IM+io: Herr Faßbender, Sie haben die boxine GmbH gegründet, doch die Website ist praktisch nur ein Plakat, das auf die Toniebox-Seite verweist, erst dort erfährt man mehr über das tatsächliche Angebot und die Vertriebskanäle. boxine spielt demnach in der Kundenansprache keine Rolle?
PF: Wir haben im Dezember 2013 die boxine gegründet, um ein innovatives Audiosystem für Kinder zu entwickeln und unter der Marke Tonies auf den Markt zu bringen. Die Idee kam mir im Frühjahr 2013, als ich zum wiederholten Male feststellte, dass meine beiden Töchter mit zerkratzten CDs ankamen. Beide waren damals noch im Vorschulalter und aus Elternsicht noch nicht „reif“ für Tablets und Smartphones. Die Grundidee war daher, ein wirklich kindgerechtes System zu entwickeln, welches in der Bedienung die Kinder in den Mittelpunkt stellt und nicht mit einem Overkill an Funktionen daher kommt. Zielgruppe sind Kinder von drei Jahren bis ca. zehn Jahren, also bis zum Ende der Grundschulzeit. Und deren Eltern natürlich, denn gerade bei den Kleinen entscheiden die Eltern natürlich mit. Im B2B-Bereich sind es neben unseren Händlern aus den Bereichen Fachhandel, Buch und Spiel auch Bildungseinrichtungen oder Unternehmen, die Familien als wichtige Zielgruppe erkannt haben. Die Seite der boxine GmbH verweist in der Tat auf www. tonies.de, da wir mit der Marke Tonies „unterwegs“ sind – boxine ist für unsere Endkunden eigentlich nicht relevant.
IM+io: Die Toniebox ist ein Würfel, der als Lautsprecher funktioniert, wenn man ihm eine Figur aufsetzt, die aus der Cloud mit einem Hörspiel oder mit Musik beladen wurde. Wo liegt der tatsächliche Mehrwert gegenüber dem Tablet oder Smartphone der Eltern?
PF: Gerade in der heutigen Zeit können wir feststellen, dass die Sehnsucht nach etwas Haptischem groß ist. Ich bin sehr digital, habe lange für Digitalagenturen gearbeitet. Gleichzeitig höre ich aber immer noch Vinyl. Die gute alte Polaroid kommt zurück. Es macht Spaß, etwas Physisches in den Händen zu halten und sich nicht durch ein Gigabyte-Meer von Daten zu wühlen. Und wenn man dann möchte, dass seine Kinder sich völlig autark und unbedenklich mit ihrem eigenen Device beschäft igen können, dann sind Tablets und Co sicher nicht das richtige Gerät. Mit den Tonies – so nennen wir die Figuren – kann jedes Kind völlig selbständig die Toniebox nutzen und entscheiden, was es hören möchte. Spielerisch und bewusst. Das funktioniert einfach wunderbar, und es ist für uns die größte Freude zu sehen, dass diese Idee auch tatsächlich so gelebt wird!
IM+io: Die Toniebox ist keine disruptive Innovation, sondern eine spezifische Weiterentwicklung von Bestehendem, also von CD und Kassettenrekorder. Eröffnet das besondere Marktchancen oder müssen Sie zusätzliche Hürden nehmen?
PF: Der Begriff der disruptiven Innovation wird im Moment natürlich ziemlich strapaziert. Unser Produkt ist die Antwort auf eine Problemstellung im Kinderzimmer. Hier hat sich keine Abteilung eines großen Unternehmens hingesetzt, weil es mal wieder ein neues Produkt geben musste. Daher hat die Toniebox aus unserer Sicht eine große Berechtigung und Relevanz, die Herausforderungen sind sehr konkret: Eltern kennen das Problem der zerkratzten CDs in der Regel sehr gut.
IM+io: Ist die Toniebox nur der Anfang oder haben Sie Ihr Produkt grundsätzlich fertig entwickelt?
PF: Mit den Tonies und den Kreativ-Tonies haben wir gerade einmal den Anfang gemacht. Wir haben noch unendlich viele weitere Ideen, die erst das ganze Potenzial unserer Plattform zeigen werden. Insofern können wir schon sagen, dass wir hier noch einige Marktchancen sehen. Auch in Bezug auf die Internationalisierung unseres Konzeptes, hier wollen wir den Bereich „Hörspiel“ auch in anderen Märkten stärker ausbauen als bislang geschehen. Die Toniebox und die Tonies sind für sich genommen zwar schon sehr weit entwickelt, aber es gibt noch zahlreiche Optionen und Konzepte, die wir umsetzen wollen. Da die Toniebox updatefähig ist, können wir ohne Probleme weitere Funktionen aufspielen. So haben wir vor kurzem z. B. den „Flight- Mode“ integriert, damit man auf Flügen das WLAN dauerhaft deaktivieren kann. Auf Produktebene wird also auch noch einiges kommen, ebenso wie Zubehör und immer weitere Tonies. So planen wir gerade über 70 Tonies für das Jahr 2018.
IM+io: Der Erfolg eines neuen Unternehmens hängt nicht zuletzt in hohem Maße von den Gründern ab, was macht Ihr Start-up Team so erfolgreich?
PF: Das Unternehmen gegründet haben Marcus Stahl und ich. Zuvor haben wir unsere Jobs gekündigt, um uns zu 100 % auf die Tonies zu konzentrieren. Wir kannten uns aus der gemeinsamen Vorstandsarbeit in einem Kindergarten, in dem unsere Kinder waren. Das passte ja ganz gut zum Thema! Es gibt sicherlich viele Gründe, warum unser Konzept auch in der Umsetzung funktioniert hat, aber herausheben möchte ich vor allem die hohe Identifikation mit dem Produkt und der Vision der Tonies. Das war uns auch beim Aufbau des Teams extrem wichtig. Man kann im Prinzip alles lernen – und wir haben sehr viel gelernt – aber die Begeisterung ist entweder da oder nicht. So haben wir Begeisterung und Teamfit bei Personalentscheidungen deutlich höher bewertet als Qualifikation. Das hat ausgezeichnet funktioniert.
IM+io: Warum haben Sie Ihre Idee oder auch das fertige Produkt nicht an einen Spielwarenkonzern verkauft, sondern sind aus sicherer Anstellung das Risiko der Start-up Gründung eingegangen?
PF: Wir haben es ehrlich gesagt nie als Risiko gesehen. Im Vordergrund stand immer die Vision, die Tonies zu einem festen Bestandteil in Kinderzimmern zu machen. Dass Kinder, wenn sie selbst erwachsen sind, mit Freude an die Tonies zurück denken, das ist unser Traum! Wir erleben gerade die mit Abstand schönste berufliche Zeit unseres Lebens, was will man mehr? Viele fragen, wann wir denn die schwarze Null erreichen, aber das hängt von so vielen Entscheidungen ab, die man trifft oder nicht trifft, dass ich das im Moment nicht sagen kann. Bestimmte Entscheidungen kosten nun mal auch viel Geld. Wichtig ist aber: der Businesscase funktioniert! Mit 90.000 verkauften Tonieboxen und über 1.000.000 verkauften Tonies können wir das mit Fug und Recht behaupten, und das macht uns durchaus ein wenig stolz.