Sparkassen zwischen Online-Banking und regionaler Präsenz
Gefangen im Zielkonflikt?
Im Gespräch mit Uwe Kuntz, Sparkasse Saarbrücken
Kurz und bündig:
Standardprozesse werden nicht nur bei Online Banken über das Netz angeboten, hier haben sich auch die Sparkassen multikanalfähig gemacht. Wachstum erfährt die Sparkasse speziell bei aufwändigen Beratungsprozessen, die Online Banken nicht bieten. Dabei wächst der Anspruch an Qualität von Seiten der Kunden stetig. Qualitätsparameter für die entsprechenden Prozesse werden durch strenge Compliance Regeln und die Bankenaufsicht gesetzt. Dass einzelne Filialen nicht mehr kleine Vollbanken sein können, hat nicht nur mit der Digitalisierung zu tun. Die Wirtschaft hat sich verändert, ebenso wie die Regeln der Bankenaufsicht.
Es ist keine 20 Jahre her, da war es selbstverständlich, fast überall eine Sparkassenfiliale fußläufig zu erreichen. Wenn nun deutschlandweit das Filialnetz stetig ausgedünnt und das Internet zunehmend das Kontaktmedium für Beratung und Finanztransaktionen wird, dann stellt sich die Frage, sind es die Onliner, die die Filialen verlassen haben, oder werden Nutzer aus Kostengründen gezwungen, zu Onlinern zu werden? Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, wie es in der digitalisierten Bankenwelt mit der Qualitätssicherung von Produkten und Dienstleistungen bestellt ist. Darüber haben wir mit Uwe Kuntz, Vorstand Privatkunden der Sparkasse Saarbrücken gesprochen.
IM+io: Herr Kuntz, geht man auf die Website der Sparkasse Saarbrücken, so wird man auf unterschiedlichen Kanälen zur Kontaktaufnahme eingeladen: telefonische Terminvereinbarung, Beratung per Videokonferenz, online FAQs oder auch Online-Banking. Nur die gezielte Einladung in die nächstgelegene Filiale fehlt. Wie passt das zur Positionierung der Sparkasse als „gut für die Region“?
UK: Da liegt in der Tat vordergründig ein Widerspruch. Grund dafür ist, dass wir über diesen Online-Kanal besonders auf unsere Online-Kompetenz hinweisen wollen. Es ist aber sicher sinnvoll, sehr deutlich darauf hinzuweisen, dass unsere Kernstärken und unsere Größe in der persönlichen Beziehung zu unseren Kunden, die wir in den Filialen treffen, begründet ist. Tatsache ist, dass wir unterdessen ein multikanalfähiges Unternehmen sind – analog und persönlich genauso, wie digital vernetzt. Wir haben immer noch 55 Vertriebseinheiten in Saarbrücken und im umliegenden Stadtverband. Dort geht es um die persönliche Beratung und Service. Das ist immer noch die Kernkompetenz unserer Sparkasse.
IM+io: Kann man tatsächlich Beratungskompetenz ins Netz verlagern?
UK: Durchaus. Das ist fachlich und technisch gar keine Frage, zumindest dann, wenn es um Standardvorgänge geht. Die intensive persönliche Beratung und der Dialog mit dem Kunden jenseits von Standardfragen wird sicher auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben. Das gilt immer für komplexe Beratungssituationen und Produktlösungen. Das Netz ist eindimensional und wir erkennen sehr deutlich den Bedarf, unseren sehr anspruchsvollen Beratungsbereich sowohl im Firmenkundenbereich als auch im Privatkundenbereich stärker auszubauen – was wir auch kontinuierlich tun. Da geht es nicht um einzelne Produkte, sondern um ganzheitliche Projekte. Das Factory Prinzip greift vorrangig bei Standardprodukten wie dem Zahlungsverkehr, aber auch das wird sich natürlich weiterentwickeln. Die Digitalisierung ermöglicht schon heute auch einzelne Produkte mit erhöhter Komplexität über intelligente Prozesse schnell abzuwickeln. Das Internet ist heute doch schon deutlich mehr als ein Schaufenster, und ich glaube schon, dass noch mehr komplizierte Produkte auch im Netz angeboten werden können, weil ja auch die digitale Kompetenz unserer Kunden wächst. Aber die ganzheitlichen Ansätze die auch Faktoren wie Steuer- oder Rechtsrelevanz betrachten, da braucht es nach wie vor die umfassende Beratung. Wir sind aber auch an mancher Stelle zu spät auf den Zug der Digitalisierung aufgesprungen, das sieht man bei der extrem mühsamen Aufholjagd von Pay Direct, das durch den Zusammenschluss aller deutschen Bankengruppen angeboten wird, gegenüber Pay Pal.
IM+io: Fühlen sich nicht gerade ältere, weniger netzaffine Kunden oder jene im ländlichen Raum durch die Reduzierung von Filialen endgültig abgehängt?
UK: Der ländliche Raum stellt überhaupt kein Problem dar. Hier ist man netzaffiner als anderswo. Das ist am besten in den Weiten Skandinaviens zu beobachten. Ländliche Regionen hatten nie eine flächendeckende vor Ort Versorgung. Digitale und damit jederzeit verfügbare Angebote sind da ein deutlicher Fortschritt und werden gerne angenommen. Auch generell hat sich das Nutzerverhalten verändert. Vor 20 Jahren wurden noch 70% aller Einzahlungen an der Kasse gemacht, heute erfolgen 70% der Einzahlungen an den Kassenautomaten. Es gibt nach wie vor einen geringen Anteil von Menschen, die mit der Bedienung neuer Technologien Problem haben, aber das wird immer seltener. Genau genommen haben wir die zunehmende Digitalkompetenz der Apple Technologie zu verdanken. Dort hat man User Interfaces neu gedacht, intuitive Bedienbarkeit zur Maxime gemacht. Davon profitieren wir heute alle. Intuitive Bedienbarkeit wurde so zur Selbstverständlichkeit. Das iPhone hat den Nutzer offen für die Digitalisierung gemacht und wir haben die beste Banking App.
IM+io: Viele der verbleibende Filialen stehen nur noch als Assistenz bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zur Verfügung, umfassende Beratung wird nur noch in einigen entsprechend personell ausgestatteten Niederlassungen angeboten. Als Alternative wird hier Beratung per Videokonferenz angeboten. Wie können Sie hier die entsprechende Qualität der im Kern anonymen Gespräche sicherstellen?
UK: Wir nennen das unser digitales Finanzcenter, und dabei handelt es sich um ein proaktives Vorgehen. Dabei geht es um Kunden, die uns schon länger nicht mehr aufgesucht haben. Das sind meist Kunden, die gar nicht mehr im Saarland leben, weil sie woanders studieren oder arbeiten. Sie sind bei uns als Kunden geblieben, weil sie ohnehin Online-Banking und SB Terminals nutzen. Sie haben dann auf Interaktion in Form von Beratung verzichtet, beziehungsweise wohl keinen Beratungsbedarf gesehen. Wenn wir nun dieser Zielgruppe über unser digitales Finanzcenter Beratungsgespräche per Videokonferenz anbieten, wird das als deutlicher Mehrwert empfunden und dient natürlich der Kundenbindung. Bei uns sind das fünf hochqualifizierte Mitarbeiter die sehr komplexe Arbeitsplätze haben. Die Qualität der Mitarbeiter ist genauso hoch wie die der Berater vor Ort, das ist unserem eigenen Anspruch geschuldet. Über jeweils drei Monitore haben die Kolleginnen und Kollegen Zugriff auf sämtliche Informationen, die sie dann am Bildschirm auch mit dem Kunden teilen können. Hier handelt es sich also gerade nicht um anonyme Gespräche wie mit einem Chatbot, der Standards fragt und beantwortet, sondern um echte zwischenmenschliche Interaktion. Was sicher fehlt, ist die langjährige persönliche Beziehung und das damit verbundene wirkliche Kennen des Gegenübers. Natürlich ist bei der Qualitätsfrage auch das Thema Sicherheit wichtig, aber da arbeiten wir mit den höchsten Standards. Unser Filialnetz ist immer noch sehr großzügig in seiner Dimension und es bindet hohe Ressourcen für Beratung, die nur noch sporadisch in Anspruch genommen wird. Privat- und Firmenkunden, die die schon erwähnte umfassende, strategische Beratung brauchen, haben keine Probleme, in die zuständigen größeren Finanzcenter der Sparkasse zu fahren.
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IM+io: Da stellt sich die Frage nach Henne und Ei, geht man online in Ermanglung einer VorOrt-Präsenz, oder sinkt die Vor-Ort-Präsenz wegen der zunehmenden Onliner?
UK: Wir haben als Sparkasse erst über die Entwicklung der letzten Jahre beschlossen, auf das veränderte Nutzerverhalten in Richtung 24/7 verfügbarer SB Stationen und Online-Banking einzugehen, die Sparkasse war hier definitiv kein early mover. Es ist aber betriebswirtschaftlich nicht darzustellen, alle Filialen – nur für den Fall einer gelegentlichen Nutzung – mit einer hochqualifizierten Beratungsmannschaft auszustatten. Wir tun uns da durchaus schwer, wir sind die größte regionale Bank im Südwesten der Republik und sind durch unsere Präsenz vor Ort groß geworden. Früher waren Filialen eine kleine Abbildung einer Bank. Das hat sich durch die Kunden und ihre Ansprüche gewandelt. Die Verdichtung ist ein Teil des Systems, weil sich viel digital darstellen lässt und jederzeit und überall Verfügbarkeit von unseren Kunden gewünscht wird. Damit nehmen sie auch gern in Kauf, dass qualifizierte persönliche Beratung zwar in der Region, aber nicht in fußläufiger Nähe verfügbar ist.
IM+io:
Müssen Sie im Zuge der Entscheidung, viele Schritte des Banking zu automatisieren, am Ende nicht auch grundlegende Abstriche bei den eigenen Qualitätsstandards machen?
UK: In der Breite ist der Qualitätsanspruch, so wie eben bei den komplexen Beratungsprodukten erläutert, nicht darstellbar. So viele hochqualifizierte Mitarbeiter, die man bräuchte, um alle Filialen abzudecken, sind betriebswirtschaftlich nicht vertretbar. Zudem wären sie auch nicht ausgelastet. Daher ist eine Konzentration der Beratungsspezialisten in regionalen Zentren sinnvoll. Ich denke, das Beispiel, wie Patienten ihren Arzt aussuchen, macht deutlich, wie man auch bei einer Bank sinnvoll verfahren kann. Patienten gehen bei unkomplizierten Erkrankungen zu ihrem nahegelegenen Hausarzt, wenn aber ein Spezialist benötigt wird, ist es breit akzeptiert, sich diesen Spezialisten in der erweiterten Region zu suchen. Unsere Branche wächst insbesondere bei den aufwändigen Beratungsprozessen. Gleichzeitig wächst der Anspruch an Qualität von Seiten der Kunden stetig. Ganz klare Qualitätsparameter für unsere Prozesse werden zudem durch strenge Compliance Regeln und die Bankenaufsicht gesetzt und überprüft. Nur so können wir die Qualität nach allen Seiten hin absichern. Der Prozess der dazu führt, dass die einzelnen Filialen eben nicht mehr kleine Vollbanken sein können, hat definitiv nicht nur mit der Digitalisierung zu tun. Unsere Wirtschaft hat sich verändert, auch die Regeln der Bankenaufsicht haben sich zu Recht verändert, um das System sicher zu machen. Transparenz, Compliance und Mitarbeitereinstellung sind das A und O unserer Qualitätssicherung
IM+io: Da stellt sich die Frage nach Henne und Ei, geht man online in Ermanglung einer VorOrt-Präsenz, oder sinkt die Vor-Ort-Präsenz wegen der zunehmenden Onliner?
UK: Online-Banken werben mit traumhaften Kreditkonditionen von 0,6 oder 0,8%. Diese sind aber so ausgerichtet, dass sie nur für vermögende Kunden greifen. Der Normalverbraucher, der den Kredit wirklich braucht, erhält diese ganz sicher nicht, sondern muss seinen Kredit sehr viel teurer bezahlen. Wir hingegen beraten unsere Kunden nicht nach den Konditionen, sondern nach deren Leistungsfähigkeit. Ein Kredit beinhaltet ja mehr als einen ausgehandelten Zinssatz, es geht um Laufzeiten und Annuitäten, die bedient werden müssen. Und es geht um Absicherungen, wenn während der Laufzeit Probleme auftauchen. Uns geht es darum, was sich ein Kunde wirklich leisten kann.Grundsätzlich gesagt kann das Angebot einer Online-Bank nie dem ganzheitlichen Beratungsumfang einer persönlich geführten Bank entsprechen. Bei Online-Banken geht es um standardisierte Produkte, die sind gut bepreist und vom Prozess her gut organisiert. Bei diesen Standardprodukten müssen wir als Wettbewerber konkurrenzfähig sein und uns entsprechend aufstellen. Das was eine OnlineBank kann, kann auch eine Sparkasse oder Volksbank. Aber die komplexe Beratung bei strategischen Entscheidungen, die Bankkunden bei anspruchsvollen Problemen zu treffen haben, die können reine Online-Banken definitiv nicht leisten. Den Vorsprung, den die OnlineBanken einmal hatten, haben sie unterdessen verloren, weil jetzt auch stationäre Banken multikanalfähig sind. Wir sind da nicht mehr in der Situation der Getriebenen. Unsere Konkurrenten sind heute nicht mehr die Online-Banken sondern Konzerne wie Amazon Google , Alibaba oder – wie erwähnt – Pay Pal.
IM+io: Die Welt der Finanzdienstleistungen ist im Umbruch, bleibt da auch künftig Platz für eine Sparkassenorganisation? Wo sehen Sie die Sparkasse in zehn Jahren und was werden dann noch die besonderen Unterscheidungsmerkmale sein?
UK: Wir werden der lokale, regionale Anbieter bleiben. Es gibt derzeit noch rund 380 Sparkassen. Die notwendige Reduzierung des Filialnetzes liegt nicht vorrangig an der Digitalisierung, sondern an der Null- bzw. Minuszinspolitik, die unsere Möglichkeit, Gewinne zu erwirtschaften, deutlich einengt. Das ist eine große Herausforderung. Das betrifft aber alle Institutionen, die mit Kapital zu tun haben, also auch z.B. Versicherer und Pensionskassen. Unser Vorzug ist aber, dass die Sparkassen uns Bürgern gehören und nicht irgendeinem anonymen Investor. Ich bin ganz sicher, dass, wenn wir die Digitalisierung in den Griff bekommen – und da sind wir auf einem guten Weg – wir die aktuellen Belastungsproben durchstehen. Die Sparkasse wird nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert haben, wenn auch möglicherweise in anderer Organisationsform. Es wird nicht mehr so viele Landesbanken geben, nicht mehr so viel Sparkassen. Eine Verdichtung liegt der Marktwirtschaft inne. Aber die Sparkassen bleiben durch ihre regionale Eigentümerstruktur definitiv in der Region.