Bank wollte sicherstellen, dass ihr neuaufgelegtes Innovationsprogramm von Anfang an wirtschaftliche Erfolge liefern würde, weshalb direkt nach Einführung von HYPE mehrere Kampagnen zu konkreten Herausforderungen durchgeführt wurden. Die Bank hatte im ersten Jahr bereits neun Kampagnen abgeschlossen, jede mit einer anderen Ausrichtung. So suchte man beispielsweise nach Ideen für die Erhöhung des Umsatzes mit Prepaid-Kreditkarten, die Schaffung von Kundenanreizen für spezielle Zahlungskanäle und attraktive Angebote speziell für weibliche Bankkunden. Das Resultat des kampagnenbasierten Programms entspricht allen Erwartungen: Die Plattform zählt über 1000 aktive Nutzer. Zugleich ist die durchschnittliche Qualität der eingereichten Beiträge hoch.
Um aus allen Ideen die besten herausfiltern zu können, definiert der Initiator der Kampagne auf die Ziele der jeweiligen Kampagne angepasste Bewertungskriterien. Im ebenfalls auf der Plattform stattfindenden, mehrstufigen Evaluationsprozess werden zunächst die zehn vielversprechendsten Ideen ausgewählt. Diese werden anschließend weiter zu konkreten Konzepten ausgearbeitet, bevor in der letzten Phase des Bewertungsprozesses das überzeugendste Konzept der Kampagne zur Umsetzung ausgewählt wird.
Im ersten Jahr nach der Einführung des Programms wurden somit bereits neun Ideen umgesetzt. Hinter jeder der Ideen verbirgt sich ein bahnbrechendes Konzept, das durch den kampagnenbasierten Ansatz an den Innovationszielen des Unternehmens ausgerichtet ist. Auf Basis dieser Ideen konnte die Al Rajhi Bank entweder Kosten senken oder das Wachstum über das bestehende hohe Niveau hinaus vorantreiben.
Christoph Sohn