Impulsgeber in Sachen digitaler Transformation spüren sehr genau die produktive Unruhe, die immer mehr Unternehmen aller Größen und aller Branchen gleichermaßen zu erfassen beginnt. Der Weg von besseren Geschäftsabläufen zu neuen Geschäftsmodellen verläuft dabei fließend.
Die digitale Transformation diktiert zunehmend das Tempo. Über 1 Milliarde Nutzer sind mittlerweile in sozialen Netzwerken aktiv. Alleine in Facebook werden jede Sekunde mehr als 41.000 Mitteilungen abgesetzt, größtenteils mobil. Mit 15 Milliarden webbasierten Smartphones, rund doppelt so viele Endgeräte wie Menschen, formiert sich ein starkes und überaus intelligentes Universum. Privates und Geschäftliches fließen darin immer mehr zusammen. Den Weg in die Unternehmen hinein findet die digitale Transformation nicht zuletzt über die Millennials, die den Generationswechsel in den Unternehmen einläuten. Ob Auto oder Haushaltsgerät, Paketsendung oder Fertigungszelle, in gar nicht allzu ferner Zeit dürften selbst ganze Produktionsstraßen und Fabriken mit Unmengen von intelligenten Prozessoren ausgerüstet sein. Selbst wo das (noch) untersagt ist, etwa im Fußball, ist der Trend in Richtung Echtzeitdatenverarbeitung nicht zu stoppen. Findige Entwickler haben dazu einfach die passenden Chips in Kameras eingebaut, denen so nichts, aber auch gar nichts mehr verborgen bleibt.
Die Datenspur, die jeder hinterlässt, wird immer breiter
Wohin soll das alles führen? Die digitale Transformation jedenfalls nimmt in großen Schritten Gestalt an. Immer mehr Manager beginnen den enormen Gestaltungsrahmen zu durchdringen, den die neuen Technologien eröffnen. IT- und Fachabteilung gemeinsam gelten als die entscheidenden Akteure, die anstehende Transformation richtig umzusetzen. Die Herausforderungen dabei sind gewaltig. Glaubt man etwa Marktbeobachtern wie IDC, könnten im Jahr 2020 bereits über 200 Milliarden »Endgeräte« über das Internet miteinander verbunden sein und laufend Daten produzieren, also in Echtzeit. Alle 2 Jahre dürfte sich so die Datenmenge verdoppeln. Mit der Menge der Daten wächst gleichfalls die Vielfalt der Datentypen. Neben den meist noch recht gut strukturierten Geschäftsdaten aus einer Unternehmenssoftware, etwa Aufträge, Bestellungen oder Umsätze, sorgen vor allem die unstrukturierten Daten für einiges Kopfzerbrechen, etwa Audio und Videos Files, Einträge oder Anzeigen in sozialen Medien und Blogs, E-Mail Nachrichten, Bild- und Geodaten oder Suchanfragen etwa bei Google. Die Datenspur, die jeder hinterlässt, wird immer breiter. Dennoch lassen sich mit herkömmlichen Technologien nur gerade einmal 3% aller Daten brauchbar auswerten, schätzen Experten. Doch auch dieses Blatt beginnt sich zu wenden.
Produktive Unruhe
Was Jahrzehnte als illusorisch galt und allenfalls in den Köpfen visionärer IT Architekten herumspukte, bahnt sich zunehmend seinen Weg in die Unternehmen. Nutzen und Herausforderungen dabei sind Abbildung 1 zusammengefasst. Impulsgeber in Sachen digitaler Transformation spüren daher sehr genau die produktive Unruhe, die immer mehr Unternehmen aller Größen und aller Branchen gleichermaßen zu erfassen beginnt.
Immer konsequenter erfolgt der Umstieg vom Beifahrersitz in den »Driver Seat«. Vermehrt werden gleich auch Steuerrad und Motor, sprich Software und deren Betriebsplattform – mit ausgewechselt. Der technische Hintergrund dafür ist – wenngleich stark vereinfacht – rasch erklärt: Was an Daten bisher zwischen internem Hauptspeicher und externen Festplatten zeitaufwändig »hin und her schwappte«, wird mit Echtzeitplattformen und ihrer integrativ vernetzten Infrastruktur komplett im Hauptspeicher verarbeitet und damit entlang dem Just-in-Time-Prinzip analysierbar. Soweit die Technik. Neue digital geprägte Jobprofile machen sich die Vorteile der In-Memory-Technologie zu eigen und generieren daraus größtmöglichen Nutzen für die Unternehmen. Der »Data Architect« integriert die meist verteilten Daten-Landschaften eines Unternehmens, führt Datenquellen und -ströme zusammen und stellt sie für die Datenanalyse passend zur Verfügung. Der »Data Scientist«, dessen Stellenprofil der »Harvard Business Review« als »Sexiest Job of the 21st Century« bezeichnete, baut darauf auf und kümmert sich um das Heben der »Information Nuggets«, also die Produktion von Erkenntnissen und Entscheidungsgrundlagen durch geeignete Analysen. Hier kommen oft Anwendungen wie IBM Cognos TM1 zum Einsatz, deren In-Memory-Technologie parallele und daher überaus schnelle Auswertungen ermöglichen.
Auch transaktionale Business Software kann durch die In-Memory- Technologie deutlich einfacher werden. Eine ganz neue Generation von Unternehmenssoftwarelösungen, die selbst bei unvorstellbar hohem Datenvolumen »Analyse« und »Aktion« stets fest vereint, ist bereits raus aus den Startlöchern. So entfallen etwa bei SAP S/4HANA nahezu alle Aggregationsebenen. Zwischensummen, etwa Tages-, Monats- oder Quartalsumsätze werden vielmehr stets »real time« ermittelt, anstatt einmal durchgerechnet und als starrer Wert in Tabellen zurückgeschrieben. Damit läuft nicht nur vieles dramatisch einfacher, schneller und flexibler. Auch die bisweilen verschlungenen Wege zwischen Analyse, Entscheidung und Umsetzung erhalten mächtig Schub und sorgen für reichlich mehr Agilität.
Entscheidungsprozesse auf dem Prüfstand
»Ließen sich drohende Erkrankungswellen, etwa Grippe, Erkältung oder Schnupfen zutreffender vorhersagen, könnten wir besser disponieren und Umsätze realisieren, die heute wegen Fehlmengen ausbleiben, denn ohne ausreichenden Lagerbestand keine Lieferungen. Zudem würde davon die Kundenbindung profitieren und weniger Apotheken zum Mitbewerb abwandern. Ließe sich unser Fluggastaufkommen besser prognostizieren, könnten wir die benötigte Treibstoffmenge genauer disponieren. Die Kosten für Sicherungsgeschäfte zur Treibstoffbeschaffung würden sinken. Könnten wir den Absatz unserer Zulieferteile pro Land genauer vorhersagen, ließe sich die Auslastung unserer weltweiten Produktionsstandorte verbessern und Absatzschwankungen einzelner Länder untereinander besser ausgleichen. Damit wären wir für Absatzkrisen und Boom Phasen gleichermaßen besser gerüstet und könnten in beiden Richtungen besser reagieren«. Ob Pharmaunternehmen, Fluggesellschaft oder Automobilzulieferer, digitale Transformation heißt stets, Kundenbedürfnisse besser vorhersehen, Wissen gezielter abrufen, Marktbewegungen genauer erkennen und schneller besser abgesicherte Entscheidungen treffen. Der Übergang hin zu ganz neuen Geschäftsmodellen verläuft dabei fließend. So haben Unternehmen wie Pirelli damit begonnen, ihre LKW Reifen mit Sensorik auszustatten. Mittels Echtzeitverarbeitung wird so die Abnutzung laufend überwacht, um genau im richtigen Moment mit den passenden neuen Reifen zur Stelle zu sein. Wenn Reifen so gut wie gar nicht mehr unverhofft platzen, sinken die Ausfallzeiten der gesamten Flotte und die Unfallrisiken gleichermaßen. Mit den Resultaten der Echtzeitverarbeitung konnten hier sogar die Flottenversicherer überzeugt werden, weniger Risiko führt zu günstigeren Prämien. Um in Stoßzeiten, etwa während der Ernte, Ausfälle zu vermeiden und die gesamte Ersatzteilversorgung darauf auszurichten, »zapft« John Deere seine Landmaschinen zunehmend direkt an. Ähnlich wie bei Pirelli werden auch bei John Deere Millionen von Datensätzen in »real time« verarbeitet und damit die Produktion und Ersatzteilversorgung wesentlich präziser gesteuert. Auch die unternehmensübergreifenden Prozesse erhalten somit eine wesentlich engere und genauere Taktung. An die Stelle von vergleichsweise starren Lieferketten mit festen Leistungsbeziehungen rücken zunehmend dynamische Business Networks mit projektspezifisch wechselnden Beziehungen. So übersteigt das Geschäftsvolumen, das über die Business to Business Handelsplattformen von SAP, etwa Ariba und Concur, erzielt wird, das der Consumer Giganten Ebay, Amazon und Alibaba zusammen bereits um mehr als das Doppelte. Ein Nebeneffekt der Echtzeitverarbeitung, so die Erfahrungen aus der Praxis, ist gleichfalls nicht zu verachten: auch zeitkritische interne Prozesse, etwa die Erstellung von Monats-, Quartals- und Jahresabschlüssen, lassen sich deutlich schneller abschließen.
Auch das kaum Vorstellbare konsequent durchdenken
Mit konkreten Business Cases, Abbildung 2 zeigt dazu beispielhaft ausgewählte Grundfragen der Wartung einer Flugzeugflotte, gewinnt die Diskussion enorm an Substanz. Abläufe gegen vernachlässigbare Verarbeitungszeiten zu »matchen« und so auch das bisher kaum Vorstellbare konsequent durchzudenken, so lautet die Erfolgsformel, um gezielt lukrative Anwendungsfelder der neuen Technologien zu evaluieren. Bereits jedes vierte Unternehmen plane innerhalb der nächsten drei Jahre entsprechende Investitionen, so die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) zusammen mit Accenture, All for One Steeb, Capgemini, Realtech, SAP und T-Systems [2]. Wer sich hingegen nicht bewegt, läuft Gefahr, zu verschwinden. Nicht wenige Unternehmen hatten bereits schmerzhaft zu spüren bekommen. Seit dem Jahr 2000 sind mehr als die Hälfte aller Firmen aus dem Fortune 500 Index verschwunden, viele davon ganz.
LITERATUR
[1] Harvard Business Review, Oktober 2012, Seite 70ff
[2] »SAP Business Suite auf SAP HANA – Chancen und Herausforderungen für deutsche SAP-Kunden«, Pierre Audoin Consultants (PAC), 2014, Seite 4
Dirk Böckmann