Unternehmensberatung in der Konsolidierung
Die Unternehmensberatung ist eine Industrie, die sich in den letzten Jahrzehnten stetig gesteigert hat. Seit die Idee, Beratung als Dienstleistungen für das Management anzubieten, vor ca. 100 Jahren geboren wurde [1], hat die Branche von Jahr zu Jahr an Umsatz zugelegt [2]. Neben diesem reinen Umsatzwachstum hat die Beratung auch sukzessive immer wieder neue Themen erschlossen. Insofern kann man sicherlich von einer Zukunftsbranche sprechen.
In den letzten Jahren zeigen sich jedoch zunehmend Phänomene, die auf eine Sättigung des Marktes schließen lassen [3]. Zum einen nimmt das jährliche Wachstum sukzessive ab. Zum anderen zeigt sich eine Konsolidierung des Marktes: Immer mehr Beratungshäuser werden übernommen oder fusionieren zu immer größeren Anbietern [4]. Beratung ist zum Massengut, zur Commodity geworden.
Vergleicht man die Unternehmensberatung mit anderen Branchen, dann fällt auf, dass die Beratung sich über die Jahre nicht grundlegend verändert hat. Die Beratung lebt von ihren Beratern, deren Knowhow, Fähigkeiten und nicht zuletzt deren Netzwerk. Vielfach wird die Meinung vertreten, dass genau das die Branche ausmacht. Beratung ist zum überwiegenden Teil eine manuelle Tätigkeit. Vielleicht kommt es daher auch nicht von ungefähr, dass der Einzug digitaler Technologien an der Branche weitgehend vorbeigegangen zu sein scheint. Natürlich nutzen auch Berater IuK-Technologien, sei es Notebook oder Smartphone. Und natürlich ist ein Berater ohne Präsentationssoftware nur schwer vorstellbar. Aber haben diese Technologien die Art und Weise geändert, wie eine Beratungsleistung erbracht wird? Wohl eher nicht.Für andere Branchen trifft dies umso mehr zu. Ein einfacher Blick in Banken, Medien oder den Handel zeigt, dass ITK ganze Branchen grundlegend umkrempeln kann [5]. Insofern stellt sich schon die Frage, ob Beratung mittels IuK-Technologien nicht auch transformiert werden kann. Gerade die Unternehmensberater sind es schließlich, die selbst in ihrer täglichen Arbeit beim Kunden modernste Informationstechnologien wertschöpfend in Unternehmen verankern. Warum dann nicht einmal sich selbst beraten? Eine naheliegende Antwort auf die Frage, wie man das Wachstum der Beratung steigern kann, ist daher die Vielzahl an aktuellen Technologien, zu denen man anderen Unternehmen rät, auch für die eigene Prozessoptimierung und Kreation neuer Geschäftsideen zu nutzen [6]. Ziel ist somit eine Digitalisierung der Unternehmensberatung.
Der Weg zu einer digitalen Beratung
Digitalisierung ist ein Schlagwort für die Transformation von Leistungen, die in der realen Welt erbracht werden, hin zu computer- und internet-basierten Produkten. Es ist damit selbst ein dynamischer Prozess, der fortlaufend die Art und Weise ändert, wie Unternehmen ihre Geschäftsprozesse abwickeln [7]. Auf die Unternehmensberatung übertragen bedeutet dies, dass die Beratungsleistung durch oder über einen Computer erbracht wird. Natürlich ist dies eine plakative Beschreibung, aber was bedeutet „durch oder über den Computer erbracht“. Wird eine Beratung schon dadurch digital, dass sich Berater und Kunde nicht mehr Auge in Auge gegenübersitzen, sondern über eine Videokonferenz verbunden sind? Wohl kaum. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass natürlich heutzutage auch remote beraten wird. Aber ebenso wenig wie eine Metro zu einem Amazon wird, indem sie lediglich einen Onlineshop eröffnet, wird auch eine Beratung nicht zur digitalen Beratung, indem sich der Berater lediglich vor die Webcam setzt. Was heißt dann digitale Beratung?
Im Kern wird IuK Technologie branchenübergreifend genutzt, um Prozesse effizienter und/oder effektiver zu gestalten. Dabei den Berater in den Mittelpunkt zu stellen, scheint zu kurz gegriffen. Der Kunde ist schließlich weniger an dem Berater selbst interessiert als vielmehr an seinem Wissen bzw. letztendlich an einer Problemlösung [8]. Insofern stellt sich die Frage, wie Beratungsprozesse digital transformiert werden können, um dem Kunden effizient und effektiv Zugriff auf Wissen zur Problemlösung zu ermöglichen. Und derartiges Wissen muss nicht zwangsläufig von einem Berater kommen, es kann in digitalen Bibliotheken des Beratungshauses liegen oder auch mittels elektronischen Instrumenten beim Kunden selbst erschlossen werden.
Gleichzeitig ist Beratung ein mehrstufiger Prozess. Abb. 2 zeigt ein typisches Phasenmodell einer Beratungsleistung. Es beschränkt sich nicht auf die Beratungsdurchführung selbst, sondern umfasst eine Folge von Tätigkeiten, die in der Summe die Beratung ausmachen. Und natürlich kann die Transformation zur digitalen Beratung nur gelingen, wenn die Leistung ganzheitlich digital unterstützt wird. Die elektronische Unterstützung muss durchgängig von der ersten Problemerkennung des Kunden bis zur Bewertung der Problemlösung durch die Beratung erfolgen, ein Schritt nahtlos in den anderen übergehen. Insofern wird einmal mehr klar, wie weit eine Beratung über eine Videokonferenz von digitaler Beratung entfernt ist.
Auch wenn hier nicht ein vollständiger Entwurf einer solchen digitalen Beratung skizziert werden soll, sollen dennoch einige Aspekte dargestellt werden, die notwendige Voraussetzungen für eine Digitalisierung darstellen und immer mit einer solchen einhergehen:- Standardisiert:
Digitalisierung kann nur gelingen, wenn die Leistungen hinreichend standardisiert sind. Dies ist in zweierlei Hinsicht notwendig: Einerseits ist es erforderlich für eine strukturierte Erfassung der Leistungen, andererseits greifen die effizienzsteigernden Effekte besser bei standardisierten Leistungen. - Modularisiert:
Digitalisierung funktioniert oft nach dem Prinzip des „divide and conquer“. Große Einheiten werden in kleine aufgesplittet und für diese kleineren Teile dann Lösungen bereitgestellt. Dies erlaubt mächtige digitale Lösungen bei gleichzeitiger Komplexitätsreduktion zu entwickeln. - Anpassbar (Customizable):
Um vor dem Erfordernis einer Standardisierung dennoch passgenaue Kundenlösungen anbieten zu können, ist es notwendig, die standardisierten Bausteine anpassen (customizen) zu können. Im Gegensatz zu einem individuellen Beratungsansatz werden hierbei vordefinierte Parameter gemäß den Kundenerfordernissen angepasst und die Lösung dann aus diesen parametrisierten Bausteinen zusammengefügt. - Integriert:
Digitalisierte Beratung kann nur erfolgreich sein, wenn sie keine isolierten Einzellösungen für Teilprobleme bereitstellt, sondern den gesamten Beratungsprozess integriert unterstützt. Dies bedingt, dass den Kunden auch die Informationen von vorherigen Beratungsprozessen in Echtzeit und online zur Verfügung stehen - Kunden-befähigt (Customer-serviced):
In digitalen Beratungsprozessen verschwimmt zunehmend die Grenze zwischen Beratungsanbieter und Kunde. Der Kunde wird selbst Teil der Lösungsfindung, sowohl konzeptionell als auch operativ. Dies kann sogar so weit gehen, dass Kunden sich nach Maßgabe des digitalen Dienstes selbst beraten. - Sozial:
Eine eins-zu-eins Konstellation wird bei digitaler Beratung eher die Ausnahme sein. Vielmehr geht es um die elektronische Einbeziehung aller Stakeholder innerhalb (und ggf. außerhalb) des zu beratenden Unternehmens.
Digitale Beratung ist „responsive business“
Zielsetzung eines „responsive business models“ ist es, effizient auch kleinste Marktsegmente bedienen zu können. Dies gelingt insbesondere durch eine schnelle und leichte Anpassbarkeit der Leistungen. Im Kern ist es genau dies, was digitale Beratung leistet. Durch die Digitalisierung wird Beratung leichter, schneller und kostengünstiger erbringbar. Einerseits ist dies die Folge der Kommunikation über das Internet: Berater sind nicht mehr ortsgebunden (oder auf Reisen angewiesen) und können damit auch stundenweise eingesetzt werden. Damit können Beratungsleistungen erbracht werden, die vorher nicht kosteneffizient zu leisten gewesen wären. Andererseits ermöglicht die Modularisierung kundenindividuelle Beratungspakete zusammenzustellen, die sowohl eigene, als auch fremderbrachte Leistungen erfasst. Diese Zusammenstellung aus standardisierten, aber anpassbaren Leistungen kann dabei im Prinzip sogar der Kunde selbst übernehmen, so dass auch Vertriebsaufwände wegfallen können.
Insgesamt ergeben sich aus der digitalen Beratung zwei entscheidende Potentiale: Zum einen kann die Beratungsleistung effektiver und effizienter angeboten werden. Berater können flexibler eingesetzt werden, ihr Wissen mehrfach parallel bei verschiedenen Kunden eingesetzt werden. Zum anderen erschließt digitale Beratung neue Kundensegmente, nämlich jene Kunden, deren Problemstellungen zu klein oder zu unzusammenhängend sind, als dass sich der Einkauf von Beratern wirtschaftlich tragen würde.
Die dafür notwenigen Technologien sind allerdings erst in Ansätzen verfügbar. Ähnlich wie es einige Zeit gebraucht hat, bis sich eine digitale Infrastruktur für Software (z.B. der App-Store von Apple) durchgesetzt hat, wird es Zeit brauchen, bis entsprechende Systeme für die Beratung entwickelt und etabliert sind. Auch der Beratungskunde wird sich an diese neue Welt erst noch gewöhnen müssen. Der Markt steckt also noch in den Kinderschuhen, aber das Wachstum ist bereits sichtbar. Die digitalisierte Beratung als responsive Dienstleistung bildet eine langfristig vielversprechende Grundlage für die zukunftsfähige Unternehmensberatung. Die Frage bleibt, wer als erster dieses Innovationspotential für sich zu nutzen weiß.
Die Zuordnung der Quellen finden Sie unter folgendem Link: https://www.im-c.com/de/
Dirk Werth, Tobias Greff