„Durch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz kann man den Menschen wieder näher an die Produktion heranholen“
Neue Chancen durch digitale Entwicklungs- und Produktionsprozesse und Einsatzszenarien für digitale Zwillinge
Ein Kommentar von Martin Ruskowski, TU Kaiserslautern, Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Steuerungen (WSKL)
Kurz und bündig:
Das DFKI engagiert sich als Partner in der Technologie-Initiative SmartFactory Kaiserslautern e.V., die 2005 gegründet wurde. Der Verein versteht sich als eine Forschungs-und Transfer- Plattform, die Partner aus Industrie und Wissenschaft zu den Themen Industrie 4.0 und der Fabrik der Zukunft zusammenbringt. Gemeinsam im Netzwerk ist hier 2014 die weltweit erste herstellerunabhängige Industrie 4.0-Produktionslanlage entstanden, an der jedes Jahr neue Fragestellungen der Partner in Form von Use Cases demonstriert werden. Die Anlage wird 2018 in erweiterter Form auf der Hannover Messe am Gemeinschaftsstand von DFKI und SmartFactory-KL ausgestellt (Halle 8, Stand D20).
Ein cyber-physisches Produktionsmodul bildet die oberste Ebene cyber-physischer Systeme in der Produktion. Es bietet übergeordneten Systemen, zum Beispiel MES-Systemen, die Funktionalität an, ein Bauteil zu bearbeiten. Seit langem spricht man bereits von cyber-physischen Systemen. Hier handelt es sich um elektromechanische Systeme, die durch einen Rechner und entsprechende Kommunikationsschnittstellen intelligenter werden, zum Beispiel kleine Sensoren, Aktoren oder Motoren. In der Produktion finden sich meist größere Produktionszellen, die ein Bauteil bearbeiten und im Prozess weitergeben. Kommt nun ein cyber-physisches Produktionsmodul zum Einsatz, bietet es den Dienst an die übergeordneten Systeme an, das Bauteil zu bearbeiten.
Informationen an den digitalen Zwilling weiterleiten
An dieser Stelle setzen digitale Zwillinge an. Über die Schnittstellen eines cyber-physischen Systems ist es möglich, seine internen Zustände und Messdaten an ein parallel laufendes Rechner-Modell, den digitalen Zwilling, weiterzuleiten. Auf dieses digitale Abbild kann dann jederzeit zugegriffen werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, durch die Methoden und den Einsatz der Künstlichen Intelligenz, den Menschen wieder näher an die Produktion heranzuholen. Digitale Entwicklungs- und Produktionsprozesse kommen somit nicht in menschenlosen Produktionen zum Einsatz, sondern in den Produktionen, in denen Mitarbeiter sehr eng mit eingebunden werden, um zum Beispiel die Produktqualität oder detaillierte Produktionsschritte zu verbessern.
Für den Einsatz von digitalen Zwillingen in der Produktion sehen wir im Wesentlichen zwei Szenarien: Das eine sind die digitalen Zwillinge der Produktionsmittel, der Assets, die über die Lebensdauer der Produktionsanlage helfend unterstützen können. Dies kann schon in der Phase der Planung und Programmierung der Anlage beginnen, beispielsweise anhand eines Simulationsmodells. Später im Prozess kann der digitale Zwilling als Abbild der Maschine, die synchron mit der realen Maschine läuft, dazu dienen, dass tiefe Einblicke in die Abläufe innerhalb der Produktionsanlage „vom Schreibtisch aus“ vorgenommen werden können. Dies erfolgt, indem Messwerte und Signale von der realen Anlage in den digitalen Zwilling eingespielt werden. Somit kann die Produktion auf dem Rechner mitverfolgt werden. Ein Vorteil von diesem Vorgehen ist, dass durch den tiefen Einblick in die Maschine viele Situationen deutlich besser erkannt werden können.
Am fertigen Produkt den gesamten Fertigungsprozess nachverfolgen
Der zweite wesentliche Einsatz für digitale Zwillinge liegt bei der Betrachtung der Produkte entlang ihrer Herstellung auf der Produktionsanlage. Dabei verfolgt der digitale Zwilling das Produkt von den Rohmaterialen bis zum fertigen Produkt, und sogar darüber hinaus beim Kunden. In den digitalen Zwilling des Produkts können alle Produktionsdaten abgelegt werden, was vor allem für konfigurierbare Produkte interessant ist. Somit können Messwerte und Signale aus der Produktion abgelegt werden, sodass es möglich wird, jederzeit später am fertigen Produkt
den gesamten Fertigungsprozess nachzuverfolgen. Ein Vorteil hiervon ergibt sich beim Auftreten von Qualitätsmängeln: eine Analyse der Schwachstellen der Produktion ermöglicht es, den Fehler für den weiteren Produktionsverlauf zu beheben. Weiterhin kann der digitale Zwilling während der Nutzungsdauer des Produktes gepflegt werden. So können zum Beispiel Wartungsarbeiten an den Maschinen oder Modifikationen des Produkts hinterlegt werden. Letztlich verfügt der Produzent jederzeit im Rechner über ein Abbild und somit über eine Zugriffsmöglichkeit auf das Produkt. Hier muss lediglich sichergestellt werden, dass regelmäßig ein Abgleich zwischen realem Produkt und digitalem Zwilling erfolgt.