Code statt Klemmbrett:
Wie Prozesse intelligent wachsen
Ralf Schmidt, Scheer GmbH

(Titelbild: © Adobe Stock | 1222274209 | mist )
Kurz und Bündig
Die Biotech-Branche steht unter Druck: veraltete IT-Strukturen, regulatorische Hürden und steigende Nachhaltigkeitsanforderungen erschweren effiziente Prozesse. Digitale Lösungen wie SAP S/4HANA, BTP oder Digital Manufacturing ermöglichen durchgängige Datenintegration, Echtzeittransparenz und KI-gestützte Prozessoptimierung – vom Labor bis zur Produktion. Im Fokus stehen Automatisierung, Nachhaltigkeit, Compliance und eine skalierbare Transformation mit prozessorientiertem Ansatz.
Verkabelte Geräte, handschriftliche Notizen, doppelte Dateneingaben – so sieht der Alltag in vielen Biotech-Laboren noch immer aus. Während Anforderungen wachsen, fehlt es oft an durchgängigen digitalen Prozessen. Wie gelingt es, veraltete Strukturen zu überwinden und mit intelligenter Technologie neue Potenziale zu erschließen?
Die Biotechnologiebranche steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Globaler Wettbewerbsdruck, regulatorische Anforderungen, steigende Erwartungen an Nachhaltigkeit sowie der Wunsch nach beschleunigter Forschung und Produktion stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Digitalisierung bietet ein immenses Potenzial, diesen Herausforderungen zu begegnen – vorausgesetzt, sie wird strategisch, integriert und technologisch fundiert in einem prozessorientierten Ansatz umgesetzt. SAP-Komponenten wie S/4HANA, SAP Business Technology Platform (BTP), SAP Digital Manufacturing, SAP Business Data Cloud und SAP Joule spielen dabei eine zentrale Rolle.
Ausgangslage: Legacy-Prozesse als Innovationsbremse
In vielen Biotech-Unternehmen dominieren historisch gewachsene IT-Landschaften. Insellösungen, papierbasierte Laborjournale, nicht integrierte Produktionssysteme und manuelle Schnittstellen erschweren die durchgängige Datenverarbeitung und wirken innovationshemmend. Typische Schwächen dieser Legacy-Systeme sind:
- Medienbrüche zwischen F&E, Labor, Produktion und Qualitätssicherung
- Redundante Dateneingaben mit hoher Fehleranfälligkeit
- Fehlende Echtzeittransparenz in Herstellungs- und Analyseprozessen
- Aufwendige regulatorische Nachweispflichten (beispielsweise für FDA oder EMA)
- Begrenzte Skalierbarkeit und Innovationsfähigkeit
Digitalisierung als Treiber für Effizienz, Innovation und Nachhaltigkeit
Die Digitalisierung birgt die Möglichkeit, biotechnologische Wertschöpfungsketten grundlegend zu transformieren. Moderne Plattformen erlauben es, Daten aus Labor, Produktion, Supply Chain und Management in Echtzeit zu erfassen, zu analysieren und nutzbar zu machen. Die Potenziale sind enorm:
- Effizienzsteigerung: Automatisierte Workflows reduzieren manuelle Aufwände
- Bessere Compliance: E-Aufzeichnungssysteme erleichtern Auditierbarkeit
- Künstliche Intelligenz: KI-gestützte Auswertung von Labordaten zur Wirkstoff-
- optimierung
- Nachhaltigkeit: Ressourcenverbrauch durch digitale Transparenz senken
- Produktionssicherheit: Prädiktive Wartung verhindert Anlagenstillstände
SAP als Enabler des digitalen Biotech-Unternehmens
SAP bietet ein umfassendes Ökosystem, um Biotech-Unternehmen bei der digitalen Transformation zu unterstützen. Die Komponenten greifen nahtlos ineinander und ermöglichen eine durchgängige Ende-zu-Ende-Integration:
- SAP S/4HANA: Das digitale Herzstück für betriebswirtschaftliche Prozesse. Es integriert Finanzwesen, Supply Chain, Produktion und Qualitätsmanagement in Echtzeit.
- SAP BTP: Die Business Technology Platform ermöglicht die Entwicklung, Integration und Erweiterung von Anwendungen. Sie bietet KI-Dienste, API-Management, Low-Code/No-Code-Werkzeuge und Datenanbindung.
- SAP Digital Manufacturing: Diese Lösung vernetzt Maschinen, Sensoren und Produktionssysteme in Echtzeit. Sie erlaubt lückenlose Chargenrückverfolgung, OEE-Analyse (Overall Equipment Effectiveness) und Qualitätssteuerung.
- SAP Business Data Cloud: Daten aus heterogenen Quellen werden harmonisiert und stehen zentral für Reporting, Analyse und Simulation bereit – ein kritischer Erfolgsfaktor in forschungsintensiven Branchen.
- SAP Joule: Die KI-Komponente analysiert große Datenmengen, erkennt Muster und generiert Vorhersagen. In der Biotech-Branche unterstützt sie etwa bei der Vorhersage von Prozessabweichungen oder dem Screening von Substanzen.
Labor- und Produktionssysteme: Integration als Erfolgsfaktor
Die Verzahnung von Labor- und Produktionsdaten stellt eine besondere Herausforderung dar. Traditionell arbeiten diese Bereiche mit unterschiedlichen Systemen (zum Beispiel LIMS, MES, SCADA), die selten integriert sind. Eine moderne SAP-Architektur erlaubt hier einen Brückenschlag:
- SAP Digital Manufacturing als das MES-System im Shopfloor
- Mit SAP BTP lassen sich LIMS-Daten über APIs in Echtzeit einbinden
- SAP S/4HANA bildet Qualitätsmanagement- und Chargendaten digital ab
- Die Business Data Cloud integriert externe Forschungsdatenbanken (beispielsweise Genomics)
So entsteht ein geschlossenes Ökosystem, das Informationen ohne Medienbruch durch alle Wertschöpfungsstufen fließen lässt.
Nachhaltigkeit durch digitale Transparenz und Steuerung
Nachhaltigkeit ist nicht länger ein reines Reporting-Thema, sondern wird zur Steuerungsdimension. SAP ermöglicht es, Umweltkennzahlen wie CO2-Emissionen, Energie- und Wasserverbrauch in Echtzeit zu erfassen und mit Geschäftsprozessen zu verknüpfen. Mit Hilfe von KI lassen sich diese Daten für Optimierungen in Produktion und Logistik nutzen.
Künstliche Intelligenz: Vom Datenmeer zur Erkenntnis
Die Biotech-Branche erzeugt enorme Datenmengen – etwa aus Hochdurchsatz-Analysen, klinischen Studien oder Sensorik. SAP Joule in Verbindung mit BTP erlaubt es, diese Daten intelligent zu strukturieren, relevante Muster zu identifizieren und Handlungsoptionen abzuleiten. So können etwa Anomalien im Herstellungsprozess frühzeitig erkannt und automatisch Gegenmaßnahmen ausgelöst werden.
Transformationsprozess: Von der Strategie zur vernetzten Wertschöpfung
Der prozessorientierte Ansatz der Scheer IDS unterstützt die Transformation dabei ganzheitlich über das Business-Alignement bis zur Betriebsphase, umfasst mehrere Schritte und beinhaltet den ACTIVATE-Ansatz der SAP:
- Discover: In einem Vorprojekt oder in einer Phase 0 die Ziele des Business als Leitplanken für das Transformationsprojekt definieren, den Status Quo feststellen, das Zielbild erarbeiten und die Roadmap für das Programm bestimmen
- Prepare, Explore, Realize: Nach der Projektvorbereitung die zukünftigen Sollprozesse und funktionalen Lösungen ausgehend von den SAP und Scheer Best Practices standardnah erarbeiten. In der Realisierungsphase die Konzepte agil in mehreren Iterationen umsetzen
- Deploy: Realisierte Systemlösungen integriert testen und validieren, Benutzer intensiv schulen und nach dem Cut-Over einen effizienten Hypercare-Support gewährleisten
- Run : neue Prozesse und Funktionalitäten stabilisieren und neue Innovationen kontinuierlich umsetzen
Regulatorische Anforderungen: Digitalisierung als Compliance-Beschleuniger
Die Biotechnologiebranche ist stark reguliert. Unternehmen müssen strenge Vorgaben erfüllen – etwa von FDA, EMA oder anderen nationalen Behörden. Dabei geht es nicht nur um Produktsicherheit, sondern auch um die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Produktionsschritten, Datenintegrität sowie den sicheren Umgang mit sensiblen Forschungsdaten. Die Digitalisierung kann hier nicht nur für Effizienz sorgen, sondern auch regulatorische Prozesse beschleunigen und Risiken minimieren.
Ein integriertes SAP-System ermöglicht beispielsweise die automatisierte Generierung und Verwaltung von Audit Trails – also digitalen Prüfpfaden, die jede Änderung im System dokumentieren. Dies reduziert den Aufwand für manuelle Dokumentation erheblich und schafft gleichzeitig eine belastbare Datenbasis für externe Audits. Über die SAP Business Technology Platform lassen sich auch rollenbasierte Zugriffsrechte definieren und nachvollziehbar steuern – ein zentrales Element der Datensicherheit.
Zudem kann mit SAP Digital Manufacturing jede Produktionscharge in Echtzeit überwacht und rückverfolgt werden. Bei Abweichungen oder Qualitätsproblemen lassen sich Ursachen schneller analysieren und regulatorische Berichte automatisch vorbereiten. Die Business Data Cloud wiederum erlaubt es, alle relevanten Daten aus verschiedenen Systemen zentral zu harmonisieren – ein kritischer Vorteil, wenn Behörden konsistente und vollständige Reports verlangen.
Künstliche Intelligenz, etwa in Form von SAP Joule, kann auch im Compliance-Kontext eingesetzt werden – etwa zur frühzeitigen Erkennung von Prozessabweichungen, die eine potenzielle regulatorische Relevanz haben könnten. Das erlaubt proaktives Eingreifen statt reaktiven Krisenmodus.
Für Biotech-Unternehmen bedeutet das: Wer auf durchgängig digitale, standardisierte Prozesse setzt, gewinnt nicht nur an Geschwindigkeit und Qualität – sondern verschafft sich auch einen Vorteil in der regulatorischen Absicherung. Das spart langfristig nicht nur Kosten, sondern erhöht auch die Chancen für eine erfolgreiche und zügige Marktzulassung neuer Produkte.