Herr Professor Picot, in einem Ihrer Vorträge zitieren Sie den französischen Soziologen und Philosophen Bruno Latour mit den Worten: „Change the instruments and you will change the entire social theory that goes with them”. Verändert die digitale Transformation tatsächlich unsere Arbeitswelt so fundamental?
Mit diesem Zitat wollte ich darauf hinweisen, dass in den meisten Diskussionen über den Zusammenhang zwischen Technologie, Gesellschaft und Wirtschaft die Technologie eigentlich nie integraler Bestandteil der Modelle ist, die man dabei im Kopf hat. Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie die Welt sich verändert, geht es meist um soziale und ökonomische Theorien, die sich aber nicht explizit mit den technologischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Man stellt letztere eher als Randbedingungen und nicht als Voraussetzungen dar. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fehler, weil dadurch die Dynamik, die durch veränderte Werkzeuge, die der Mensch sich permanent schafft, aus dem Blickfeld fällt. Latour ist einer der wenigen, die die Gesamtsituation integrativ betrachten. Wenn man das tut, dann wird auch der Veränderungscharakter durch die Technologien sehr viel stärker in den Fokus gerückt. Man kann den Menschen und seine Arbeit nur richtig interpretieren und die richtigen Gesetzmäßigkeiten ableiten, wenn man weiß, welcher Hilfsmittel er sich bedient. Ein einfaches Beispiel dafür: In den 60er, 70er und 80er Jahren war man noch überzeugt davon, dass ein Mensch mit 20-30 Kommunikationskontakten am Tag seine Belastungsgrenze erreicht. Bei Managern waren das vielleicht 40 oder 50, aber das galt schon als extrem. Dabei hat man natürlich die damaligen Hilfsmittel und Techniken zur Kommunikation im Auge gehabt. Die Voraussetzungen haben sich unterdessen dramatisch verändert. Wir verfügen nun über ganz andere Hilfsmittel. Heute ist es daher nichts Besonderes mehr, wenn jemand 100 Kommunikationskontakte hat, wobei Kinder, Jugendliche und natürlich auch Manager täglich weitaus mehr haben. An diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, dass sich die Art, wie der Mensch sich bewegt, fundamental verändert, weil wir heute völlig andere Hilfsmittel haben.
Diese Entwicklung wirkt sich jetzt auch auf die Arbeitswelt aus. Wenn wir Hilfsmittel haben, die uns von den routinierten Arbeiten entlasten können, und uns zugleich Zugriff auf Daten und Kommunikationspartner verschaffen, dann verändert sich auch die Arbeitswelt fundamental. Das geht nicht über Nacht, aber doch in großen Schritten. Die Vorstellung, dass Arbeit in Büros oder großen Fabriken stattzufinden hat, reduziert sich sehr oder wird marginalisiert, weil Arbeit anders abgewickelt werden kann. Denken wir doch an die vielen dezentralen und mobilen Möglichkeiten bis hin zum 3D-Druck, der ja erst noch auf uns zukommt. Das zeigt, dass starke technische Entwicklungen die Arbeitswelt genauso dramatisch verändern, wie es auch im 18. und 19. Jahrhundert bei der ersten industriellen Revolution der Fall war.
In Zeiten, in denen wir keine großen Technologiesprünge haben, sondern alles in kleinen, inkrementellen Schritten verläuft, merkt man das nicht so sehr. Sobald der Mensch aber anfängt, kreativ Neues zu entwickeln, dann verändert das die gesamte Gesellschaft.
Führen die erwähnten neuen Arbeitsformen, wie etwa das Crowdsourcing, nicht am Ende unsere sozialen Errungenschaften ad absurdum? Kann es ein gesellschaftliches Ziel sein, das System des ‚worker on tap‘ zu etablieren, nur weil die Technologie es möglich macht?
Die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Arbeitswelt verändern die sozialen Errungenschaften und schaffen neue. Sie machen alte obsolet, die dann angepasst werden müssen. Wenn wir über Crowdsourcing sprechen, dann müssen wir auch sagen, dass nicht jedes Crowdsourcing auf Microtasks hinausläuft. Es gibt auch Crowdsourcing Plattformen, die auf innovative, durchaus kreative und komplexe Aufgaben ausgerichtet sind. Über solche Plattformen werden Ideen eingefordert oder generiert und schwierige Aufgaben gestellt und gelöst. Es stellt sich natürlich unter anderem die Frage, wie man solche Aufgaben honoriert.
Aber man muss auch sehen, dass hier auf einmal Ideenträger zum Zuge kommen, die sonst gar keine Chance hätten. Und selbst bei den einfachen Crowdsourcing-Ausschreibungen muss man sehen, dass Menschen zu Arbeit kommen können, die sonst keine Möglichkeiten gehabt hätten – seien es Menschen, die aus welchen Gründen auch immer keiner geregelten Tätigkeit nachgehen können oder auch Menschen aus Ländern, in denen es wenig Arbeit gibt. Dies ist für uns vielleicht nicht so beglückend, aber enorm wichtig für diese Länder. Diese Tätigkeiten sind in Einzelfällen nicht gut bezahlt, aber diese Plattformen können auch positive Effekte haben, weil sie Menschen in die Arbeitsprozesse bringen, die sonst keinen Weg gefunden hätten, sich daran zu beteiligen.
Natürlich wird der Wettbewerb um Aufträge für bestimmte, eher einfachere Aufgaben intensiver, und das kann auch den Lohn drücken. Andererseits können sich bei qualifizierten Aufgaben, wenn es darum geht, exzellente Fachleute anzuziehen, die knapp sind, durchaus höhere Entgelte durchsetzen.
Wenn man nun danach fragt, welche sozialen Errungenschaften hier auf dem Spiel stehen, dann ist es sicher richtig festzustellen, dass alte Arbeitszeitregeln und alte Arbeitsplatzvorschriften nicht mehr greifen können. Hier wird man sich umorientieren müssen. Das heißt aber nicht, dass die Situation danach schlechter ist. Wir haben in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass viele Leute froh sind, diese neue Flexibilität nutzen zu können. Es geht ja nicht nur um Crowdsourcing, es geht um flexibles Arbeiten was Ort und Zeit angeht, weil man dann die Arbeit besser mit anderen Themen im Leben abstimmen kann. Die alten Vorstellungen, dass man abends keine E-Mails mehr vom Chef kriegen sollte und selbst keine mehr bearbeitet, sind ein Modell von gestern. Natürlich ist das ein riesiger Lernprozess, der nicht einfach zu bewältigen ist. Er bedarf einer gewissen Autonomie und eines gewissen Selbstbewusstseins dafür, dass man sich nicht in jeder Situation verpflichtet fühlt, sofort zu reagieren, wenn eine Anfrage kommt. Umgekehrt muss derjenige, der die Anfrage stellt, damit rechnen, dass nicht sofort reagiert wird. Hier geht es um das richtige Selbstmanagement, das sich selbstverständlich in allseitigen Lernprozessen herausbildet. Die Alternative wäre ja nur, den neuen Bedingungen die alten Gegebenheiten der Industrialisierung überzustülpen, was definitiv nicht funktionieren würde. Man kann die neuen Freiheitsspielräume nicht wieder eingrenzen – das lassen die die Menschen selbst nicht zu, weil sie die Flexibilität eigenverantwortlich nutzen wollen!
Bei virtuellen Arbeitsformen erfüllt eine global vernetzte Online Community aus dislozierten Individuen eine von einem beliebigen Unternehmen gestellte Aufgabe. Besteht hier nicht die Gefahr der mangelnden Identifikation mit dem Endprodukt und auch den jeweiligen Unternehmenszielen? Wie sieht es dann mit dem Qualitätsbewusstsein aus?
Diese Problemstellung sehe ich nicht. Es geht um eine Entwicklung, bei der wir Aufgaben, die erledigt werden sollen, von dem internen, integrierten Unternehmensprozess teilweise entkoppeln können. Und wenn solche Aufgaben teilweise übertragen werden, via Internet oder auch über andere Verbindungssysteme, dann bedeutet das ja nicht, dass die Leute ihre Arbeit schlecht machen, weil sie nicht jeden Tag im Unternehmen sind. Sie erledigen eben eine Aufgabe, für die sie ein Entgelt bekommen, sie tun dies auch engagiert und motiviert. Faktisch haben wir es mit Selbständigen beziehungsweise Freelancern oder kleinen Unternehmen zu tun, die für mehrere Auftraggeber arbeiten. Das beobachten wir heute schon in ganz klassischen Bereichen – viele Handwerker, Ärzte oder auch Steuerberater und Kreative arbeiten so. Die Technologie, von der wir sprechen, erlaubt es auch, viele Aufgaben zu autonomisieren, sodass es leichter ist, die Aufgabe relativ autonom zu erledigen und dann mit anderen Aufgaben zu verknüpfen, ähnlich wie beim Legosystem. Nicht jeder, der einen Legostein produziert, muss zwingend mit demjenigen in Kontakt sein, der den Legostein später einbaut. Es muss nur die Qualität des einzelnen Legosteins stimmen. Dass Freelancer gute Arbeit abliefern und froh sind, wenn der Auftraggeber zufrieden ist, lässt sich kaum bestreiten. Eine andere Frage ist, ob unsere sozialen Systeme diesen Gegebenheiten gewachsen sind. Da haben wir in Deutschland große Probleme, die sich noch steigern werden. Tendenziell entwickeln sich derzeit mehr und mehr Arbeitsverhältnisse auf Freelance-Basis, aber unsere Sozialsysteme konzentrieren sich fast ausschließlich auf traditionelle Arbeitsverhältnisse. Ich verstehe nicht, warum wir etwa unsere Abgaben für die Altersversorgung nicht auf alle Einkünfte, egal durch welche Arbeitsform sie generiert werden, erheben – so wie es die Schweiz schon seit Jahrzehnten tut. Damit kann man ein soziales Sicherungssystem aufbauen, an dem alle mitarbeiten.
Virtuelle Arbeitsorganisationen bedeuten sicher auch ganz neue Herausforderungen für die verantwortlichen Manager? In welchen Bereichen ist ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit den Mitarbeitern notwendig?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Zum einen muss man sich intern, im Unternehmen selbst, der Digitalisierung stellen. Schließlich werden ja vorrangig nur Teilaufgaben ausgelagert. Auch in den Unternehmen selbst wollen und können Menschen zunehmend flexibel arbeiten. Das bedeutet, dass man es nicht bei der klassischen hierarchischen Kommunikation bewenden lassen kann. Hinzu kommt die verstärkte Notwendigkeit der bilateralen und horizontalen Kommunikation. Man braucht ad hoc Kommunikation, um Teams zusammenzustellen und zugleich der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Menschen im Hinblick auf Ort und Zeit flexibel arbeiten. Das macht ein anderes Verständnis von Kommunikation notwendig. Das Management muss sehr viel flexibler sein und die Tatsache berücksichtigen, dass die Menschen selbstbestimmter sind und Kommunikationsgewohnheiten aus ihrem Privatenleben in die Organisation mithineintragen. Gleichzeitig muss man die Mitarbeiter aber – je nach Qualifikation – verstärkt begleiten und einbinden. Man muss ihnen die Unternehmenszusammenhänge erläutern, damit sie wissen, in welchem Kontext sie agieren.
Die zweite, noch größere Herausforderung stellt das Management der Außenbeziehungen zu den verschiedenen Dienstleistern dar. Schließlich wurden diese bislang meistens von der Beschaffungsabteilung gesteuert. Es wurden Lieferanten identifiziert und dann mit ihnen verhandelt. Das wird künftig so nicht mehr flächendeckend möglich sein. Vor dem Hintergrund, dass Inputs über Crowdsourcing-Plattformen und ähnliche Mechanismen generiert werden, muss man sich ganz neue Gedanken machen, nämlich wie qualifiziert und wie reputierlich sind meine Input-Lieferanten und wie kann ich dafür sorgen, dass sie motiviert bleiben? Ich muss mich als Manager fragen, ob ich mich für ein Leistungsentgelt entscheide oder eher ein Zeitentgelt anbiete. Ist es sinnvoll, bei Innovationen einen Wettbewerb mit einem Preisgeld zu veranstalten? Als Manager muss ich zudem Wege finden, um dafür Sorge zu tragen, dass einerseits das Know-how aus meinem Unternehmen nicht abfließt und mir zum anderen das Know-how, das von außen kommt auch zur Verfügung steht, also IP (Intellectual Property) Themen. Hinzu kommen organisatorische Fragen, etwa, wie man überprüfen kann, ob die Grenzen zwischen innen und außen richtig gezogen sind, ob noch weitere Aufgaben in der Vernetzung mit der Welt erledigt werden können oder ob man andere wieder zurückholt, weil sie zu spezifisch und zu schwierig zu kommunizieren sind. Hier kommen viele unternehmerische und kontraktbezogene Aufgaben auf die Manager zu, die bislang nicht im klassischen Management zum Tagesgeschäft gehörten.
Aus Ihren Ausführungen ergibt sich, dass sich Unternehmen in ihrer gesamten Organisation verändern müssen, um sich der digitalen Transformation aussichtsreich zu stellen. Welchen generellen Rat haben Sie für Unternehmen, damit sie zukunftsfähig bleiben und auch morgen noch erfolgreich am Markt agieren können?
Das ist eine ganz schwierige Thematik, weil viele Unternehmen der Meinung sind, dass, wenn sie jetzt ihre Prozesse digitalisieren, also vernünftige ERP Systeme einführen und die Prozesse mit IT-Systemen hinterlegen, dann seien sie in der digitalen Welt angekommen. Solche Maßnahmen zur Digitalisierung der internen und auch externen Prozesse sind zwar notwendig, wenn nicht sogar selbstverständlich, aber viel wichtiger ist es, zu versuchen, das Unternehmen ganz neu zu denken. Man muss sich klar machen, dass man jetzt beispielsweise Daten potenziell zur Verfügung hat, die die Situation, in der sich ein Kunde befindet, weitgehend abbilden können. Ich muss mich als Manager fragen: Wie kann ich durch das Auswerten meiner und auch externer Daten meinen Kunden besser helfen? Wie kann ich seine Probleme besser lösen? Auch klassische Industrieunternehmen können jetzt auf diesem Wege zu Dienstleistern werden und dürfen diese Chance nicht verpassen. Das heißt, man muss sich mehr denn je fragen, was für ein Problem der Kunde gelöst haben will. Wenn etwa ein Werkzeugmaschinenhersteller bestimmte Anlagen verkauft, mit denen sich bestimmte Bohrungen oder Fräsungen durchführen lassen, dann wird bislang nach dem Prinzip „Ich baue eine Anlage und verkaufe sie“ agiert. Jetzt kann man sich fragen: Will der Kunde tatsächlich eine Bohrmaschine oder einen Fräsautomaten haben oder möchte er vielmehr ein bestimmtes Werkstück in einer bestimmten Art verändern – Und genau das tut ja meine Anlage. Hier ergibt sich nun die Möglichkeit, jene bestimmten Veränderungen als Dienstleistung zu verkaufen. Den Kunden interessiert dabei nicht, mit welcher Anlage ich das bewerkstellige oder ob ich mir sogar einen weiteren Dienstleister hinzuziehe, um die geforderte Qualität zu sichern. Das ist dann ähnlich wie heute schon beim Handwerker. Dieser bekommt einen Auftrag und welche Hilfsmittel er zur Realisierung verwendet ist dem Kunden dann gemeinhin egal, Hauptsache, das Ergebnis stimmt.
Ich bin davon überzeugt, dass die Industrie letztlich einen sehr viel stärkeren Dienstleistungscharakter bekommen wird und dass sie dafür viele Daten aus ihrer Produktgeschichte und aus ihren eigenen Kundenbeziehungen auswerten kann und muss. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, um bestmögliche und damit konkurrenzfähige Leistungen abzuliefern. Diese Erkenntnisse kann und sollte man auch auf andere Felder übertragen, weil sich an vielen Stellen ganze Geschäftsmodelle verändern werden. Ging man ursprünglich nach dem Prinzip „Produkte erfinden, Produkte produzieren, Produkte verkaufen“ vor, so gilt das künftig nur noch mit Einschränkungen. Produkte, die man kennt, stellt man jetzt in einen größeren Kontext. Dabei steht im Vordergrund, was der Kunde wirklich braucht. So vereinbart man zum Beispiel mit ihm eine monatliche Zahlung für eine Dienstleistung oder eine Zahlung pro erbrachter Leistung. Ganz konkret ändert sich beispielsweise auch die Vorstellung vom IT-Outsourcing. Hat man bislang seine Technik auf fremden Servern laufen und dort warten lassen, so macht die Entwicklung jetzt einen großen Sprung nach vorne: Unternehmen werden sich nicht mehr mit den Softwareprogrammen und ihren einzelnen Möglichkeiten beschäftigen, sondern sie möchten, dass ihre Fabrik oder ihr Büro IT-technisch funktioniert. Man denkt also vom Ergebnis her und dafür bezahlt man einen Dienstleister. Dabei ist dem Dienstleister überlassen, welche Technologie er einsetzt. Auf diese Weise wird der IT-Dienstleister teilweise zum Mitunternehmer. Manche Kunden vereinbaren dabei neben der monatlichen Vergütung eine Beteiligung am Erfolg des Unternehmens. Der Mitunternehmer als Dienstleister profitiert dann auch davon, wenn es dem Unternehmen gut geht. Das bedeutet natürlich auch eine neue und interessante Risikoverteilung und es zeigt auf, dass man Geschäfte heute ganz anders denken kann. Ein weiterer Aspekt, auf den sich Unternehmen einlassen müssen, ergibt sich aus der Tatsache, dass man heute sehr viel virtuell erledigen kann, was man früher physisch tun musste. Man denke da nur an virtuelle Abbildungen von Infrastrukturen, die erheblich veränderte und verbesserte Analyse-, Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten eröffnen, egal für welche Prozesse. Auch dieser Punkt wird häufig unterschätzt. Man nutzt nicht die Chancen der Digitalisierung, um die eigenen Wertschöpfungsprozesse besser abzubilden und in Echtzeit zu justieren. An diesen Stellen aber entstehen völlig neue Möglichkeiten der Effizienzsteigerung, der Qualitätsverbesserung und auch der individuellen Kundenbedienung. Das geht weit über die IT-Unterstützung der traditionellen Prozesse hinaus. Gerade für die Prozessindustrien in Chemie, Pharma oder Grundstoffen eröffnen sich hier erhebliche Möglichkeiten, aber auch für viele Felder des technischen Service.
Die Herausforderungen sind also vielfältig. Wie gut sind deutsche Unternehmen und ihre Manger darauf vorbereitet und wie stehen sie im internationalen Wettbewerb da?
Ich glaube, dass der Veränderungsprozess bei einigen schon angekommen ist, die als mutige Vorreiter Erfahrungen sammeln. Insbesondere bei jungen Unternehmen, bei Start-ups, ist die Nachricht bereits angekommen. Diese sehen in den neuen Möglichkeiten auch einen neuen Markt. Schwieriger wird es bei Unternehmen, die eine lange Vergangenheit haben und in traditionellen Strukturen verhaftet sind. Diese Verfestigung ist auch gar nicht zu vermeiden, sie ergibt in vielen Zusammenhängen auch Sinn. Wenn dann das Management nicht offen und weitsichtig genug ist, um die Dinge in Frage zu stellen und neu zu denken, kann dies durchaus zu Schwierigkeiten führen.
Ich glaube, dass es in den deutschen Unternehmen zum Teil daran hapert, dass die Digitalisierung als etwas wahrgenommen wurde, das man der IT-Abteilung überlässt, die die Systeme instand hält, aber nicht als etwas, das man als integralen Bestandteil der Unternehmensentwicklung betrachtet. Daher wird die Digitalisierung nicht Teil der Unternehmensstrategie oder des Unternehmensselbstverständnisses. Das muss sich ändern und da ändert sich auch langsam etwas. Ob aber dann die fachliche Qualifikation und die innere Überzeugung der Verantwortlichen vorhanden sind, das muss sich zeigen. Wenn das nicht der Fall ist, wird man auch die ganze Transformation der Unternehmen nicht stemmen können. Es wird darauf ankommen, zu verstehen, welche disruptiven und grundlegenden Herausforderungen, sowohl für das Geschäftsmodell und die Strategie als auch für Arbeitsformen, entstehen. Ich glaube, dass das im Management sehr unterschiedlich verteilt ist. Da gibt es die einen, die dies erkennen und daran arbeiten und andere, die dies nicht als eine zentrale Aufgabe ansehen. Hier muss sich etwas ändern, wenn wir den Entwicklungen nicht hinterherhinken wollen!
Arnold Picot, Irmhild Plaetrich