Durch die derzeitige Digitalisierung gewinnen Begriffe wie Big Data und damit in Verbindung stehende Analysemethoden wie Predictive Analytics mehr und mehr an Bedeutung. Diese stellen Unternehmen zwar einerseits vor neue Herausforderungen bezüglich des Umgangs und der Implementierung, verschaffen ihnen aber auch die Möglichkeit, fundierte Prognosen zur Entscheidungsunterstützung zu erstellen.
Predictive Analytics nutzen unter anderem moderne Techniken des Data Mining zur Mustererkennung in historischen Daten beziehungsweise das Maschinelle Lernen, wodurch Computer befähigt werden, Wissen selbstständig zu generieren. Typische bisherige Anwendungsfelder für diese Prognosemodelle lassen sich zum Beispiel im Bereich von Ausfallrisiken bei Krediten oder Absatzprognosen finden. Jedoch macht diese Nutzung Unternehmen nur bedingt anpassungsfähig. Eine Lösung dazu scheint die enge Vernetzung eines Resilienz-Managements mit Predictive Analytics zu sein, um auch unvorhergesehene Situationen wie Krisen besser bewältigen zu können und damit langfristig am Markt bestehen zu können.
Die Digitalisierung findet heutzutage nicht nur Einzug in die Produktion (Industrie 4.0) oder die Administration von Unternehmen, sondern wird mittlerweile auch verstärkt im Forecasting der Unternehmensplanung oder Marktanalysen eingesetzt [1]. In diesem Zusammenhang wird oft auch von Predictive Analytics zur Prognose zukünftiger Entwicklungen gesprochen [2]. Unter Predictive Analytics versteht man einen Methodenwerkzeugkasten, der auf Basis eines Datensatzes Zusammenhänge untersucht, um darauf aufbauend Muster zu erkennen, die es Unternehmen ermöglichen, Entwicklungen vorherzusehen. Predictive Analytics sind keine Erscheinung des „Digital Age“. Verschiedenste Analysemethoden werden schon seit langem in Unternehmen, beispielsweise zur Bestimmung von Kreditausfallrisiken im Bankenbereich, Absatzprognosen im Einzelhandel oder Schätzungen für das erwartete Passagieraufkommen bei Fluggesellschaften, eingesetzt. Allerdings haben sich durch das erhöhte Datenaufkommen (Big Data) und die verbesserte computergestützte Verarbeitung von Daten die Anwendungsmöglichkeiten von Predictive Analytics stark erweitert und somit auch deren Einsatzhäufigkeit erhöht.
Der Nutzen von Predictive Analytics
Um für Unternehmen relevante Prognosen zur Entscheidungsunterstützung zu erstellen, kann dank des technologischen Fortschritts mittlerweile auch verstärkt auf das Maschinelle Lernen, als ein Werkzeug der Predictive Analytics, zurückgegriffen werden. Dabei werden Computersysteme befähigt, Wissen eigenständig aufzunehmen und zu ergänzen, um ein vorhandenes Problem besser zu lösen (Beispiel „Watson“ von IBM) [3]. Predictive Analytics ermöglichen es Unternehmen somit, verstärkt proaktiv und zukunftsgerichtet zu agieren, was insbesondere im stark volatilen Umfeld des „Digital Age“ überlebenswichtig erscheint [4]. Doch Predictive Analytics können nur so gut sein, wie es die Datenbasis und die daraus gewonnenen Muster, die einer kausalen Interpretation bedürfen, zulassen. Prognosen, die mit Hilfe von Predictive Analytics erstellt wurden, sind somit nur aussagekräftig, wenn eine Konstanz in der zukünftigen Weiterentwicklung der Datengrundlage, also der Zusammensetzung der Daten und Ereignisse gegeben ist. Kommt es jedoch zu einem späteren Strukturbruch, das heißt treten Ereignisse und damit Datenausprägungen auf, die keine Weiterentwicklung des vorherigen Datenmusters sind, so stimmen die Vorhersagen aus dem ursprünglichen Datensatz nicht mehr. Eine erneute Parameterschätzung hilft dann nur auf Basis eines fortgeschriebenen Datensatzes, der die neusten, nicht-konsistenten Entwicklungen enthält.
Trotzdem helfen Predictive Analytics Unternehmen dabei, sich sehr schnell auf neue Situationen einzustellen und erhöhen damit deren Flexibilität. So verhalf der gezielte Einsatz dieser Planungsinstrumente einem Automobilzulieferer dazu, kurzfristig Szenarien über die zukünftige Auslastung der Produktionsstätten durchzuführen und damit die Finanzkrise erfolgreich zu überstehen. Mittels computergestützter Szenarioanalysen konnte hierbei binnen weniger Tage die Auslastung geprüft, die Kapazität angepasst sowie die künftig wahrscheinlich unrentablen Fabriken rechtzeitig geschlossen werden [5]. Ähnliche Erfahrungen machte ein großer Lebensmittelkonzern, der durch die Kombination eines integrierten „Sales and Operations Planning“ Prozesses und Supply Market Intelligence die Möglichkeit hatte, gezielte Maßnahmen in Bezug auf mögliche Szenarien vorzunehmen und somit potentielle Ergebniseinbußen zu kontrollieren [6]. Besonders innovativ erscheint die Nutzung von Sentimentanalysen (Sentiment Detection), die durch eine automatische qualitative Auswertung von Texten (unter anderem auch im Web 2.0) Stimmungen und Einstellungen zu bestimmten Produkten, Firmen oder Ähnlichem erkennen und somit eventuelle Risiken in Form von Umsatzrückgängen oder Abwanderungen größerer Kundenkreise frühzeitig entdecken können [7]. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Nutzung von Predictive Analytics als Prognoseinstrument für kalkulierbare Entwicklungen den Unternehmen dazu verhilft, sich an die jeweiligen Bedingungen besser und schneller anzupassen.
Die richtige Implementierung von Predictive Analytics
Eine wichtige Voraussetzung für eine effektive Nutzung dieser Instrumente stellt eine enge Verzahnung der Predictive Analytics mit bestehenden Organisationsabläufen dar. Schlegel beschreibt dazu das 4-E Modell, das von IBM zur Implementierung von Predictive Analytics definiert wurde. Abbildung 1 verdeutlicht dieses Modell anhand von Kurzbeschreibungen der Prozessschritte Educate, Explore, Engage und Execute sowie der potentiellen Hürden im Integrationsprozess [8].
Der logische Aufbau dieses Modells vereinfacht eine Einbettung im Unternehmen. Schafft man es damit, Predictive Analytics in die bisherigen Organisationsabläufe eines Unternehmens zu integrieren, so steigert dies in erheblichem Maße die Effektivität dieser Planungstools und damit notwendigerweise die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens. Zur optimalen Integration von Predictive Analytics scheint es neben dem 4-E Prozess dienlich zu sein, sich der internen Unternehmenskommunikation gemäß der Resilienz-Management-Prinzipien zu bedienen [9]. Die damit einhergehende höhere Bekanntheit, Akzeptanz und schlussendlich stärkere Verbreitung dieser Prognoseinstrumente im Unternehmen verstärkt zudem die Wirkung dieser Methoden. Darüber hinaus sollten die Datenerfassung, die Strategieentwicklung sowie die letztendliche Ausführung der Phasen Explore, Engage und Execute in den entsprechenden Fachbereichen erfolgen, da der Strategieentwurf, der die Integration von Predictive Analytics begleitet, vor dem Hintergrund des geschäftlichen Nutzens und der technischen Machbarkeit geprüft werden muss. Aus diesem Grund werden in vielen Unternehmen mittlerweile verstärkt Competence Center im Bereich Business Intelligence gegründet. Damit wird eine ganzheitliche und fachmännisch begleitete Implementierung sowie eine kontinuierliche unternehmensspezifische Weiterentwicklung von Predictive Analytics sichergestellt [10]. Die erfolgreiche Integration dieser Methoden verspricht den Unternehmen beispielsweise, Kundenverhalten besser vorauszusagen und darauf schneller reagieren zu können. Dadurch verbessert sich die Widerstandsfähigkeit in Bezug auf Absatzschwankungen (Kapazitätsplanung) zum Beispiel durch Kundenabwanderungen (Produkt- und Leistungsanpassung). Um das Anwendungspotenzial von Predictive Analytics optimal auszuschöpfen, ist insbesondere bei hoher Umfelddynamik eine kurze Zeitspanne von der Analyse der Daten bis hin zur Entscheidungsfindung wichtig [11]. Außerdem müssen zur Nutzenmaximierung die Erkenntnisse der Analysen direkt beim externen Kunden oder internen Entscheidungsträger eingesetzt werden, um diese zum Handeln zu bewegen [12].
Strukturbrüche und Predictive Analytics
Doch selbst die intensivste Einbindung und Nutzung von Predictive Analytics, schützt Unternehmen nicht vor plötzlich auftretenden Veränderungen im Geschäftsumfeld oder unvorhergesehenen Ereignissen (Strukturbrüchen). Ein Beispiel hierfür ist das Tohoku Erdbeben und die damit in Verbindung stehenden Reaktorunfälle unter anderem in Fukushima, die für die Energiebranche ein enormer Rückschlag waren, für andere Branchen hingegen nicht. Vergangene Krisen sind ein Paradebeispiel für Strukturbrüche in den Daten, die die Prognosequalität der Predictive Analytics bestimmen, da laut Shaluf, Ahmadun und Said Krisen als eine abnormale Situation bezeichnet werden, die nicht vorherzusehen sind, also nicht den Mustern entsprechen, die auf der Analyse historischer Daten basieren [13]. Auch die Definition einer Krise nach Taylor als eine dramatische, unerwartete und unwiderrufliche Verschlechterung, welche zu Wohlfahrtsverlusten führt, verdeutlicht die Unvorhersehbarkeit von Krisen [14]. Dies macht deutlich, dass Krisen Unternehmen treffen können und selbst die beste Vorhersage dies kaum verhindern kann. Um sich somit als Unternehmen darauf einstellen zu können, ist es notwendig, die gesamte Organisation nach den Resilienz-Management-Prinzipien auszurichten und diese eng mit den Ergebnissen der Predictive Analytics zu verzahnen. Dies gelingt durch die Integration der Predictive Analytics Prozesse in die Organisationsabläufe [15]. Die Siemens AG geht diesbezüglich mit gutem Beispiel voran, indem sie Predictive Analytics in den Produktionsplanungsablauf integriert. Auch das Thema Smart Factory, das in Form einer flexiblen Just-in-Time-Produktion bei optimaler Auslastung das Ziel einer „resilienten Fabrik“ verfolgt, wird mit Hilfe von Predictive Analytics auf Basis großer Datenmengen (Big Data) vollzogen, wie das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung zeigt [16].
Unternehmen, die diese Symbiose aus Predictive Analytics und Resilienz-Management nutzen, sind sowohl in der Lage, die Entwicklungen am Markt besser vorherzusagen als auch durch die a priori gegebene Flexibilität Krisen besser zu meistern, was einer erhöhten Anpassungsfähigkeit entspricht.
Weiterführende Inhalte finden Sie unter folgendem Link: http://bit.ly/1Xy0ydc
Herbert Endres, Robert Helm